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Kinotipp „Kiss Me Kosher“: Ups, heiraten wir jetzt?

Die Romantic Comedy „Kiss Me Kosher“ erzählt eine deutsch-israelische Liebesgeschichte und wagt sich mit Humor und Selbstironie auch an die Nahost-Politik und die Wunden, die der Nationalsozialismus hinterließ. Ab 10. Sept. im Kino.

X Verleih Maria (Luise Wolfram, l.) und Shira (Moran Rosenblatt)

Von Dana Müller

9.9.2020 - Es ist eine Frage, die viele Fallstricke birgt: Wie viel Augenzwinkern verträgt der Israel-Palästina-Konflikt? Die Liebeskomödie Kiss Me Kosher nimmt sich ganz schön viel vor. Die israelische Regisseurin und Autorin Shirel Peleg versucht in ihrem Debütfilm mit Witz und Charme, politische und bedeutungsschwere Themen nicht ganz so ernst zu nehmen. Keine leichte Aufgabe für eine romantische Komödie. Das Ergebnis ist vermutlich nicht für jeden politischen Anspruch geeignet.

Der Plot ist eine altbekannte Idee im Stile von Maria, ihm schmeckt’s nicht! oder Meine Braut, ihr Vater und ich, nur dass bei dieser turbulenten Familienfehde ein lesbisches Paar im Zentrum steht und die kulturellen Differenzen zwischen den Verliebten jede Menge geschichtlichen Ballast tragen. Mit Blick auf die deutsche Geschichte bleibt doch so manchmal das Lachen im Halse stecken. Auch die eingestreuten lesbischen Klischees regen immer wieder zum Schmunzeln an und kommen letztendlich doch etwas arg überzeichnet daher.

Für die Eltern gibt's andere Probleme als das Lesbischsein

Die deutsche Biologin Maria Müller (Luise Wolfram) hat sich während ihres Forschungsaufenthaltes in die israelische Barbesitzerin Shira Shalev (Moran Rosenblatt) verliebt, die aus einer jüdischen Siedlerfamilie stammt und unzählige Exfreundinnen und Anmachsprüche in petto hat. Kurzerhand zieht die Deutsche unbedarft nach nur drei Monaten Beziehung aus Stuttgart in das Gelobte Land und in eine gemeinsame Wohnung. Auch ohne historischen oder politischen Hintergrund ist da natürlich Stress vorprogrammiert.

Erfrischend anders: Sowohl die jüdische Familie als auch die hippiesken süddeutschen Eltern freuen sich über Marias spontanen Heiratsantrag. Nicht das Lesbischsein wird problematisiert, sondern vor allem die verworrenen politischen Gegebenheiten. Und so stolpern die Verliebten ein wenig naiv in die anstehende Hochzeitsplanung.

Und was sagt Oma Berta dazu?

Shiras Familie streitet auch ohne lesbische Tochter emotionsgeladen und am laufenden Band. Der pubertierende Bruder nervt mit seinem Filmprojekt für die Schule, die Schwester absolviert gerade die Militärpflicht, der Vater ist ein Siedlerpatriot, und die Mutter steht immer zwischen allen Fronten und will für ihre lesbische Tochter nur eine kitschige Traumhochzeit am Strand. Auch der Vater findet: Klar, eine Frau an der Seite der Tochter ist ja kein Problem, gut, es ist eine Deutsche, aber wie soll sie die zukünftigen Enkelkinder jüdisch erziehen, wenn sie nicht konvertieren will?

Dreh- und Angelpunkt der Story ist darüber hinaus die mürrische jüdische Großmutter Berta. Sie raucht, zockt Poker und finanziert die Bar „The Jewish Princess“ ihrer Enkeltochter. Trotz Stursinn bricht auch sie für die Liebe die gesellschaftlichen Regeln des Landes. Wunderbar grimmig und doch irgendwie sympathisch gespielt von Rivka Michaeli. Der 1938 in Jerusalem geborenen Schauspielerin, Comedienne und Entertainerin, die in ihrem Heimatland eine Ikone ist, nimmt man die Rolle der eigensinnigen Holocaust-Überlebenden ab.

Leicht bemüht hingegen wirken die politisch korrekten Deutschen. Mutter Petra (Juliane Köhler, Aimee & Jaguar) ist tränenreich, während der Vater Hans (Bernhard Schütz) von schlicht allem begeistert ist. In ihrer Stellvertreter-Solidarität will die Mutter nicht die grüne Linie (= Waffenstillstandslinie zwischen Israel und dem Westjordanland, Gazastreifen, Golanhöhen und der Sinai-Halbinsel) überschreiten, sogar wenn es dabei um das Glück ihrer Tochter geht.

Begegnet den vielen Konfliktlinien mit Humor und Selbstironie

Gedreht wurde der Spaß an 27 heißen Drehtagen in der Sommerhitze von Tel Aviv und Jerusalem mit einem israelischen, deutschen und US-amerikanischen Team. Was bei all dem Klamauk nur anklingt, war während der Dreharbeiten Realität: Unter der Soundkulisse von Sirenen und mehrerer Raketenalarme führte es die internationale Crew bei den Proben sogar einmal direkt in einen Luftschutzbunker.

Israel ist auch heute noch ein zerrissenes Land mit vielen Konfliktlinien. Die Militärpflicht für Männer und Frauen, umstrittene Grenzen, der Anspruch von Palästinensern und Juden auf die gleichen Gebiete, die Wunde, die der deutsche Nationalsozialismus hinterließ … die Liste ist lang. All das kommt irgendwie in Kiss Me Kosher vor und begegnet ihm mit Humor und Selbstironie.

Leider verliert die eigentlich wunderbare Idee in der Synchronfassung viel von ihrem Witz und Inhalt. Der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Sprachen im Originalton führt im deutschen Einheitsbrei zu Verwirrung. Schade, es hätte so erfrischend sein können.

Kiss Me Kosher, D 2020, Regie/ Buch: Shira Shalev, mit: Moran Rosenblatt, Luise Wolfram, Rivka Michaeli, Juliane Köhler, Bernhard Schütz u.a., 101 Min., Kinostart: 10. September

 

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