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Kinotipp "My Days of Mercy": Liebe an einem hoffnungslosen Ort

Die eine engagiert sich gegen die Todesstrafe, die andere dafür: „My Days of Mercy“ mit Ellen Page und Kate Mara erzählt die emotionale Lovestory zwischen zwei Frauen aus unterschiedlichen Lebenswelten - mit Tiefgang und ohne Kitsch. Ab 11. Juli im Kino.

Kinostar Mercy (Kate Mara, l.) und Lucy (Ellen Page)

Von Karin Schupp

10.7.2019 - „We found love in a hopeless place“ – diese Songzeile von Rihanna passt wie keine andere auf diese Liebesgeschichte: Lucy und Mercy (dt.: Gnade) lernen sich vor den Toren eines Hochsicherheitsgefängnisses kennen, wo sich an einem Hinrichtungstag zwei Mahnwachen – die eine pro Todesstrafe, die andere kontra - gegenüberstehen.

Dass sie nicht demselben Lager angehören, ist für Todesstrafenbefürworterin Mercy (Kate Mara) allerdings kein Hindernis: Ohne zu zögern, überquert sie die unsichtbare Grenze und geht unbefangen auf die eher verschlossene Lucy (Ellen Page) zu, die mit ihren zwei Geschwistern in einem alten Wohnmobil durchs Land reist, um gegen die Todesstrafe zu protestieren.

Aus Smalltalk wird Freundschaft, aus Freundschaft wird Liebe – mit all dem vorsichtigen Umkreisen, das damit einhergeht, wenn keine der beiden weiß, wie die andere fühlt, und zudem nicht offen zu ihrem lesbischen Begehren steht –, und bald werden die Mahnwachen-Termine vor den Gefängnissen zum Vorwand heimlicher Treffen.

Kinostar

Tochter von Opfer und (mutmaßlichem) Täter zugleich

Von gelegentlichem Geplänkel abgesehen, rücken ihre extrem gegensätzlichen Einstellungen dabei zunächst in den Hintergrund. Aber sie belasten ihre Beziehung doch mehr, als sich die beiden auf ihrer rosaroten Wolke eingestehen wollen.

Denn während Mercy, angehende Juristin aus gutem Hause, von dem Thema nur indirekt persönlich betroffen ist, und man über sie und ihre Motivation nur das erfährt, was sie selbst von sich preisgibt, steht Lucy mit ihrem Trauma und ihrer schmerzhaften Zerrissenheit im Fokus des Films.

Sie ist gleichzeitig Tochter eines Opfers und des (mutmaßlichen) Täters: Ihre Mutter wurde ermordet, ihr Vater sitzt deswegen in der Todeszelle, beteuert aber seine Unschuld. Diese Tat beherrscht seit Jahren Lucys ganzes Leben, wie erstarrt lässt sie es an sich vorüberziehen und erlaubt sich weder berufliche noch sonstige Zukunftspläne, Stabilität bieten einzig die Protestaktionen.

Aber anders als ihre ältere Schwester Martha (Amy Seimetz), die unerschütterlich an die Unschuld und Rettung ihres Vaters glaubt und einem schmierigen Anwalt vertraut, den sich die Familie eigentlich nicht leisten kann, scheint Lucy heimlich zu hoffen, dass dieser Schwebezustand endlich vorbei ist.

Und spätestens als der Hinrichtungstermin bekannt gegeben wird, wird auch Mercy ins Geschehen reingezogen und ihre Beziehung mit Lucy auf eine harte Probe gestellt.

Berührende Liebesgeschichte, die zum Nachdenken anregt

Die lesbische Regisseurin Tali Shalom-Ezer erzählt eine berührende Liebesgeschichte, die außer Kitsch alles hat: Ein gegensätzliches Paar - auch was Temperament und Herkunft angeht -, eine große Hürde, die überwunden werden muss, schöne Sexszenen (die sie mit ihrer Lebensgefährtin choreografierte) und viel Chemie zwischen den beiden tollen Hauptdarstellerinnen, die privat gut befreundet sind und den Film gemeinsam produzierten (Kate ist übrigens die Schwester von Rooney Mara und mit dem Ex-Mann der bisexuellen Schauspielerin Evan Rachel Wood verheiratet).

Und Shalom-Ezer gelingt es, den sozialkritischen Plot so einzuweben, dass er dem Film Tiefgang gibt und zum Nachdenken anregt, ohne belehrend, agitierend oder gar mit Schockeffekt daherzukommen (bis auf eine Ausnahme werden die Hinrichtungen selbst nicht gezeigt - nur die jeweiligen Henkersmahlzeiten, die den Film fast wie Kapitelüberschriften unterteilen).

Ellen Page, Oscar-nominiert für Juno (2007) hat sich mit My Days of Mercy schon jetzt ihren Platz in der lesbischen Filmgeschichte gesichert: Sie macht sich seit ihrem öffentlichen Coming Out 2014 für lesbische Protagonistinnen stark und setzte dies auch in ihren ersten beiden Filmen, die sie selbst produzierte, um (Freeheld mit Julianne Moore war der erste).

My Days of Mercy gehört zu den Lieblingsfilmen der L-MAG-Redaktion und wurde von uns schon auf einigen LGBT-Filmfestivals präsentiert - mit anderen Worten: ein schöner, sehenswerter Film, den wir uneingeschränkt empfehlen!

My Days of Mercy (USA/ GB, 2017), Regie: Tali Shalom-Ezer, Buch: Joe Barton, mit: Ellen Page, Kate Mara, Amy Seimetz, Charlie Shotwell u.a., 108 min. - ab 11. Juli im Kino

 

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