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Kinotipp: „Uferfrauen“: Wo sind die Ost-Lesben?

Schöne Nächte, heimliche Treffen - aber auch Entlassung, Anzeige und Stasi: Der Dokumentarfilm „Uferfrauen – Lesbische L(i)eben in der DDR“ macht ein spannendes Kapitel queerer Geschichte auf und stellt sechs ostdeutsche Lesben vor. Ab 3. Sept. im Kino.

déjà-vu Film

Von kittyhawk

31.8.2020 - „Wo haben sich denn die Lesben in Rostock getroffen?“, fragt die Filmemacherin aus dem Off. Antwort: „Das hätte ich auch gern gewusst!“ Für schwule Männer gab es die Klappen, aber für Frauen? Noch dazu für jene, die wie die sechs Protagonistinnen von Uferfrauen in den 1950er/ 1960er Jahren geboren wurden, in denen kaum ein Mensch das Wort lesbisch kannte.

Als eine der im Film Porträtierten mit 16 Jahren erfuhr, eine Frau im Nachbardorf sei Lesbe, hörte sie den Begriff zum ersten Mal – und bekam sofort Herzrasen. Eine andere heiratete, wie viele, zunächst einen Mann: „Ich hab’ nichts anderes gekannt.“ Und die dritte stellte immerhin früh fest: „Irgendwie sind Mädchen und dann Frauen für mich die interessanteren Menschen gewesen.“ Nach und nach hatte jede ihr Erweckungserlebnis.

Die Mutter rückte mit Desinfektionsmittel an

Wenn sich die heute älteren Frauen in Barbara Wallbrauns Langfilmdebüt an ihr erstes Verliebtsein erinnern, macht es ihnen sichtbar noch immer Gänsehaut. Bei einigen von ihnen hatte die Liebe brutale Konsequenzen. Anders als in Westdeutschland strich die DDR-Justiz zwar 1968 den Paragraph 175, Homosexualität war seitdem nicht mehr per se verboten. Aber nun wurden unter Paragraph 151 gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen als kriminell verurteilt. Es drohten Berufsverbot, Bewährungs- oder Gefängnisstrafen.

Der damals 16-jährigen Carola aus Uferfrauen gelang es schließlich, die Lesbe aus dem Nachbardorf zu verführen. Doch das Glücksgefühl währte nicht lange. Carolas Eltern erstatteten Anzeige; ihre Mutter rückte mit Plastikgeschirr und Desinfektionsmittel an: Sie habe sich bei der älteren Frau „angesteckt“, müsse „geheilt“ werden.

Bei Pat war das Altersverhältnis andersherum, nach einer einzigen wunderschönen Nacht verlor sie Job, Wohnung und den sozialen Rückhalt. Jahrzehnte später besucht sie mit ihrer Tochter und dem Filmteam ihr früheres Zuhause, schreit die Wut und den Schmerz noch einmal raus.

Auffällige Lesben gerieten ins Visier der Stasi

Es sind durchaus heftige Geschichten, die Uferfrauen auf ruhige Art erzählt. Alte Schwarz-Weiß-Fotos und mit wenigen Strichen animierte Figuren bringen eine zusätzliche visuelle und vorsichtig poetische Ebene in den Film (der den Publikumspreis der Lesbisch-Schwulen Filmtage Hamburg gewann). Die Biografien der sechs Frauen, nach denen die Regisseurin lange gesucht hat, verdichten sich zu einem spannenden Zeitbild (ost)deutscher Geschichte.

Lesben in der DDR – das war bislang kein Thema mit großer Sichtbarkeit. Dabei spielte lesbischer Aktivismus innerhalb der Oppositionsbewegungen, die letztlich mit zum Fall des Regimes führten, eine gewisse Rolle. Als teils straffällig und auffällig gewordene Lesben gerieten die Uferfrauen auch ins Visier der Stasi.

Am härtesten traf es Christiane, „Mutter“ der 1973 gegründeten Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin (HIB), in deren Wohnzimmer auch der Sonntagsclub seinen Anfang nahm. Ihre Partys und ihre politische Vernetzungsarbeit für Queers in der DDR brachten ihr Verhaftungen, Verhöre und schließlich lebensbedrohlichen Psychoterror ein.

Die evangelischen Kirchen boten Raum für Randgruppen

Carola und Pat, die nach ihren Horrorerfahrungen mit der Justiz ins weltoffenere Ost-Berlin geflüchtet waren, entdeckten dort die Treffen der Anfang der 1980er entstandenen „Lesben in der Kirche“ (LiK).

Die evangelischen Kirchen boten Raum für Randgruppen und die politische Gegenöffentlichkeit, hier trafen sich die Friedensbewegten, die Punks, die Lesben, hier bildete sich die Opposition zum bröckelnden Staat. Gegen Ende des Films wird der historische Moment noch einmal greifbar: Die ersten Montagsdemos, die Angst vor Polizeigewalt und der Mut, trotzdem auf die Straße zu gehen. Das Gefühl, dass nun ein anderes Land, eine andere Politik möglich wird. Die große Utopie schrumpfte jedoch schnell zu 100 Mark „Begrüßungsgeld“.

Einige der „Uferfrauen“ engagieren sich heute auf lokaler Ebene. Sie gründeten Frauenverbände, machen feministisches Radio oder sind „Kiezmutter“ im Berliner Kiezladen. Und manchmal wünschen sie sich, wie Protagonistin Pat, den jüngeren Lesben und Queers etwas mitgeben zu können. Zum Beispiel, wie man kämpft: „Ich glaube, das ist bald wieder dran.“

Uferfrauen - Lesbisches L(i)eben in der DDR (D 2019), Regie: Barbara Wallbraun, 115 min., Kinostart: 3. Sept. 2020 - alle Kinotermine stehen hier

 

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