Noch mehr lesbische Sportlerinnen in Rio
Was haben sportliche Erfolge mit der sexuellen Orientierung zu tun? Gar nichts! Deshalb ist es umso schöner, dass immer mehr Lesben und Schwule bei Olympia nicht mehr das Gefühl haben, das verstecken zu müssen. Wir stellen sie alle vor! (Teil 2)
Von Karin Schupp, l-mag.de, 7.8.2016
MIT AKTUELLEN UPDATES!
Mindestens 64 offen lesbische und schwule Sportler treten bei den Olympischen Spielen 2016 an – so viele wie nie zuvor. Und mit guten Medaillenchancen: Allein 17 der 53 Frauen standen schon vor vier Jahren auf dem Treppchen. Und viele nahmen in der Zwischenzeit ihre Verlobung, Verpartnerung oder Hochzeit zum Anlass, sich zu outen. Entsprechend hoch ist der Ehestand: 14 Teilnehmerinnen sind verheiratet (zwei davon miteinander, siehe Teil 1), sieben weitere sind verlobt.
Hier geht's zu Teil 1 mit Goldmedaillen-Gewinnerinnen von 2012, drei Deutschen, dem ersten lesbischen Ehepaar bei Olympischen Spielen - und allen Updates.
Handball:
Für die Französin Alexandra Lacrabère (29) sind es schon die dritten Olympischen Spiele - und die zweiten als offene Lesbe. Sie outete sich Anfang 2012 in einem französischen Sportmagazin: Als sie gefragt wurde, was sie in ihrer Freizeit gerne mache, habe sie ihre Freundin nicht verschweigen wollen, erklärte sie hinterher. Mayssa Pessoa (31), die mit Lacrabère beim mazedonischen Club ŽRK Vardar spielt, wurde 2013 mit Brasilien Weltmeister, eine olympische Medaille fehlt ihr noch: In London 2012 war nach dem Viertelfinale Schluss. Da hatte sich die Torfrau gerade in der französischen LGBT-Zeitschrift Têtue geoutet. Mayssa ist mit dem kanadischen Model Nikki Shumaker verlobt, ihr Instagram-Account ist voller sexy Fotos und Liebeserklärungen. Und Torfrau Marieke van der Wal (36) ist Nachrückerin im Team vom Vize-Weltmeister Niederlande. Die Rekordnationalspielerin (180 Spiele) beteiligte sich in diesem Jahr an einer Kampagne, die holländische Sportler zum Coming Out ermuntert.
UPDATE: Valentina Kogan (36) stand 18 Jahre lang im Tor der argentinischen Nationalmannschaft; nach den ersten Olympischen Spielen, an denen Argentiniens Handballerinnen teilnehmen, beendet sie ihre Karriere. Im Oktober werden sie und ihre Frau Carolina Rieger Eltern von Zwillingen.
Kanuslalom:
Die schottische Kanutin Fiona Pennie (33) war schon vor ihren ersten olympischen Spielen in Peking 2008 offen lesbisch: Die Zeitung Telegraph erwähnte in einem Porträt über sie ihre damalige Freundin. Heute ist sie mit der Ex-Rugbyspielerin Linsey Douglas zusammen. Die Europameisterin 2013 und Vizeweltmeisterin 2014 gewann in diesem Jahr im Teamwettbewerb EM-Gold für Großbritannien und geht mit Medaillenhoffnungen ins Rennen. Ashley Nee (USA) gehört hingegen zu den Sportlerinnen, die bisher nicht mal einen Wikipedia-Eintrag haben. Der größte Erfolg der Studentin (27) aus Maryland ist ihre Bronzemedaille bei den Panamerikanischen Spielen 2015. Sie ist mit Ashley McEwan verheiratet und engagiert sich bei Athlete Ally, einer Initiative gegen Homophobie im Sport.
Fußball:
Mit 17 offen lesbischen/ bisexuellen/ queeren Spielerinnen in sechs Nationalmannschaften bleibt Fußball der Lesbensport Nr. 1!
Südafrika: Kein Spieler und keine Spielerin Südafrikas hatte schon mehr Länderspiel-Einsätze (130) als Team-Kapitänin Janine van Wyk. Vor sechs Wochen stellte die 27-Jährige auf Instagram ihre Freundin Lauren Duncan vor.
Neuseeland: Katie Duncan (28), die schon bei der WM 2015 dabei war, wechselte 2015 zum FC Zürich, weil ihre Frau, die Ex-Fußballerin Priscilla Duncan, in der Schweiz lebt. In Rio spielt sie mit Fast-Glatze: Vor gut drei Wochen ließ sie sich ihre langen Haare für einen guten Zweck schneiden.
UPDATE: Kirsty Yallop (29), die bei allen drei Gruppenspielen auflief, wechselte in diesem Jahr mit ihrer Freundin, der australischen Nationalspielerin Tameka Butt (s. unten), zum schwedischen Club Mallbackens.
Australien:
UPDATE: Tameka Butt (25) gab schon mit 16 ihr Debüt in der Nationalelf und spielt seit 2012 im Ausland – darunter auch eine Saison beim FFC Frankfurt (2013/14) und zurzeit mit ihrer neuseeländischen Freundin Kristy Yallop (siehe oben) in Schweden.
Stürmerin Michelle Heyman (28) gehört zu den Spielerinnen, die "schon immer" offen lesbisch waren, etwa auf ihren Social Media-Seiten. Vor der WM 2015 bestätigte sie es aber noch einmal offiziell. Kürzlich brachte sie ihr Modelabel MH23 auf den Markt, und für eine LGBT-Samenbank wirbt sie in ihrer Heimat auch. Kyah Simon (25) und Alanna Kennedy (21), beide auch schon bei der WM 2015 dabei, haben auf dem Platz nicht viel miteinander zu tun – die eine ist Stürmerin, die andere Verteidigerin -, aber privat sind sie ein Paar.
USA: Der Weltmeister 2015 und Olympiasieger 2012 hat mit Jill Ellis eine offen lesbische Trainerin, seit Abby Wambachs Rücktritt aber nur noch zwei offen queere Spielerinnen im Kader: Megan Rapinoe (31), die sich kurz vor den Olympischen Spielen in London outete, ist eine der sichtbarsten und engagiertesten Lesben der USA. Im letzten Sommer verlobte sie sich mit der Musikerin Sara Cahoone (K-Word #108). Manchen war ja Ali Kriegers (32) Coming Out im Frühjahr 2015 nicht eindeutig genug („Es war ein langer, harter Weg für mich", sagte sie im Videoblog Talking About Sexuality ihres schwulen Bruders. "Und ich gebe mir kein Label."), aber was sollte sie wohl sonst gemeint haben. Das Gerücht, dass sie mit Torfrau Ashlyn Harris (diesmal nicht im Kader) zusammen sei, ist allerdings unbestätigt.
Kanadas lesbische Torfrau Erin McLeod fällt verletzungsbedingt aus, dafür bekommt aber eine weitere lesbische Keeperin endlich ihre Chance: Stephanie Labbé (29), die bei der WM 2015 vergeblich auf einen Einsatz hoffte, ist mit Verteidigerin Marie-Ève Nault (34) zusammen, die ihr Debüt bei der WM 2011 gegen Deutschland gab, nach Rio aber nur einen Nachrückerinnen-Platz hat. Als gesetzt gilt Melissa Tancredi in ihrem letzten Turnier: Sie kündigte bereits an, ihre Karriere nach Rio zu beenden. Die 34-Jährige engagiert sich für das Anti-Homophobie-Programm des Kanadischen Olympischen Komitees und ist – Instagram nach zu schließen - mit der Ex-Nationalspielerin Selenia Iacchelli liiert.
Schweden: Mit fünf offenen Lesben ist der Viertelfinalist von London 2012 das homosexuellste Team der Olympischen Spiele! Und dabei ist ihre lesbische Trainerin Pia Sundhage noch nicht mal mitgezählt: Lisa Dahlkvist (29), die sich schon 2008 outete, wurde mit ihrer Frau Jessica Danielsson im letzten Herbst Mutter einer Tochter. Auch Torfrau Hedvig Lindahl (33) ist verheiratet und hat mit ihrer Frau Sabine einen 2-jährigen Sohn. Jungnationalspielerin Magdalena Ericsson (22) ist mit der Fußballerin Anna Lindblom zusammen.
VfL Wolfsburg-Star Nilla Fischer (32) feierte am letzten Wochenende die ersten 1000 Tage ihrer Ehe mit Frau Mariah-Michaela. Nur Ko-Kapitänin Caroline Seger (31), die sich 2013, in der schwedischen LGBT-Zeitschrift QX outete, hält sich bedeckt, was ihr Beziehungsleben angeht.
Und die Männer?
Der Schwulensport schlechthin scheint das Dressurreiten zu sein: Im niederländischen Team (Olympia-Bronze 2012) tritt ein Paar an: Edward Gal (46) und Hans Peter Minderhoud (42). Und in Team GB gehen Carl Hester (49), der schon 2012 Mannschafts-Gold holte, und sein Ex Spencer Wilton an den Start.
Der britische Turmspringer Tom Daley (22) gewann in London 2012 Bronze (10 Meter-Plattform), outete sich 2013 und inspirierte damit einen weiteren olympischen Turmspringer zum Coming Out: Ian Matos (26) aus Brasilien. Auch zwei Schwimmer, die schon vor vier Jahren dabei waren, outeten sich inzwischen: Der Finne Ari-Pekka Liukkonen (27) und Amini Fonua (26), der in London 2012 Fahnenträger seines Heimatlandes Tonga war.
Olympia-Premiere feiert der holländische Turner Jeffrey Wammes (29). Im 20 km Gehen tritt der Brite Tom Bosworth (26) an, und im Rudern hofft Robbie Manson (26) aus Neeuseeland, WM-Dritter 2015 im Doppelzweier, auf eine Medaille.
Teil 1: Badminton, Basketball, Beachvolleyball, Boxen, Hockey, Judo, Leichtathletik, Radrennfahren, Rudern, Rugby, Schwimmen, Taekwondo und Volleyball - mit aktuellen UPDATES!
Anm.: Als “offen lesbisch/ bisexuell” gilt, wer sich in einem Interview geoutet hat oder sich auf seinem öffentlichen Social Media-Profil eindeutig dazu geäußert hat. Fotos von mutmaßlichen Freundinnen und "offene Geheimnisse" genügen nicht.
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