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Lesbenfrühlingstreffen 2019: „Wir werden von beiden Seiten angegriffen“

Lesbisch, queer, trans, nonbinär: Die einen fühlen sich ausgeschlossen – die anderen auch. Vorm Lesbenfrühlingstreffen gibt’s Streit ums Gendersternchen, Workshoptexte und das Verschwinden von Lesbenräumen. Wir fragten bei Franziska vom Orga-Team nach.

Von Hannah Geiger

5.5.2019 - Mit seiner über 40-jährigen Geschichte ist das bundesweite „Lesbenfrühlingstreffen“ (LFT) , das dieses Jahr vom 7. bis 10. Juni in Köln stattfindet, eine wichtige Institution in lesbisch-feministischen Zusammenhängen in Deutschland. Trotzdem fühlen sich nicht alle davon angesprochen. Das will das diesjährige Orga-Team ändern und nennt das LFT erstmalig - auch - L*FT mit Sternchen ("Warum nicht beides?")

Damit sollen auch diejenigen erreicht werden, die sich nicht als cis-Frau verstehen (cis = die Geschlechtidentität stimmt mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht überein) und laut Webseite, auch „jüngere, politische Lesben*“.

Franziska Senze, die mit sieben anderen das Kern-Orga-Team darstellt und seit eineinhalb Jahren dabei ist, erklärt im L-MAG-Interview, was sie sich mit dem Sternchen gedacht haben. Und wie es helfen kann, das LFT in der gesamtdeutschen Lesbenszene wieder relevanter werden zu lassen.

 

Ihr habt euch dieses Jahr dazu entschieden, ein Sternchen an das L zu hängen, mit dem passenden Motto „Das LFT schaut in die Sterne“. Warum?

Wir wollten das aus dem Grund, dass jüngere Frauen sich zunehmend als queere Frauen verstehen, einige sich eher in das Butch-Femme-Schema einordnen oder ganz anders nennen. Es gibt viele Begriffe, die der Begriff Lesbe nicht unbedingt miteinschließt. Und diese frauenliebenden Frauen wollen wir auch ansprechen.

Wer ist dann konkret gemeint - auch trans Frauen?

Trans Lesben oder trans Frauen sind schon viele Jahre bei uns auf dem LFT willkommen, das ist nichts Neues. Nur die Erweiterung auf frauenliebende Frauen, die sich anders bezeichnen ist neu. So können auch Menschen, die sich als non-binary (dt.: nicht binär) verstehen und Frauen lieben, gemeint sein. Nur trans Männer sind nicht eingeladen. Das ist der Ausschluss, den wir haben, denn wir verstehen uns in der Tradition immer noch als Frauen- und Lesbenraum. Das ist ganz wichtig. Deshalb hat es auch viele Diskussionen um das Sternchen gegeben. Es kamen Fragen auf wie: Bleibt das überhaupt ein Frauenraum? Stürmen jetzt Männer zum L*FT? Das ist es natürlich nicht.

LFT 2019 Franziska Senze

Auf eurer Webseite klingt es, als ob die Debatten um das Sternchen ziemlich heftig waren. Es wurde ein Antrag auf Umbenennung eingereicht und aufgrund vehementer Gegenstimmen wieder zurückgezogen … wie lief das ab?

Auf dem letzten LFT in Göttingen waren die Diskussionen sehr hitzig. Die Erfahrung vieler ist, dass in den letzten Jahren immer mehr Frauen-Lesbenräume verschwinden, und es gibt die Befürchtungen, dass das LFT ein weiterer Raum sein wird, den es bald nicht mehr gibt. Diese Ängste gehen bei vielen sehr tief. Im Rahmen der Debatte wurde auch eine E-Mail verfasst, dass man uns als Orga-Gruppe die Organisation des L*FT für 2019 entziehen sollte. Wir haben aber daran festgehalten, dass wir einen Raum schaffen wollen, der die Möglichkeit zum Dialog und einen Austausch zwischen frauenliebenden Frauen bietet – so unterschiedlich sie auch sein mögen. Denn nur so kann es weitergehen.

Im Frauenbildungshaus Zülpich beispielsweise haben sie sich nach 40 Jahren dazu entschieden, den Raum zu schließen, weil es so nicht weitergehen konnte, woraufhin sich junge queere Frauen (Lila Bunt) entschlossen haben, das Projekt ab Juli 2019 zu übernehmen. Sie machen dort ein bisschen etwas anderes draus, eher ein queeres, feministisches Projekt, das sich genderoffener versteht. Ich denke, die Räume, die seit Jahrzehnten existieren, sprechen immer weniger Frauen und Lesben an.

Haben sich die traditionellen Lesbenräume etwa überholt?

Überholt würde ich nicht sagen, es gibt ja auch jüngere radikale Feministinnen, die diese Räume exklusiv haben möchten. Deswegen ja auch die heftigen Diskussionen. Ich bin gespannt, was beim L*FT auf uns zukommt.

Du hast die heftigen Reaktionen genannt. Wie genau sahen die aus?

Es ging um einen Workshop, der von einer Frau angeboten wurde. Der Workshoptext enthielt einige Äußerungen, die die trans Communitys diskriminierten, weshalb wir uns entschieden haben, ihn von unserer Webseite zu nehmen. Daraufhin startete eine der Referentinnen eine Petition mit dem Ziel, dass wir den Text wieder im Original veröffentlichen. Wir sind weiterhin im Austausch mit der Referentin und versuchen eine Lösung zu finden. Wir wollen einen offenen Raum und die Möglichkeit bieten, dass die Frauen sich zurückziehen können. Deswegen gibt es auch Ruhe- und Rückzugsräume für bestimmte Gruppen von Lesben, zum Beispiel für Lesben, die sich als cis-Frauen verstehen oder für trans-inter-queere Lesben, um sich dort auszutauschen und einen Schutzraum zu haben. Es gibt auch einen Schutzraum für Lesben of Color und Regenbogenfamilien. Unser Orga-Team hat den Wunsch, dass wir dieses L*FT in Köln für einen Dialog und Austausch nutzen, aber es gibt eben auch die Möglichkeit, sich in der eigenen Gemeinschaft zurückzuziehen.

Bist du der Meinung, dass in der Diskussion auch ein Generationenkonflikt zutage tritt?

Teilweise. Es gibt auch jüngere Frauen, die sehr scharf diskutieren und große Angst vor dem Verlust der Frauen- und Lesbenräume haben, aber tendenziell ist es eine Generationengeschichte, das würde ich schon sagen. Es sind eher ältere Lesben, die diese Ängste vor Verlust der Existenz haben. Auch wenn sich einige ältere Lesben nicht unbedingt als Radikalfeministinnen verstehen. Wir werden gerade von beiden Seiten angegriffen. Mehr von den älteren Lesben oder Radikalfeministinnen - und obwohl wir als Orga in dieser Hinsicht unterschiedliche Positionen vertreten.

LFT 2019 ... und die restliche Organisationsgruppe des LF*T 2019

Ihr nennt es dieses Jahr L*FT mit Sternchen, aber auch LFT ohne Sternchen, um der Tradition gerecht zu werden und genau diesen Ängsten entgegenzuwirken. Wie wichtig ist Tradition im Zusammenhang mit lesbischer Geschichte?

Die Frauen, die schon viele Jahre dabei sind, möchten natürlich nicht, dass der Name sich ändert, zum Beispiel in „Treffen für queere Frauen“. Dann würden sie sich nicht mehr angesprochen fühlen, und das wollen wir verhindern. Ich denke aber, es ist wichtig, sich zu begegnen und nicht ein festgeschriebenes Bild von der anderen Person zu haben. Den Konflikt zwischen Queerfeminismus und Radikalfeminismus werden wir nicht lösen können, der ist schon alt. Aber wir wollen die Frauen dazu bringen, sich zu treffen, sich auszutauschen und etwas zu lernen. Und die Ängste abzubauen.

Habt ihr eine Handhabe, wie ihr mit Transfeindlichkeit auf dem L*FT umgeht?

Wir haben ein sogenanntes Aufmerksamkeits- oder Awareness-Team, an das sich Frauen wenden können. Es wird eine Kontakt-Telefonnummer geben und einen Extra-Raum, in den sich Frauen zurückziehen können, wenn ihnen alles zu viel wird und sie ein offenes Ohr brauchen. Wenn es einen handfesten Konflikt geben sollte – was wir nicht hoffen – dann soll geschlichtet werden. Das ist eine Vorkehrung, die es auf den letzten Lesbenfrühlingstreffen nicht gegeben hat, wir wollen aber im Vorfeld zeigen: Wir wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sich alle wohlfühlen und dass manche unsicher sind, was den Raum betrifft. Deshalb bekommt jede Teilnehmerin Unterstützung, wenn sie sie braucht.

Auf was freust du dich am meisten im Programm?

Ich freue mich auf die Vielfältigkeit. Zum Beispiel auf einige Vertreterinnen der Flying Lesbians, einer lesbischen Band aus den 1970ern, die erzählen und singen werden, oder auf den Workshop „Viva la Vulva“, in dem es darum geht, die Vulva zu feiern. Ich freue mich auch auf den Raum der Generationen, in dem Lesbischsein heute und gestern verhandelt wird, und auf Workshops zu lesbischen Beziehungen. Das komplette Programm ist auf unserer Homepage nachzulesen.

Zum Schluss noch etwas Lustiges: Auf dem Programm steht auch Playfight - was ist das genau?

Bei Playfight geht es um den Umgang mit den eigenen Grenzen. Einige sagen dazu auch raufen. Man muss sich in einer Zweierkonstellation oder mit mehreren Leuten aufeinander zu bewegen, die Körper aneinander messen, und auch spüren, wann Schluss ist. Wie viel Kraft kann ich geben, wann muss ich nachgeben? Es ist ein sehr spannendes Spiel, das jede mal ausprobieren sollte. Gerade wenn ganz viel Kopfarbeit angesagt ist, ist es toll, zur Abwechslung etwas mit dem Körper machen zu können.

Lesbenfrühlingstreffen 2019: 7.-10. Juni in Köln, Integrative Gesamtschule Holweide. Die Eintrittspreise sind freiwillig, der kostendeckende Beitrag liegt bei 90-110 Euro.

Das Gelände ist barrierearm, das heißt mit dem Rollstuhl befahrbar; bei Bedarf können Gebärdendolmetscher_innen und Übersetzer_innen vorab gebucht werden (Infos: hier)

Alle weiteren Informationen auf der Webseite.

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