L-Mag

Lesbische Perspektiven prägen den Deutschen Buchpreis 2025

Gleich zwei Werke aus dem L-Universum könnten den Deutschen Buchpreis gewinnen, der am 13. Oktober verliehen wird: Fiona Sironics Debütroman „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ und Christine Wunnickes „Wachs“.

Apollonia Theresa Bitzan Fiona Sironic

Von Anja Kümmel/ sw

12.10.2025 - Mit Fiona Sironics Debütroman „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ und Christine Wunnickes „Wachs“ (über zwei wegweisende Künstlerinnen im 18. Jahrhundert, die ein Liebespaar waren) haben es gleich zwei Werke aus dem L-Universum in diesem Jahr auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft, der 13. Oktober in Frankfurt/Main verliehen wird. 

Beide Romane rezensierten wir in der L-MAG 4/2025, Fiona Sironic zierte sogar das Cover der Ausgabe (hier als E-Paper). Aus gegebenem Anlass veröffentlichen wir an dieser Stelle noch mal die Besprechung von ihres Buchs „Am Samstag gehen die Mädchen...“, in dem sich zwei frisch verknallte Teenagerinnen utopische Inseln inmitten einer lebensfeindlichen Umwelt erschaffen.

Leben in der Apokalypse

Die Welt, in die Era hineinwächst, ist ähnlich wie die unsere, nur trägt alles bereits ein bisschen mehr apokalyptische Züge: Der Sommer heißt jetzt „Feuerzeit, Pyrozän“; die Waldbrandkarte hat sich als Teil des Wetterberichts etabliert. Bananen kennt Era nur noch als Geschmacksrichtung im Proteinpulver. Immer mehr Vogelarten sterben aus, und Era dokumentiert sie alle.

Das Faible fürs Archivieren teilt die 15-Jährige mit ihrer Mutter, die an einem Forschungsprojekt zu den Anfängen des Internets arbeitet. Zusammen bewohnen sie eine Hütte im Wald, seit das Leben in den Städten mit ihren glühenden Asphaltflächen unerträglich geworden ist.

Aus dem Wald – und aus den Streams – kennt Era auch die Schwestern Maja und Merle, die dort jeden Samstag Festplatten in die Luft jagen und die Aufzeichnungen ihrer Aktionen anonym hochladen. Era ist sofort fasziniert: „Ich weiß noch, ich war anfangs verwirrt davon, bis es dann so lange da war, dass ich es einordnen musste. Ein Crush. Ein Begehren.“ Dass sich ihr erstes Verknalltsein auf ein anderes Mädchen richtet, wird nicht weiter problematisiert.

Die Taube als Symbolbild

Immerhin etwas hat sich verbessert in der nahen Zukunft, die Fiona Sironic beschreibt: Die heteronormative Kleinfamilie als vorherrschendes Modell scheint ebenso ausgestorben wie die Turteltaube, für die Era diesen lakonischen Steckbrief formuliert: „Sie wurde zeitlebens gehypt als Symbolbild normativer Beziehungsmodelle und unpassender Anthropomorphisierungen. Dafür konnte sie nichts, rest in power.“

Ihre Mutter ist schon immer alleinerziehend, ihre Tante – deren Wurzeln unverkennbar in der „Fridays for Future“– Bewegung liegen – zieht zu ihrer Wahlfamilie aus Freund:innen in ein Gewächshaus-Wohnprojekt. Am traditionellsten wirken fast noch die beiden Mütter von Merle und Maja, die Momfluencerinnen A&E, gegen die sich Majas Wut über die ungefragte Dokumentation und öffentliche Ausstellung ihrer Kindheit richtet.

Hoch und Tiefs der ersten Liebe

Die Suche nach einem Ort für ihre Gefühle – Trauer, Zorn und Unsicherheit, aber auch die Sehnsucht nach echter, analoger Intimität – verbindet Maja und Era, und flüchtig scheint die romantische Vision eines gemeinsamen Auf- und Ausbrechens auf. Doch dann brennt es wieder, und die Prioritäten verschieben sich.

In frischem, der gesprochenen Sprache nachempfundenem Duktus, teils durchsetzt mit Jugendslang, teils aber auch unerwartet poetisch, fängt die 1995 in Neuss geborene Autorin die Hochs und Tiefs einer ersten Liebe ein und zugleich die unterschiedlichen Arten ihrer Protagonistinnen, mit der Klimakrise umzugehen.

Verwoben ist das Ganze mit differenzierten Reflexionen über die Licht- und Schattenseiten des Konservierens von Daten und allerlei Fun Facts über Dinosaurier und Vögel (zum Beispiel, dass der T-Rex möglicherweise gar kein „dunkel geschuppter König der Kreidezeit“ war, sondern ebenso gut ein flauschiges Federkleid getragen haben könnte). Selten wurde ein düsteres Thema mit so viel Leichtigkeit, Humor und Empathie für sämtliche Figuren erzählt.

Fiona Sironic, Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft. Ecco Verlag, 2025, 208 Seiten, 23 Euro (e-Book: 

Christine Wunnicke, Wachs. Berenberg Verlag, 2025. 192 Seiten, 24,00 Euro 

 

Die aktuelle Ausgabe der L-MAG  erhältlich am Kiosk, im Abo, als e-Paper und bei Readly.

Aktuelles Heft

Zimmer, Küche, Butch - Queerer Wohnen

Vom WG bis Hausprojekt - wie wollen wir leben? Plötzlich hetero: JoJo Siwa, Fletcher, Billie Eilish, Interviews mit Aygyul (Cover) und Karin Hanczewski, Reisen: Lesbos, Thailand, Mexiko-Stadt, Zürich, warum sind Altersunterchiede im lesbischen Kino so präsent? Und wie immer: viele Film-, Musik- & Buchtipps und vieles mehr! Hier abonnieren!




Bleibt out und proud!

 

Nur mit euch, unseren Leser:innen und online-Nutzer:innen, bekommen wir das hin! Helft uns, damit wir diese Zeiten durchstehen, die in politischer wie finanzieller Hinsicht nicht einfach sind. Journalismus, der nicht nur in Social Media Bubbles stattfindet, unabhängig ist und dialogbereit bleibt, hat es zunehmend schwer.

Unterstützt unsere Arbeit!

Vielen Dank!
Euer L-MAG-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!

Bleibt out und proud!

 

Nur mit euch, unseren Leser:innen und online-Nutzer:innen, bekommen wir das hin! Helft uns, damit wir diese Zeiten durchstehen, die in politischer wie finanzieller Hinsicht nicht einfach sind. Journalismus, der nicht nur in Social Media Bubbles stattfindet, unabhängig ist und dialogbereit bleibt, hat es zunehmend schwer.

Unterstützt unsere Arbeit!

Vielen Dank!
Euer L-MAG-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!
x