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„LGBT-Medien sind heute wichtiger als je zuvor“

Wie hat sich die Medienberichterstattung über Homosexualität verändert? Welche Rolle spielt die Lesben- und Schwulenpresse für die LGBT-Bewegung? Und was sollte jede Redaktion beherzigen? Ein Interview mit Patty Rhule vom Newseum in Washington.

Newseum Patty Rhule vom Newseum

Von Tobias Sauer

20.3.2019 - Das Journalismus-Museum Newseum in Washington, DC zeigt derzeit die Ausstellung „Rise Up: Stonewall and the LGBTQ Rights Movement“ zum 50. Jahrestag der modernen LGBT-Bewegung. 

L-MAG sprach mit Patty Rhule, die im Newseum für die Sonderausstellungen zuständig ist, über Fairness in den Medien und die Rolle der LGBT-Presse.

 

Beim Blick in die Ausstellung kann man zahlreiche, äußerst beleidigend verfasste Schlagzeilen über LGBT aus den 1960er-Jahren lesen. Ist das repräsentativ für die Medien in jener Zeit?

Patty Rhule: Ja, solche Schlagzeilen waren bis in die 1970er üblich. Die Los Angeles Times titelte etwa im Jahr 1950: „Kongress erfährt: 5.000 Perverse haben die Hauptstadt befallen”. Das Magazin Coronet warnte im selben Jahr auf dem Titel vor einer angeblichen „Neuen moralischen Bedrohung für unsere Jugend”. Die Presse spiegelte mit solchen Schlagzeilen die Stimmung der Bevölkerung jener Zeit. Lesben und Schwule wurden von ihren Familien verstoßen und vom Staat bedroht. Sie durften ihre sexuelle Orientierung nicht offen zeigen oder bekamen, wenn sie es doch taten, keine Jobs mehr.

Galt das auch für die Berichterstattung über die Stonewall Riots im Juni 1969 in New York?

Erstaunlicherweise haben nur wenige Mainstreammedien über die Stonewall Riots berichtet, obwohl diese in New York stattfanden, der Medienhauptstadt der USA. Wenn doch, dann überwogen in der Tat negative oder beleidigende Schlagzeilen. Die New York Sunday News etwa titelte: „Homo Nest Raided, Queen Bees Are Stinging Mad” (etwa: „Homo-Nest ausgeräuchert, Bienenköniginnen stechen zurück“). Das war dem Thema kaum angemessen, wenn man bedenkt, dass sich die Jugendlichen vor der Bar gegen andauernde Polizeiwillkür zur Wehr setzten und sagten: Wir nehmen diese Behandlung nicht mehr hin und kämpfen jetzt dagegen an.

Coronet/ TIME, Fred Burrell Und mit "Homosexuellen" meinten die Medien damals noch viel mehr als heute: Schwule

Es gab auch damals schon eine LGBT-Presse. Welche Bedeutung hatte die für die queere Bürgerrechtsbewegung?

Sie war absolut kritisch. Ganz ähnlich wie Vertreter anderer marginalisierter Gruppen vor ihr, die sich von der Mainstream-Presse nicht repräsentiert gefühlt haben, gründeten auch LGBT-Aktivisten eigene Zeitungen. Etwa The Advocate in Los Angeles, oder The Blade in Washington. Mittels dieser Publikationen konnten sie Nachrichten verbreiten und die Leute auffordern, sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen.

Hat Stonewall die Berichterstattung der Mainstream-Medien langfristig verändert?

Nach Stonewall begannen Medien, der LGBT-Community mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das Time Magazine etwa beschäftigte sich im Oktober 1969 schon auf dem Cover mit „Dem Homosexuellen in Amerika“. Im Text heißt es: „Obwohl sie den meisten Amerikanern immer noch ziemlich seltsam vorkommen, waren Homosexuelle niemals so sichtbar, so lautstark oder so gründlich erforscht wie heute.“ Langsam setzte sich ein anderer Ton durch.

Newseum Der erste Raum der Ausstellung

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Mainstream-Presse heute?

Im Großen und Ganzen hat sich die Lage für LGBTs wie für andere marginalisierte Gruppen verbessert, vor allem, weil sie in den Medien besser repräsentiert sind. Das gilt auch für die Popkultur oder das Fernsehen, wenn man etwa an Ellen DeGeneres denkt.

Entscheidend sind also divers besetzte Redaktionen?

Man kann kaum über eine Gruppe berichten, wenn man im Team niemanden hat, der weiß, welche Geschichten aus diesen Communitys wichtig sind. Deshalb: Ja, divers besetzte Newsrooms zu haben, die die volle Vielfalt der Gesellschaft abbilden, hilft, die Qualität der Berichterstattung zu verbessern.

Braucht es angesichts dieser positiven Entwicklungen heute überhaupt noch Community-Medien?

Ich glaube, Community-Medien sind heute wichtiger als je zuvor. Zumindest in Amerika leiden viele Zeitungen wirtschaftlich unter der Digitalisierung. Viele Redaktionen wurden zusammengelegt. Deshalb haben immer weniger Journalisten Zeit, Geschichten aus marginalisierten Gruppen zu recherchieren. Umso wichtiger ist es, dass die LGBT-Presse auch weiterhin ein Licht gerade in die oft übersehenen Ecken der Gesellschaft wirft und dazu auffordert, gegen Intoleranz und Ungerechtigkeit aufzustehen.

Die Ausstellung “Rise Up: Stonewall and the LGBTQ Rights Movement“ ist noch bis 31. Dez. 2019 im Newseum in Washington, DC zu sehen. Alle Infos stehen hier.

 

Info: Das Newseum  muss am 31. Dezember seine Pforten schließen

Das weltweit bedeutendste Museum seiner Art beschäftigt sich seit 2008 mit Geschichte und Gegenwart der Medien sowie der Meinungsfreiheit. Doch nicht nur die Medien stehen in den USA wirtschaftlich unter Druck, das Newseum steht selbst vor dem Aus: Ende des Jahres muss es seinen bisherigen Standort in Washington aufgeben – im Zentrum der Macht, genau zwischen Weißem Haus und Kapitol. Neue Räume sind noch nicht in Sicht. Im Moment deutet vieles auf eine Fortführung als Online-Institution hin.

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