LGBTQ in Tokio: So queer sind die Olympischen Spiele!
MIT UPDATES: Mindestens 189 Sportler:innen in Tokio sind LGBTQ - mehr als in allen Olympischen Spielen zusammen -, und rund 90 Prozent davon sind Frauen! Wir stellen die queeren Olympionikinnen, darunter auch - bisher - drei Deutsche, vor (Teil 1).
Von Karin Schupp
25.7.2021 - Rekordzahlen bei den Olympischen Spielen in Tokio: Mindestens 189 LGBTQ-Sportler:innen kämpfen in Tokio um Medaillen - 2016 in Rio waren es noch 64 (unsere zweiteilige Liste steht hier und hier), wobei zahlreiche Athlet:innen auch damals schon dabei waren, sich aber noch nicht geoutet hatten. Mit anderen Worten: Wir waren schon immer da, aber jetzt sind wir so sichtbar wie nie zuvor.
90 Prozent in Team LGBTQ sind weiblich
Die Männer hängen allerdings deutlich hinterher: Team LGBTQ ist zu 90 Prozent weiblich! Vor allem im Fußball (mit über 40 Spielerinnen), Basketball, Rugby und Softball ist der Lesbenanteil hoch, aber auch in der Rhythmischen Sportgymnastik, im Fechten, Dressur-Reiten und vielen weiteren Sportarten sind wir vertreten.
Die Länder mit den meisten LGBTQ-Sportler:innen sind mit Abstand die USA (über 30), gefolgt von Kanada, Großbritannien, der Niederlande und Brasilien. Deutschland steht mit bisher nur drei lesbischen Olympionikinnen weit unten auf der Liste.
Hier geht's direkt zu Teil 2, den Ballsportarten.
LEICHTATHLETIK
Im Sprint sehen wir Dutee Chand, die sich 2019 als erste Sportlerin Indiens als lesbisch outete), und Michelle-Lee Ahye (Trinidad), die 2019 ihre Frau heiratete. Im 1500 Meter-Lauf wird Gabriela DeBues-Stafford (Kanada) mit ihren Regenbogen-Haaren (s. Foto) herausstechen. Und im Marathon tritt die irische Meisterin Aoife Cooke an, die in einem Interview sagte: „Alle haben ihren eigenen Grund, weshalb sie sich nicht outen wollen. Aber das Leben ist zu kurz, um sich zu verstecken.“
Ebenfalls im Stadion: Die Kugelstoßerin Raven Saunders (USA), Izabela da Silva (Brasilien), amtierende Südamerika-Meisterin im Diskuswurf, und die Siebenkämpferin Erica Bougard (USA), die bei der Leichtathletik-WM 2019 im homophoben Katar für Aufsehen sorgte, weil sie einen ihrer Schuhe mit einer Regenbogenfahne verziert hatte.
Ebenfalls im Stadion: Die Kugelstoßerinnen Raven Saunders (USA) und Geisa Arcanjo (Brasilien), Izabela da Silva (Brasilien), amtierende Südamerika-Meisterin im Diskuswurf, und die Siebenkämpferin Erica Bougard (USA), die bei der Leichtathletik-WM 2019 im homophoben Katar für Aufsehen sorgte, weil sie einen ihrer Schuhe mit einer Regenbogenfahne verziert hatte.
Im Dreisprung treten die finnische Meisterin Senni Salminen und Yulimar Rojas an. Die amtierende Weltmeisterin und Welt-Leichtathletin des Jahres outete sich nach ihrem Silber-Medaillen-Gewinn in Rio 2016 und durfte bei der Eröffnungsfeier in Tokio die Fahne ihres Landes tragen.
1-GEGEN-1-SPORTARTEN
Tennis
Alison van Uytvanck (Belgien), die derzeit einzige offen lesbische Spielerin in der Einzel-Top 100, ist zum ersten Mal bei Olympischen Spielen dabei, schon die fünften Spiele sind es hingegen für eine der besten Doppel-Spielerinnen der Welt, Sam Stosur (Australien), die mit ihrer Partnerin Liz im letzten Jahr ein Kind bekam. Und mit Demi Schuurs steht eine weitere Spitzenspielerin im Doppel (Weltranglistenplatz 12) auf dem Platz. „Ich finde es gut, wenn Sportler:innen zeigen, wer sie in ihrem Privatleben sind“, sagte die Niederländerin Ende Juni der Webseite WTATennis.com. „Es hilft dabei, den Leuten klar zu machen, dass das ganz normal ist.“ UPDATE: Carla Suárez Navarro (Spanien), die 2016 auf Platz 6 der Weltrangliste stand, kehrte nach einer Tumorerkrankung erst im Frühjahr wieder auf dem Tennisplatz zurück.
Ringen
Kayla Miracle (USA), die erste offen queere Olympionikin ihrer Sportart, sagte im Juni im Podcast Five Rings To Rule Them All: „Im Ringen sagen wir immer: alle können ringen - Figur, Größe, Gender, Religion, sexuelle Orientierung. Ich bin stolz, dieser Community anzugehören, die wirklich darauf zu dringen versucht.“
Boxen
Die lesbische Doppel-Olympiasiegerin Nicola Adams ist nicht mehr dabei, machte aber Platz für drei andere queere Boxerinnen: Im Leichtgewicht boxen die WM-Dritte Rashida Ellis (USA) und die amtierende Weltmeisterin, Kellie Harrington (Irland), die ihr Land bei der Eröffnungsfeier als Fahnenträgerin vertreten durfte, im Federgewicht steht ihre Landsfrau Michaela Walsh, die bei der WM 2018 Bronze gewann, im Ring.
UPDATE: Aus den Philippinen kommen Irish Mango und Nesthy Petecio.
Judo
Eine der Favoritinnen in der Gewichtsklasse bis 52 kg ist die amtierende Europameisterin Amandine Buchard (Frankreich), die sich 2018 mit ihrer Hochzeit mit der deutschen Judoka Nieke Nordmeyer outete (die Ehe ist schon wieder Vergangenheit). Eine der wenigen offen lesbischen Deutschen in Tokio ist Jasmin Grabowski, mehrfache deutsche Meisterin im Schwergewicht, die 2019 ihre Frau Nina heiratete. Aus den Niederlanden kommt Tessie Savelkouls, die mit ihrer Frau Kiki bald ihr 10-Jähriges feiert, aus Italien die Nachwuchs-Judoka Alice Bellandi, die ihrer Freundin Chiara vor ihrem Olympiastart eine öffentliche Liebeserklärung machte. Und ein Pärchen tritt ebenfalls an: Sanne van Dijke (NL) und die WM-Dritte Natalie Powell (GB) kämpfen aber glücklicherweise in unterschiedlichen Gewichtsklassen. UPDATE: Nina Cutro-Kelly (USA) und Raz Hershko (Israel) im Schwergewicht und Guusje Steenhuis (NL) im Halbschwergewicht.
Fechten
Die Florettfechterin Astrid Guyart (2018 WM-Bronze mit der Mannschaft) gehörte Ende Juni zu den fünf französischen Spitzensportlerinnen, die in einer französischen TV-Doku outeten.
Gewichtheben
Laurel Hubbard ist die erste trans Athletin in der Geschichte der Olympischen Spiele. Die Neuseeländerin, die auch schon vor ihrer Transition 2012 im Gewichtheben aktiv war, erfüllt alle Kriterien, um bei den Frauen antreten zu dürfen – das bestätigte IOC-Boss Thomas Bach letzte Woche noch einmal offiziell.
AUF ROLLEN UND RÄDERN
Skateboard
Die derzeit beste Skateboarderin Südostasiens, Margielyn Didal (Philippinen), ist erst 22, outete sich aber schon 2018. In Team USA: Alana Smith identifiziert sich als nichtbinär, Alexis Sablone als queer. Aus Australien kommt Poppy Starr Olsen, über die es die iTunes-Doku Tall Poppy: A Skater's Story gibt, die sie zehn Jahre lang bis zu ihrer Olympia-Vorbereitung begleitete - ihr lesbisches Coming Out spielt darin natürlich auch eine Rolle. UPDATE: Annie Guglia (Kanada).
Radfahren
Georgia Simmerling gehört zum Olympischen-Adel: Sie war als erste Kanadierin bei drei Olympischen Spielen in drei Sportarten am Start: In Vancouver 2010 als Skirennläuferin, in Sotchi 2014 im Skicross und in Rio 2016 im Bahnradfahren, wo sie Bronze in der Teamverfolgung holte. Liiert ist sie mit der Torfrau des kanadischen Fußballnationalteams Stephanie Labbé, die ebenfalls im Olympia-Kader ist.
Das US-Team im BMX Freestyle ist komplett queer: Hannah Roberts heiratete Anfang des Jahres ihre Frau Kelsey, Perris Benegas outete sich im Mai auf Instagram als lesbisch. Und die Reservistin Chelsea Wolfe wäre, wenn sie nachrücken sollte, nach Hubbard (s. oben) die zweite trans Athletin, die je bei Olympischen Spielen antrat.
UPDATE: Aus Belgien kommt ein weiteres Olympia-Pärchen: Elke Vanhoof (BMX) und Valerie Demey (Rad/ Straße).
SCHAUT MAN SICH EIGENTLICH NUR ALLE VIER JAHRE AN...
Schießen
Jolyn Beer, dreifache Welmeisterin im Teamwettkampf aus Hannover, vermisst ihre Familie zu Hause wahrscheinlich besonders stark: Ihre Frau brachte im Juni ihr erstes Kind zur Welt. Verheiratet ist auch Andri Eleftheriou, die als Flaggenträgerin Zyperns ins Stadion einlaufen durfte, während die Polin Aleksandra Jarmolińska das noch nicht darf, aber gerne tun würde und deshalb im Juli im Clip einer polnischen Kampagne für die Ehe-Öffnung auftrat.
UPDATE: Bogenschießen
Die italienische Schützin Lucilla Boari outete sich nach dem Gewinn der Bronzemedaille, indem sie der Presse ihre Freundin vorstellte.
Rhythmische Sportgymnastik
Rut Castillo (Mexico), die mit frisch erworbener Goldmedaille der Panamerikanischen Meisterschaften anreist, schickte ihrer Lebensgefährtin Pau vor ihrer Abreise nach Tokio eine Liebeserklärung auf Facebook.
UPDATE: Geräteturnen
Im Einzelmehrkampf tritt Caitlin Rooskrantz an. Die Südafrikanerin ist erst 19, aber schon seit drei Jahren mit ihrer Freundin Kyra zusammen.
Reiten
Im Dressur-Reiten gibt’s einige Schwule, Cathrine Dufour (Dänemark) aber ist die erste offen lesbische Frau Olympionikin in dieser Disziplin; seit Juni ist sie mit der Springreiterin Rasmine Laudrup verlobt.
Golf
Alena Sharp (Kanada) heiratete kürzlich ihren Caddie, Sarah Bowman, die Britin Mel Reid outete sich 2018 als lesbisch. „Es ist ein ernstes Thema“, erklärte sie danach ihren Schritt. „Menschen bringen sich deswegen um. Ich wollte nur sagen: ‚Schaut, das bin ich. Und ich bin sehr stolz darauf.“
IM WASSER
Schwimmen
Ana Marcela Cunha, mehrfache Weltmeisterin und eine der besten Freiwasserschwimmerinnen der Welt, outete sich 2019 mit ihrer Verlobungsanzeige auf Instagram (inzwischen hat sie aber eine andere Freundin). Die Freiwasserschwimmerin Rachele Bruni (Italien) gehört zu den zwei Schwimmerinnen, die auch in Rio 2016 schon offen lesbisch waren: Sie widmete damals ihre Silbermedaille ihrer Freundin Diletta. Die andere ist Mélanie Henique (Frankreich), mehrfache Europameisterin im Butterfly. Sie ist mit der Synchronschwimmerin und Ex-Olympionikin Laura Augé zusammen, die diesmal aber nicht im Olympiakader ist. Und Erica Sullivan (USA), die im 1500-Meter-Freistil antritt, erzählte 2019 auf Instagram ihre Coming Out-Story.
Rudern
Team USA reist mit fünf offen queeren Rudererinnen an: Im Achter geben Jessica Thoennes und Gia Doonan ihr Olympia-Debüt. Doonan, Weltmeisterin 2018, schrieb im letzten Jahr zu einem Instagram-Foto mit ihrer Freundin Gina kämpferisch: „Wegen der zuletzt zunehmenden Homophobie gegenüber mir und auch im ganzen Land, fühle ich mich so empowered wie nie zuvor. Ich verstehe ja, dass euch der Hass auf andere Menschen von eurem eigenen Selbsthass ablenkt.“ Im Doppelvierer sitzen Ellen Tomek - in ihren dritten olympischen Spielen – und Meghan O’Leary, die sich nach ihrem Wettkampf in Rio 2016 outete, im Vierer die fünffache U23-Weltmeisterin Kendall Chase.
Die Neuseeländerin Emma Twigg (Einer), seit Anfang 2020 mit ihrer Frau Charlotte verheiratet, ist bei ihren vierten Olympischen Spielen dabei, aber zum ersten Mal als offene Lesbe. Und im britischen Team hofft Reservistin Saskia Budgett auf einen Einsatz im Zweier.
UPDATE: Nach dem Gewinn der Silbermedaille im Doppelvierer outete sich Katarzyna Zillmann (Polen), in dem sie ihrer Freundin dankte. Einem Reporter sagte sie anschließend, dass sie ihre Freundin schon vorher in Interviews erwähnt habe, es aber nie gedruckt worden sei.
Kanu
Im Kanu-Slalom treten die U23-Weltmeisterin Evy Leibfarth (USA) und die Kanadierin Florence Maheu (die mit einer Triathletin zusammen ist) an.
Segeln
Cecilia Carranza Saroli (Argentinien), Olympiasiegerin 2016 und in diesem Jahr die Fahnenträgerin ihres Landes, schickte ihrer Freundin, der Musicalsängerin Mica Pierani Méndez, eine Liebeserklärung nach Hause. Die mehrfache Welt- und Europameisterin Jolanta Ogar (Polen) steht auch ohne so viele Worte offen zu ihrer Beziehung mit der Filmemacherin Chuchie Hill.
Surfen
Die dreifache Weltmeisterin Sofía Mulánovich (Peru) und ihre Lebensgefährtin, die Fotografin Camila Toro, wurden 2020 Eltern.Die Brasilianerin Silvana Lima ist mit ihrer Freundin Juliana verlobt.
Wasserball
Die australische Teamkapitänin Rowie Webster (Olympia-Bronze 2012) engagiert sich für queere Sichtbarkeit: „Die Inklusion von LGBTIQ+ im Sport ist mir sehr wichtig, weil zurzeit 75 Prozent der LGBTIQ+-Sportlerinnen nicht geoutet sind“, sagte sie im Juni.
Und in den anderen Ballsportarten geht's erst so richtig los - hier geht's zuTeil 2 mit über 90 weiteren queeren Sportler:innen im Basketball, Hockey, Fußball, Handball, Rugby, Softball und Volleyball!
Anmerkung: In diese Liste wurden nur Sportler:innen aufgenommen, die in den Medien über ihre sexuelle Identität gesprochen haben oder in den Sozialen Netzwerken ihre gleichgeschlechtliche Beziehung zeigen.
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