Neu im Kino: „Eileen“: Ein Tanz, ein Kuss... und eine unerwartete Wendung
Für eine junge Außenseiterin verändert sich alles, als eine elegante, weltgewandte Frau in ihr Leben tritt. Was wie ein Liebesdrama à la „Carol“ beginnt, nimmt dann aber einen überraschenden Verlauf. „Eileen“ mit Anne Hathaway startet am 14. Dez. im Kino.
Von Karin Schupp
13.12.2023 - Es ist Adventszeit in New England. Das Leben einer jungen Sekretärin verändert sich für immer, als eine glamouröse und etwas ältere Frau in ihr Leben tritt. Das klingt wie „Carol 2.0“ und fühlt sich zunächst auch so an – nur dass der Alltag der Titelfigur weit trostloser ist als der von Kaufhaus-Verkäuferin Therese in dem Lesbendrama von 2015.
Eileen (Thomasin McKenzie) ist eine einsame Außenseiterin, arbeitet in einem Jungen-Gefängnis und kümmert sich abends um ihren verwitweten Säufer-Vater, der auf sie angewiesen ist und sie doch ständig als „nutzlos und ohne eigenes Leben“ beschimpft. Nur wir Zuschauer:innen bekommen einen Einblick, wie es in der stillen, grauen Maus wirklich aussieht: Eileens Fantasien sind sexuell und gewalttätig, und das Highlight ihres Tages ist es, heimlich ein knutschendes Paar im Nachbarauto zu beobachten und dabei zu masturbieren.
Eileen ist verzaubert, und auch wir spüren das Prickeln
Die neue Gefängnis-Psychologin Rebecca (Anne Hathaway) landet da wie von einem anderen Stern auf dem Knastparkplatz: Elegant gekleidet, mit Highheels, perfektem Makeup und Marilyn Monroe-Frisur entsteigt sie ihrem Sportwagen – während Eileen gerade Müllsäcke entsorgt. Aber überraschenderweise zeigt die selbstbewusste, weltgewandte Lady Interesse an ihr, dem braven Landei. Eines Abends lädt sie sie sogar auf einen Drink ein, schenkt ihr ihre volle Aufmerksamkeit und lässt alle Männer um sie herum knallhart abblitzen. Einen Tanz und einen Kuss später ist Eileen völlig verzaubert.
Sogar ihrem Vater fällt auf, wie sie nach diesem Date aufblüht, sich schminkt und sich erstmals aus dem Kleiderschrank ihrer modebewussten verstorbenen Mutter bedient.
Falls der Film-Trailer nicht angezeigt wird, schau ihn dir hier auf Youtube an.
Und nicht nur Eileen fiebert dem nächsten Treffen mit Rebecca entgegen – auch wir spüren das Prickeln zwischen den beiden und sind bereit für den nächsten Schritt in ihrer Beziehung...
Ein dunkles Geheimnis und ein weiterer Plot Twist
Doch an Heiligabend nimmt der Film eine unerwartete Wendung: Rebecca gibt ein dunkles Geheimnis preis und bittet Eileen um Hilfe. Die nimmt die Sache resolut in die Hand und sorgt damit für den nächsten Plot Twist.
Eine Stunde lang hatte Eileen lediglich die düstere Optik und den Jazz-Soundtrack eines Hitchcocks-Films aus den 1960ern - und das stilistisch perfekt! -, nun aber wird klar, wieso er als Psycho-Thriller und nicht als Romantikdrama beworben wird.
Leider verliert das Drehbuch aber in diesem letzten Drittel die Stringenz und mäandert atemlos zwischen Film Noir, schwarzer Komödie und Emanzipationsdrama hin und her; manche mögen sich gar fragen, ob das ganze Geschehen vielleicht doch nur eine von Eileens Fantasien ist. Antworten bekommt man jedoch keine und bleibt am Ende mit dem Gefühl zurück, dass der Regisseur eine echte Schlussszene vergessen hat.
Autorin Moshfegh: „Weibliche Figuren dürfen sich verführen“
„Ich habe Eileen nie als einen queeren Roman betrachtet, aber ich begrüße diese Interpretation, da sie es den weiblichen Figuren erlaubt, verführerisch zu sein und sich gegenseitig zu verführen“, schrieb Ottessa Moshfegh, die ihren Roman von 2015 (mit ihrem Ehemann Luke Goebel) fürs Kino adaptierte, im Guardian. Thomasin McKenzie und Anne Hathaway werden diesem Anspruch gerecht und verkörpern ihre Figuren perfekt und mit viel Hingabe.
Wer sich jedoch eine reine Liebesgeschichte zwischen den beiden Frauen wünscht, sollte das Kino rechtzeitig verlassen (zieht die Jacke an, wenn Eileen bei Rebecca ins Badezimmer geht!) - und die Story einfach als Fanfiction weiterschreiben!
Eileen, USA 2023, Regie: William Oldroyd, Buch: Ottessa Moshfegh, Luke Goebel, mit Thomasin McKenzie, Anne Hathaway, Shea Whigham, Marin Ireland u.a., 98 min., Kinostart: 14. Dez. 2023
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