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Neue Miniserie „Pride“: Der lange Kampf für mehr LGBTQ-Rechte

Bewegend, mit Wärme und auch fürs europäische Auge interessant: Die Dokuserie „Pride“ widmet sich der Geschichte der LGBTQI*-Bewegung in den USA und spannt dabei einen Bogen von den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart. Jetzt neu bei Disney+.

Disney+

Von Sarah Stutte

26.6.2021 - Pride ist in vielerlei Hinsicht ein überaus ambitioniertes Projekt. Jede Episode der sechsteiligen Miniserie ist das Werk eines:r anderen LGBTQ-Filmschaffenden und gibt dadurch der Geschichte des jeweiligen Jahrzehnts eine persönliche stilistische Richtung. So arbeitet eine Folge beispielsweise mit animierten Sequenzen und eine andere lässt Schauspieler:innen reale Personen darstellen, um deren Gedanken und Gefühle in gewissen Situationen besser nachempfinden zu können.

Neben Interviews mit Zeitzeug:innen, Historiker:innen, Sozialwissenschaftler:innen, Künstler:innen, Filmemacher:innen und Aktivist:innen, die versuchen, die politische Stimmung einzuordnen, fokussiert jede Epoche auf mehrere persönliche Anekdoten bzw. Lebenswege von bekannteren sowie unbekannten Menschen.

Kleine Geschichten schaffen ein Gefühl der Intimität und Wärme

Diese kleinen Geschichten dienen einerseits als Einstieg in die größeren psycho-soziologischen, kulturellen oder geschlechtertheoretischen Zusammenhänge, die hier eine Rolle spielen. Gleichzeitig schaffen sie auch ein Gefühl der Intimität und sorgen als verbindendes Element dafür, dass der große Umfang des Themas und der Jahrzehnte überspannende Bogen der Serie nicht auseinanderfällt.

Sie geben Pride die nötige Wärme und den Puls, der anderen historischen Dokumentationen bisweilen fehlt, weil der Stoff zu trocken vermittelt wird. Hier wird jedoch eher in die Tiefe als in die Breite gegangen, wodurch alles sehr fließend und lebendig wirkt.

50er Jahre: FBI nimmt Lesben und Schwule ins Visier

Die Serie wirft die Zuschauer zu Beginn mitten hinein in die konservativen 50er-Jahre, als die McCarthy-Ära ein Klima der antikommunistischen, nationalistischen und antisemitischen Vorurteile schuf. Homosexuelle werden, nur schon auf einen vagen Verdacht hin, vom FBI überwacht oder sogar verhört.

So ergeht es beispielsweise auch Madeleine Tress, die im Mittelpunkt von Regisseur Tom Kalins subtil nostalgischem Eröffnungskapitel steht. Sie verlor ihren Job als Betriebswirtin im Handelsministerium in Washington, weil sie lesbisch war, aber Tress (in nachgestellten Szenen gespielt von Alia Shawkat) ließ sich von der Homophobie ihrer Zeit nicht unterkriegen und lebte später in San Francisco ein freies und ungezwungenes Leben.

Den Trailer gibt's leider nur im englischen Original:

Politische Erpressung und erstes trans Selbstbewusstsein

Andere sahen sich dazu nicht imstande: Senator Lester Hunt, Demokrat aus Wyoming, nahm sich 1954 in seinem Büro in Washington das Leben, nachdem sein Sohn aufgrund des Vorwurfs der Prostitution durch einen männlichen Undercover-Polizisten angeklagt worden war. Die Strafverfolgung war von den Republikanern im Senat, darunter auch Joseph McCarthy, als Druckmittel benutzt worden, um Hunt von seinem Antritt zur Wiederwahl abzuhalten.

Am anderen Ende des Spektrums steht Christine Jorgensen, deren geschlechtsangleichende Operation in den frühen 50er-Jahren für Aufsehen sorgte. Als erste öffentliche trans Person präsentierte sie sich selbstbewusst in den Medien, schuf so eine Bewusstseinsbildung für Transgender-Themen und ermutigte die Community stolz auf sich zu sein statt ängstlich und versteckt.

Lesben mit schwerem Stand in der Frauenbewegung

Cheryl Dunyes Kapitel über die 70er-Jahre beginnt mit dem Leben der Filmemacherin Barbara Hammer und der Dichterin Audre Lorde und gerät schließlich in die innerparteilichen Kriege der Frauenbewegung, deren Anführerinnen – vor allem Betty Friedan – sich aus Angst, die breite Masse für ihre Anliegen zu verlieren, gegen die Beteiligung von Lesben wehrte.

Das erinnert in gewisser Art an die Herangehensweise von Bayard Rustin, einem wichtigen Strategen von Martin Luther King Jr., an den Andrew Ahns Episode über die 60er-Jahre erinnert. Bayard verstand nicht nur, was für ein moralisches Gewicht der gewaltlose Widerstand hatte, sondern auch wie nützlich er für die Beeinflussung der öffentlichen Meinung war.

Gerade aus diesem Grund zeigten sich auch nicht alle in der Bürgerrechtsbewegung Engagierte mit Rustins offen gelebter Homosexualität einverstanden, etwa Roy Wilkins, Vorsitzender der NAACP (National Association for the Advancement of Colored People). Indem er 1963 Rustins großes Engagement bei der Vorbereitung zum Marsch auf Washington nicht öffentlich anerkannte, ließ er ihn spüren, dass seine sexuelle Orientierung der Sache nicht dienen würde.

Aufrichtig und bewegend, ohne es allen recht machen zu wollen

Pride scheut sich aber auch nicht davor, die Zerwürfnisse innerhalb der eigenen Bewegung infrage zu stellen. Der wiederkehrende Konflikt einer Community, die zwischen Pragmatismus und Radikalismus oft mit sich selbst hadert, schwingt hier stets mit. Ob es nun um gleichgeschlechtliche Ehe, die Diskriminierung während der Aids-Epidemie oder dem Kampf um trans Rechte geht.

Der Serie ist deshalb auch hoch anzurechnen, dass sie es gar nicht erst darauf anlegt, das Unmögliche zu schaffen und es allen in der großen LGBTQI*-Familie recht machen zu wollen. Auch wenn vielleicht am Ende einiges nicht gesagt wurde – was gesagt wurde, ist aufrichtig, teilweise sehr bewegend und unterm Strich sicher wertvoller als eine pure Aufzählung gesetzlicher Missstände. Das macht die von Christine Vachon (Carol, Still Alice) und Alex Stapleton produzierte Mini-Serie auch für ein europäisches Auge interessant, denn wir lernen dabei nicht nur uns bisher vielleicht unbekannte Menschen und ihre Geschichten kennen, sondern dass der Kampf für Freiheit universell sind und auch heute noch seine Berechtigung hat.

Pride (USA, 2021), 6 Folgen, exklusiv beim Streamingdienst Disney+

 

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