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Olympischer Rekord: (Mindestens) 24 lesbische und bisexuelle Athletinnen in Peking

24 offen lesbische und bisexuelle Athletinnen sind in Peking am Start - so viele gab's bei Olympischen Winterspielen noch nie. Unter ihnen befinden sich eine ganze Reihe Medaillen-Anwärterinnen - und zwei Paare, die gegeneinander antreten.

Instagram Im Uhrzeigersinn ab oben links: Die Eishocksspielerinnen Ronja Savolainen (FIN) und Anja Kjellbin (Schweden), die Eisschnellläuferin Brittany Bowe (USA), die Biathletin Megan Bankes (CDN) und die Britin Makayla Gerken Schofield, die im Freestyle-Skiing antritt

Von Karin Schupp

5.2./10.2.2022 - Corona, China, IOC – es gibt viele Gründe, sich nicht für die Olympischen Winterspiele zu interessieren, aber die Athlet:innen gehören nicht dazu! Und ein Blick auf die lesbischen, bisexuellen und queeren Sportlerinnen lohnt sich immer, zumal es mehr sind denn je! Bestand das Team LGBTQ 2012 in Sotschi noch aus neun Frauen (und null Männern!) und 2016 in Pyeongchang aus zwölf Frauen und vier Männern, wurden zum Start der XXIV. Winterspiele in Peking bereits 35 Sportler:innen gezählt, darunter 23 Frauen und eine ganze Reihe von Medaillen-Anwärterinnen!

Skispringen

Daniela Iraschko-Stolz (Österreich), Silbermedaillen-Gewinnerin von Sotschi 2012, war in den letzten Jahren häufig verletzungsgeplagt und reiste auch nach Peking mit einer Knieverletzung an. „Ich werde jede Chance nutzen, dass ich an den Start gehen kann“, sagte die Team-Weltmeisterin 2021 am Montag der Kronen-Zeitung. Die Steiermärkerin, die früher auch Torhüterin in der österreichischen Fußball-Bundesliga war, outete sich 2012 und ist seit 2013 mit der Ärztin Isabel Stolz verpartnert.

Biathlon

„Ich habe jetzt eine Weile einen Teil von mir versteckt und will diese physische und emotionale Energie nicht länger für etwas verwenden, worauf ich stolz bin. Also los geht‘s: Ich bin gay.“ Mit diesen Worten outete sich die kanadische Biathletin Megan Bankes (24) im vergangenen September auf Instagram und ergänzte, dass ihr Sichtbarkeit in „Sport, Kunst, Politik und allen anderen Bereichen“ wichtig sei. Die Junioren-Weltmeisterin 2017 wird von dem deutschen Coach Matthias Ahrens trainiert.

Facebook/ Instagram Daniela Iraschko-Stolz (l.) und Megan Bankes

Skeleton

In der Eisröhre tritt ein Paar gegeneinander an: Kim Meylemans (Belgien) und Nicole Silveira (Brasilien) waren drei Jahre lang Konkurrentinnen, bis sie sich ineinander verliebten und an Weihnachten 2021 ihre Beziehung öffentlich machten. Meylemans, die auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, schlitterte bei ihrem Olympia-Debüt in Pyeongchang knapp an Bronze vorbei - in diesem Jahr legte sie bei einem Testlauf auf der neuen Skeleton-Bahn in Peking gleich mal die Bestzeit vor und erholt sich hoffentlich schnell von der Quarantäne-Hölle, durch die sie nach ihrer Anreise gehen musste (K-Word #441). Silveira, die in Kanada aufwuchs, wechselte erst 2018 vom Bobsport zum Skeleton. Im November gewann sie Gold beim Skeleton Intercontinental Cup in Whistler/ Canada.

Kim Meylemans Nicole Silveira (l.) und Kim Meylemans

Eisschnelllauf

Ireen Wüst ist nicht nur die erfolgreichste Eisschnellläuferin aller Zeiten, sondern auch einer der größten Stars der Olympischen Spiele. Die siebenfache Weltmeisterin gewann seit Turin 2006 elf olympische Medaillen, davon fünf goldene – zuletzt in Pyeongchang 2018 über 1500 Meter. Und auch mit 35 hält sie noch gut mit: bei der Europameisterschaft im Januar holte sie Gold in der Teamverfolgung. Seit 2017 ist Wüst mit der Eisschnellläuferin Letitia de Jong liiert und mittlerweile verlobt.

Ganz weit vorne läuft auch Brittany Bowe (USA) mit. Die sechsfache Weltmeisterin und Weltrekordhalterin über 1000 Meter gewann 2018 Olympia-Bronze in der Teamverfolgung und tritt über 500, 1000 und 1500 Meter an. Ihren Startplatz über 500 Meter hatte sie zunächst der Weltranglisten-Ersten Erin Jackson überlassen – ihre langjährige Freundin war bei dem Rennen gestürzt -, rückte jedoch inzwischen nach, weil einige Länder ihr Kontigent nicht voll in Anspruch nahmen. Seit 2020 ist Bowe, die bei der Eröffnungsfeier die US-Flagge trug, mit der Niederländerin Karlijn zusammen, wie sie - siehe Foto - auf originelle Weise auf Instagram bekannt gab. 

Instagram Ireen Wüst (ganz links) mit Letitia de Jong, rechtes Bild: Brittany Bowe (l.) mit ihrer Freundin Karlijn

Snowboarding

Für die Tschechin Šárka Pančochová geht‘s bereits zum vierten Mal um olympische Medaillen – und zum zweiten Mal als offen lesbische Frau. Die frühere Junioren-Weltmeisterin im Slopestyle outete sich 2017 auf der LGBTQ-Webseite Outsports, im August 2021 heiratete die 31-Jährige die US-Amerikanerin Kaileen Barley, mit der sie Oregon lebt.

Die Australierin Belle Brockhoff hat bei ihren dritten Olympischen Winterspielen ein klares Ziel: „Ich will nur eine Sache gewinnen, und das ist die Goldmedaille bei den Spielen“, sagte die amtierende Weltmeisterin im Snowboardcross in einem Videoporträt auf dem Olympic Channel. Die 29-Jährige outete sich 2013 vor den Olympischen Spielen in Sotschi und schloss sich damals den Protesten gegen die homofeindlichen Gesetze in Russland an.

Instagram Šárka Pančochová (ganz links) mit ihrer Frau Kaileen, rechts: Belle Brockhoff

Freestyle-Skiing

Bei Sandra Näslund (Schweden) muss man nicht lange suchen: Die amtierende Weltmeisterin im Skicross nennt ihre Lebensgefährtin Hanna Persson ganz offiziell in ihrem Profil auf der IOC-Webseite Olympics.com. Die 25-Jährige dominiert derzeit den Skicross-Weltcup und gilt in ihren dritten Winterspielen als Gold-Favoritin.

Die Britin Makayla Gerken Schofield tritt in Peking zusammen mit ihrer älteren Schwester Leonie in der Disziplin Mogul (Buckelpiste) an. „Ich würde mich freuen, mehr Leute aus der LGBT+-Community im Wintersport zu treffen und denjenigen, die sie benötigen, meine Unterstützung anzubieten“, sagte die 22-Jährige, die sich als pansexuell und nichtbinär definiert (Pronomen: she/ they), im letzten Jahr auf der Webseite des britischen Wintersportverbands.

Die österreichische Freestyle-Skierin Lara Wolf (21), die auch schon in Pyeongchang 2018 dabei war) outete sich auf Instagram Ende Dezember 2021 als lesbisch.

V.l.n.r.: Sandra Näslund mit ihrer Freundin Hanna, Makayla Gerken Schofield und Lara Wolf

Eishockey

Bei Teamsportarten sind die Lesben nie weit, und das gilt auch im Eishockey. Vor allem die Kanadierinnen, vierfache Goldmedaillen-Gewinnerinnen und Weltmeisterinnen 2021, halten die Regenbogenfahne hoch. War vor vier Jahren in Pyeongchang nur Ko-Kapitänin Brianne Jenner offen lesbisch (inzwischen ist sie mit der Ex-Eishockeyspielerin Hayleigh Cudmore verheiratet, seit September sind sie Eltern einer Tochter), sind jetzt noch weitere sechs Spielerinnen geoutet. Dazu gehört auch Mélodie Daoust, für die es – wie für Jenner - ebenfalls die dritten Olympischen Spiele sind. Die 30-Jährige ist seit 2019 mit ihrer Sandkasten-Freundin Audrey St-Germain verheiratet, mit der sie einen 3-jährigen Sohn hat. Im Silber-Team 2018 standen auch schon Jill Saulnier und Emily Clark (die, wie es scheint, mit der Eishockeyspielerin Hanna Bunton zusammen ist).

Cherry Bomb/ Instagram Brianne Jenner (in einer Werbeanzeige für ein Nahrungsergänzungsmittel), Jill Saulnier, Emily Clark und Mélodie Daoust

Und auch diese drei Olympia-Debütantinnen sind im kanadischen Eishockey-Kader: Jamie Lee Rattray postete schon 2014 CSD-Fotos in den Sozialen Medien, Micah Zandee-Hart macht auf Instagram kein Geheimnis aus ihrer Freundin Micheline, und Erin Ambrose outete sich 2020 in einem Artikel für Hockey Canada, in dem sie über ihren Kampf gegen Depressionen schrieb.

Instagram Jamie Lee Rattray, Micah Zandee-Hart und Erin Ambrose (v.l.n.r.)

Aneta Lédlová steht in ihren ersten Olympischen Spielen für Tschechien auf dem Eis. Die 25-Jährige ist seit 2018 mit ihrer Frau Janna verheiratet, im Oktober 2020 wurden sie Eltern einer Tochter.

In Sotschi gewann Alex Carpenter mit dem US-Team Silber, und in Peking steht sie wieder im Kader. Die 25-Jährige verlobte sich im Januar mit ihrer Freundin Steph Klein.

Instagram Aneta Lédlová mit ihrer Tochter, Alex Carpenter (2.v.r.) - frisch nach der Verlobung - mit Steph Klein

Im schwedischen Nationalteam sind die Olympia-Debütantinnen Ebba Berglund (23) und Anna Kjellbin (27) offen queer. Erstere ist mit Sarah Bujold, ihrer Teamkollegin beim schwedischen Club HV71 Dam, zusammen, letztere mit der finnischen Nationalspielerin Ronja Savolainen - zu einem Aufeinandertreffen auf dem Eis könnte es ab der Playoff-Runde kommen! Savolainen, die 2018 bereits olympisches Bronze holte, outete sich und Anna vor zwei Jahren nebenbei, als sie in einem Interview erstmals über ihre ADHS und Legasthenie sprach: Ihre Freundin habe sie zu diesem Schritt ermuntert.

Instagram V.l.n.r.: Ebba Berglund mit ihrer Freundin Sarah, Ronja Savolainen und Anja Kjellbin

Eiskunstlauf

Leider nur ins Reserveteam der USA schaffte es Amber Glenn (22), die sich Anfang 2019 in der Zeitung Dallas Voice als „bisexuell/ pansexuell“ outete. Die aktuelle Vize-Meisterin ihres Landes verpasste wegen einer Covid-Infektion Anfang Januar die direkte Qualifikation für die Spiele.

Skating ISU/ ScreenshotAmber Glenn im November 2021 bei der NHK Trophy in Tokio

Und die Männer:

Gleich neun Schwule treten im Eiskunstlauf an, darunter im Paarlauf Timothy LeDuc (USA) als erste:r nichtbinäre:r Winter-Olympionik:in. In Team USA steht auch Jason Brown, der in Sotschi 2014 Bronze in der Teamwertung gewann. In Team Kanada sind Eric Radford, der bereits drei olympische Medaillen erlief, und der Eistänzer Paul Poirier. Für Frankreich stehen Guillaume Cizeron im Eistanz (Silber 2018) und im Einzel Kevin Aymoz auf dem Eis, im Paarlauf Filippo Ambrosini (Italien), Lewis Gibson (GB) und Simon Proulx-Sénécal (Armenien).

Im britischen Curling-Team steht Bruce Mouat, Vizeweltmeister 2021, im Skeleton tritt Andrew Blaser (USA) an. Der prominenteste Schwule ist wohl der Freestyle-Skifahrer Gus Kenworthy, der in Sotschi 2014 Silber im Slopestyle gewann, sich 2015 outete und mittlerweile auch als Schauspieler, etwa in American Horror Story: 1984 und im Will & Grace-Reboot, von sich reden machte. Der gebürtige US-Amerikaner, der seit 2019 für Großbritannien antritt, hat sich für die Freestyle Halfpipe qualifiziert.

 

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