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Oper „Negar“: Eine lesbische Liebe im Iran

In der Deutschen Oper in Berlin hatte am Samstag das Musiktheaterstück „Negar“ über eine lesbische Liebe im Iran Premiere. Das Stück, das Oper und Videomaterial aus Teheran miteinander verbindet, läuft noch bis zum 6. November.

Eike Walkenhorst

Von Eckhard Weber

1.11.2022 - Die französische Film- und Theaterregisseurin Marie-Ève Signeyrole und die iranische Dramaturgin Sonia Hossein-Pour brachten am Samstag ein Musiktheaterstück über eine lesbische Liebesgeschichte auf die Bühne – ein Thema, das in der klassischen Oper so gut wie gar nicht vorkommt

Zwar sind im Iran – unter unwägbaren Auflagen und mit der Gefahr plötzlicher Absagen – Popmusik und Rock wieder erlaubt. Frauen dürfen sogar wieder Fußball spielen, müssen aber in der Öffentlichkeit ihr Haar bedecken. Weiblicher Sologesang vor männlichem Publikum ist weiterhin untersagt – und offenes lesbisches oder schwules Leben nach wie vor unmöglich. Die Islamische Republik Iran gehört zu den Ländern, in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Zwei junge lesbische Aktivistinnen sind dort gerade von Hinrichtung bedroht, ihr Fall sorgte rund um die Welt für Schlagzeilen - auch wir berichteten.

Den rigiden Gesetzen und Repressionen der religiösen Sittenwächter zum Trotz hat sich im Verborgenen, vor allem in der Hauptstadt Teheran, eine Subkultur mit regem Nachtleben entwickelt – allerdings als hochgradig gefährdete Parallelwelt, die zwar irgendwie geduldet wird, aber jederzeit in den Fokus der Kontrollbehörden geraten kann. In diesem Umfeld spielt das neue Musiktheaterstück „Negar“, das am 29. Oktober in der Tischlerei, der Experimentierbühne der Deutschen Oper, zur Uraufführung kam.

Lesbische Liebesbeziehung im heutigen Teheran

„Negar“ handelt von einer lesbischen Liebe im heutigen Teheran. Die Protagonist:innen und die Handlung sind fiktiv, vereinigen aber reale Motive aus der aktuellen Situation im Iran: Die Sängerin Negar und ihr Bruder Aziz, ein Dokumentarfilmer, bewegen sich in der Subkultur.

In einem Club treffen sie Shirin. Shirin ist einst mit ihrer Familie vor der Islamischen Revolution nach Frankreich geflohen, nun will sie als Touristin in Teheran die Orte ihrer Kindheit und ihre Wurzeln suchen. Die drei freunden sich an und es kommt zu einer lesbischen Liebesbeziehung zwischen Negar und Shirin. Auch Aziz verliebt sich in Shirin. Bald aber schaltet sich der Staatsapparat ein.

Die französische Film- und Theaterregisseurin Marie-Ève Signeyrole, die algerischer Herkunft ist, und die in Frankreich lebende Dramaturgin Sonia Hossein-Pour, die aus dem Iran stammt, haben „Negar“ als Stück entwickelt. Beide stellen sich selbst Fragen nach Herkunft, Heimat, Identität, Kindheitserinnerungen, Idealvorstellungen und aktueller Realität des Landes ihrer Geburt.

Interviews und Videobilder aus Teherean fließen mit ein

Für „Negar“ haben sie Recherchen in Teheran unternommen und viele Akteur:innen vor Ort interviewt. Dieses Material fließt in die Inszenierung ein. Dorothea Hartmann, Künstlerische Leiterin der Tischlerei und eine der Produktionsdramaturg*innen von „Negar“, sagt uns dazu im Gespräch: „Marie-Ève Signeyrole interessiert der Blick von innen auf diese Kultur und Gesellschaft, aber auch der Blick und die Klischees von außen. Sie verbindet Oper und Video. Hier ist das Filmen schon der Geschichte eingeschrieben, denn Aziz, der Bruder von Negar, ist Dokumentarfilmer. Er beobachtet fast alles durch seine Handkamera. Diese Bilder werden auf einer großen Leinwand gezeigt plus Bildmaterial aus Teheran, das derzeit dort gedreht wird. Die Frage nach dem Blick auf dieses Land, auf die Kultur, wird thematisiert.“

Die Musik für „Negar“ hat der iranisch-französische Komponist Keyvan Chemirani geschrieben. In seiner Musik spielen Interpret:innen mit traditionellen persischen Instrumenten gemeinsam mit Orchestermitgliedern der Deutschen Oper Berlin. Auch Sänger:innen des Opernensembles treffen auf Gäste wie die Künstlerin Golnar Shahyar, die persische Musik mit Jazz und improvisiertem Gesang kombiniert. So entsteht etwas Neues, das herkömmliche Kategorien wie Weltmusik, Jazz und neue Musik sprengt.

Negar: Deutsche Oper Berlin (Tischlerei), weitere Vorstellungen am 1.-3. Nov., 5. und 6. Nov. 20:00

Informationen und Kartenbuchung auf deutscheoperberlin.de.

 

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