Princess Charming: 5 Dinge, die wir aus Staffel 5 lernen können
... und weshalb „Charming Girls“ nicht unbedingt die bessere Sendung wäre. Wir ziehen Bilanz und fassen zusammen, was wir uns von einer lesbischen Datingshow wünschen - und was nicht!

Von Karin Schupp
28.9.2025 - Der Sender RTL konnte sein Glück vermutlich nicht fassen, als er Vanessa „Nessi“ Borck auf den Princess Charming-Thron setzen konnte. Das Casting von Deutschlands erfolgreichster lesbischen Influencerin erwies sich als Glückstreffer: Die Abrufzahlen waren gut, die Show stand durchweg in den Top 20 der deutschen Streaminganbieter. Und Nessi, die im Vorfeld als zu konventionell und noch überhöhter als ihre Vorgängerinnen kritisiert worden war, überzeugte mit Wärme, Empathie und klarer Kommunikation und überraschte das desillusionierte Datingshow-Publikum mit ihrem unbedingten Willen, ihre zweite große Liebe zu finden und mit ihrer künftigen Frau und Ko-Mutter für ihr Kind die Show zu verlassen.
Das Konzept ist auf so eine Ernsthaftigkeit gar nicht angelegt
Gerade mit diesem romantischen Anspruch führte sie das Sendungskonzept jedoch letztlich als Mogelpackung vor, denn das ist auf so eine Ernsthaftigkeit gar nicht angelegt. Die Princess soll doch möglichst viel flirten und es bis zum Schluss spannend halten, bevor sie ihre Wahl zwischen den zwei – natürlich gleichermaßen geeigneten - Finalistinnen trifft. Nessi hingegen ließ ab Folge 4 keinen Zweifel daran, dass ihr Herz Lotti gehört und sie die anderen Singles nur pflichtbewusst datet, weil es die Regeln so verlangen.

Bis Lotti - sicherlich auch ein bisschen unter dem Druck von Nessis Erwartungshaltung - einen Rückzieher machte (Erklärungsversuche in unserem Finale-Recap).
Für Nessi folgte der logische Schritt: Sie brach die Dreharbeiten vorzeitig ab. Der Produktion blieb ohnehin nichts anderes übrig, da zu diesem Zeitpunkt – es muss der 10. Tag (von sonst ungefähr zwei Wochen) gewesen sein – nur noch drei Bindungswillige in der Villa saßen. Die Hälfte der Singles war bereits freiwillig ausgezogen oder hatte das angekündigt – auch die Bereitschaft zum frühen Auszug ist eine Princess Charming-Besonderheit.
Weniger Drehtage, weniger Material - und dafür mehr Drama
Da es aber trotzdem zehn Folgen sein sollten, stand jetzt weniger Material als sonst zur Verfügung. Und hier setzte RTL leider auf das erprobte Mittel DramaDramaDrama. Das Liebes-Hin und Her zwischen Alia und Chantal und vor allem den Streit zwischen Kim und Fiona über jeweils drei Folgen zu ziehen (unsere Recaps), bauschte die Themen unnötig auf und sorgte damit zwar für Diskussionsstoff, aber auch für Unmut beim Publikum, eklige Beschimpfungen in den Sozialen Medien und den Vorwurf, dass Princess Charming nun endgültig zu „trashisieren“.
Und jetzt? Wie jedes Jahr ist noch unklar, ob es eine neue Staffel geben wird. Aber wenn es eine gibt: wie wird sie aussehen? Hält der Sender nach wie vor hartnäckig am löchrigen Konzept fest?
Wir stellen fünf Erkenntnisse aus der letzten Staffel zur Diskussion und erklären, wieso es sich bei der Forderung nach Charming Girls um ein Missverständnis handeln könnte.

1. Wohlfühl-Oase statt Haifischbecken
Princess Charming galt immer als Comfort Food unter den Realityshows, als Feelgood-Format mit Message - während bei den Heteros längst Berufs-„Promis“ für Zoff, Drama und Intrigen sorgen.
Fürs queere Publikum war Princess Charming zudem von Anfang an auch ein wichtiger Safe Space, der lesbische Sichtbarkeit, ein Community-Gefühl und Aufklärung über queere Themen bietet. Klar, ein bisschen Konkurrenzkampf und Stress darf's auch mal geben, aber das sollte nicht im Vordergrund stehen und schon gar nicht von der Produktion geschürt werden. Die leicht rückläufigen Abrufzahlen in der konfliktreichen zweiten Staffelhälfte zeigen es: Die Show muss wholesome bleiben!

2. Keine Princess, die die Idee der Show so ernst nimmt wie Nessi
So schade das auch ist: Wie wir in Staffel 5 gesehen haben, funktioniert das Konzept nur, wenn die Princess mit einer gewissen Leichtigkeit an den Start geht. Dass sie in einer Datingshow ihre große Liebe findet, kann passieren, ist aber eher unwahrscheinlich - da sollten wir uns alle keine Illusionen machen.
Von Nessi abschauen kann sich ihre Nachfolgerin ihre Empathie und gute Kommunikation. Wichtig ist darüber hinaus, dass es ihr (und der Produktion) gelingt, eine Nähe zu den Singles herzustellen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Als Typ funktioniert daher Natürlichkeit besser als das Modell Traumfrau - die Princess steht ja in der Hierarchie ohnehin schon ganz oben.
3. Ein Promi verspricht den Erfolg, legt aber auch die Latte höher
Die Abrufzahlen von Staffel 5 sprechen für eine weitere prominente Princess (vielleicht eine Fußballnationalspielerin?). Aber auch wenn sie die Latte niedriger legen und nicht mit Braut-Outfit und Umzugskartons anreisen würde: Durch ihre Bekanntheit bekommt das Ganze wie bei Nessi eine ernsthaftere Note. Hatten frühere Kandidat:innen nur eine vage Vorstellung davon, wie es mit der Princess im echten Leben weitergehen würde, ist ihnen hier die Fallhöhe einer Beziehung im Rampenlicht (und ihres eventuellen Scheiterns) deutlich bewusst.

4. Mit dem Casting steht und fällt die Glaubwürdigkeit der Show
Princess Charming hat seine Beliebtheit auch seinen (für Genre-Verhältnisse) vielfältigen Casts zu verdanken. Wo anderswo der Berufswunsch „Realitystar“ und der Aufbau einer Follower:innenschaft an erster Stelle stehen, spielt für die Charming-Kandidat:innen immer noch das Community-Erlebnis eine große Rolle (für viele vielleicht eine noch größere als ihre Hoffnung auf Liebesglück!) und einige bringen auch ein queeres Sendungsbewusstsein mit.
Das ist vermutlich auch einer der Gründe für die höheren Abbruchraten als bei den Hetero-Realityshows: Wer nicht wegen der „Sendezeit“ kommt, geht halt auch leichter freiwillig, wenn die Umstände nicht (mehr) passen. Dass auch - per se „verdächtige“ - Influencer:innen im Cast sind, störte bisher nicht. Die Produktionsfirma (die ja bekanntlich diese Personen auch proaktiv zur Bewerbung einlädt) sollte da aber genau hinschauen. Sobald man ihnen „Unlauteres“ unterstellen kann, wie es Fiona in Staffel 5 passierte, kratzt das am Bild der krawallfreien lesbischen Wohlfühloase (siehe Punkt 1).

5. Wir brauchen immer eine Wiedersehensshow!
Nach der Staffel wollen wir uns ums lesbische Lagerfreuer setzen und die Staffel gemeinsam nachbesprechen! Welch Erleichterung daher, dass nach Folge 10 doch noch eine Reunion angekündigt wurde (2. Okt., RTL+) - geplant war das offenbar zunächst nicht. Nachdem es schon nach Staffel 4 keine Wiedersehensshow gegeben hatte, liegt der Verdacht nahe, dass sie eigentlich nur dann vorgesehen ist, wenn aus dem Finale ein Paar hervorgeht.
Dabei ist es längst nicht unsere einzige Frage, ob aus der Princess und ihrer Auserwählten tatsächlich etwas wurde. Und auch wenn viele Kandidatinnen bereits Interviews gegeben haben, wollen wir sie hier miteinander sprechen sehen und nicht nur übereinander.
Übrigens könnt ihr dafür auch gerne die zehnte Folge einplanen und das Finale schon in Folge 9 bringen (gerade in dieser Staffel hätte das der Show vermutlich gut getan!). Und eine letzte Bitte: Bucht dafür doch mal eine queere Moderatorin mit Charming-Fachwissen! Im Podcast- und YouTube-Reactions-Universum gibt's genug davon!

Charming Girls: Darunter stellt sich RTL etwas anderes vor als wir
Schon lange ertönt der Ruf nach einer Demokratisierung des Formats - Stichwort Charming Girls (oder Charming Queers)! Allerdings könnten hier unsere Vorstellungen und die von RTL weit auseinander klaffen.
Was wir uns wünschen: ein Princess Charming ohne Thron. Alle dürfen miteinander flirten und küssen – oder auch nicht. Es gibt Dates, Knutschereien, Gruppenkuscheln, Freundschaften und interessanter Deep Talk. Und am Ende verlassen einige als Paar die Villa. Oder auch nicht.
So eine Sendung würden wir aber nicht bekommen! Sender hätten ohne ein festes Korsett an Vorgaben und Spielen zu viel Angst, dass nicht genug passiert, um eine ereignisreiche Staffel zusammenzimmern zu können. Und so ehrlich muss man sein: auch großen Teilen des Publikums wäre es vermutlich auf Dauer zu langweilig, Lesben beim Thailand-Urlaub zuzuschauen.
Ein paar Spielregeln sind ja an sich auch nichts Schlechtes, aber wenn die Prämisse nicht Romantik ist, setzt das Fernsehen leider meist auf negative Energien - da reicht ein Blick auf die einzige Staffel der Charming Boys: Ein auf Krawall und Drama gebürsteter Cast, Konflikte, Eifersüchteleien und einengende Regeln - etwa der Paarungszwang am Ende jeder Folge -, die all dies schüren.
Anstatt uns der Hoffnung hinzugeben, dass RTL Geld und Zeit investiert, um uns eine neue lesbische Wohlfühl-Show zu backen, lasst uns doch lieber beim Princess-Konzept bleiben, dessen Stärken schärfen und dessen Schwächen abschmirgeln. Wie wär's etwa mit einem Einzug der Princess in die Villa, wie wir es schon vor zwei Jahren als Princess Charming: The Kingdom vorschlugen). Ein Publikum wäre dafür auf jeden Fall da!
Alle Folgen-Recaps findet ihr unter dem Menüpunkt „Princess Charming“ auf l-mag.de.
Princess Charming, Staffel 5, 10 Folgen, bei RTL+
Charming Princesses: 3 Ideen für lesbische Datingshows

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