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Olive liebt Elizabeth liebt Bill

Ab 2. Nov. im Kino: Hinter der Schöpfung von Wonder Woman stehen ein Ehepaar und ihre gemeinsame Lebensgefährtin. „Professor Marston & The Wonder Women“ erzählt ihre Geschichte und gibt dabei auch der Lovestory zwischen den beiden Frauen viel Raum.

Sony Pictures Entertainment Drei sind keine(r) zu viel: Rebecca Hall ("Vicky Cristina Barcelona"), Luke Evans ("Die Schöne und das Biest") und Bella Heathcote ("Fifty Shades of Grey 2")

Von Karin Schupp

1.11.2017 - Die Geschichte hinter Wonder Woman ist mindestens so spannend wie die erste weibliche Superheldin selbst. Hinter der legendären Comicfigur, die 1941 zum ersten Mal die Welt rettete, stehen nämlich drei spannende Menschen in einer Dreierbeziehung – und die lesbische Regisseurin und Drehbuchautorin Angela Robinson (The L Word, Spy Girls – D.E.B.S.) bewies ein gutes Timing, indem sie ihren Film kurz nach dem alle Rekorde brechenden Sommer-Blockbuster Wonder Woman veröffentlichte.

Harvard in der 1920er Jahren: Der Psychologe William Moulton Marston (gespielt von dem schwulen Schauspieler Luke Evans) arbeitet mit seiner Frau Elizabeth (Rebecca Hall), Juristin und ebenfalls Psychologin, an der Entwicklung eines Lügendetektors, als die Studentin Olive (Bella Heathcote) als ihre Assistentin in ihr Leben tritt.

Olive verliebt sich zunächst in ihre Chefin

Die scharfzüngige Elizabeth liegt nicht falsch, als sie ihrem Mann sofort ein erotisches Interesse an Olive unterstellt, ist aber auch selbst fasziniert von der jungen Frau, deren Mutter und Tante bekannte Frauenrechtlerinnen sind. Und Olive verliebt sich zunächst keineswegs in ihren Chef – sondern in ihre Chefin. Es dauert eine Weile, bis die Gefühle, die alle drei füreinander haben, auf dem Tisch liegen (wobei sich ihr Lügendetektor-Prototyp als durchaus hilfreich erweist!) und einen weiteren Moment, bis sie ihnen nachgeben und eine Dreier-Beziehung beginnen.

Was selbst heute noch für Gerede sorgen würde, war damals natürlich ein ausgewachsener Skandal. Und auch Olives Schwangerschaft und Elizabeths immer wieder aufkeimende Bedenken stellen das polyamore Glück auf die Probe. Aber ihre Liebe bleibt stets stärker - inklusive harmonischem Familienalltag mit drei Kindern und kinky Sexleben.

Dieser Hintergrund illustriert wunderbar, wie Marston zur Schöpfung von „Wonder Woman“ inspiriert wurde. Sie verkörperte einen neuen Frauentyp, der seiner Meinung nach die Welt beherrschen sollte, aber die Idee einer weiblichen Superheldin kam von Elizabeth. Olive diente als visuelles Vorbild, der Lügendetektor wurde zum „magischen Lasso“, und anfangs thematisierte Marston in seinen Comics auch seine Bondage- und Fetisch-Fantasien, die er privat mit seinen Frauen auslebte.

Robinson erzählt eine unkonventionelle Lovestory mit den Mitteln eines konventionellen Mainstreamfilms. Aber während das klassische Hetero-Kino Marston vermutlich als Mann mit zwei Frauen, die eifersüchtig um seine Gunst kämpfen, gezeigt hätte, ist bei ihr die Beziehung zwischen Elizabeth und Olive nicht weniger stark – ja, vielleicht sogar stärker, definitiv aber erotischer – als die zwischen ihnen und Bill.

Mit ungewohnt "lesbischem Blick" erzählt

Man könnte es also - im Gegensatz zum sonst zu häufigen „männlichen Blick“ - als ungewohnten „lesbischen Blick“ bezeichnen. Kein Wunder, dass dem Film, hinter dem neben Robinson auch ein queer-lesbisches Produzentinnenteam steht (Transparent-Schöpferin Jill Soloway, Weil ich ein Mädchen bin- und D.E.B.S.-Produzentin Andrea Sperling und Clare Munn, die Ex der Schauspielerin Maria Bello), lesbisch-gefärbte Geschichtsklitterung vorgeworfen, denn historisch verbürgt ist nur, dass Marston eine sexuelle Beziehung mit beiden Frauen hatte, während über die genaue Natur des Verhältnisses zwischen Elizabeth und Olive nichts öffentlich bekannt ist.

Und tatsächlich, so räumt Robinson in einem Interview mit Vulture ein: „Es gibt bestimmte unbestreitbare Fakten über ihr Leben, über die sich alle einig sind, und es gibt welche, die offen für Interpretationen sind.“

Die zwei Frauen lebten nach Bills Tod noch 38 Jahre zusammen

Wer würde es ihr aber verdenken, dass sie anhand dieser Fakten zu ihrer Interpretation kam: Die drei lebten zusammen in einem Haus; Elizabeth nannte ihre Tochter „Olive“ und adoptierte mit Bill die beiden Söhne, die Olive zur Welt brachte; Olive (die sich als Elizabeths verwitwete Schwester ausgab) führte den Haushalt und erzog die Kinder, während Bill und – vor allem - Elizabeth das Geld verdienten; alle drei glaubten an die „freie Liebe“ und besuchten gemeinsam Fetisch- und S/M-Parties. Und: nach Marstons Tod im Jahr 1947 lebten die zwei Frauen noch 38 Jahre zusammen – bis Byrne starb - und teilten zumindest gelegentlich das Schlafzimmer (Holloway Marston starb 1993 kurz nach ihrem 100. Geburtstag).

Wäre Olive ein Mann gewesen, hätte sicherlich niemand auch nur eine Sekunde gezögert, die beiden als Paar zu lesen. Und wer im Abspann des Films das Foto sieht, das die echte Elizabeth und die echte Olive Arm in Arm als ältere Frauen zeigt, kann nur den Kopf darüber schütteln, wie jemand zu einem anderen Schluss kommen könnte.

Professor Marston & The Wonder Women ist bestes Popcornkino, ohne die millionste Boy-meets-Girl- oder Girl-meets-Girl-Geschichte zu erzählen. Und ist hoffentlich bald nur ein Film unter vielen, vielen Biopics über interessante historische Frauenfiguren, die nicht hetero waren!

Professor Marston & The Wonder Women (USA, 2017), Buch/ Regie: Angela Robinson, mit Rebecca Hall, Bella Heathcote, Luke Evans u.a., 108 min., Kinostart: 2. Nov.

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