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Ravensbrück: Nach jahrelangem Streit kommt die Gedenkkugel für lesbische NS-Opfer

Das Leid und die Verfolgung lesbischer Frauen in der NS-Zeit wird endlich anerkannt: Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten erlaubt nun doch die Niederlegung einer „Gedenkkugel“ auf dem Gelände des ehemaligen Frauen-KZ Ravensbrück.

Magnus Hirschfeld-Stiftung

Von Andreas Scholz

15.7.2021 - Bereits seit 2012 liegen Anträge für ein Gedenkzeichen vor, das an lesbische Häftlinge des ehemaligen Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück erinnern soll. Nun haben die Leitung der Gedenkstätte Ravensbrück und der Vorstand der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten einem entsprechenden Antrag doch noch zugestimmt. Das gab die Stiftung in einer Pressemitteilung vom 14. Juli bekannt.

Das Gedenkzeichen soll die Form einer aus Keramik gestalteten Kugel haben und im Frühjahr 2022, im Rahmen der Feierlichkeiten zum 77. Jahrestag der Befreiung, auf dem neuen Gedenkareal an der ehemaligen Lagermauer dauerhaft niedergelegt werden. Die Inschrift lautet: „In Gedenken aller lesbischer Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, auch ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“

Hitzige Debatte: Wurden Lesben verfolgt?

Vorangegangen war ein jahrzehntelanger Streit um die Anerkennung lesbischen Gedenkens. Anträge für ein Gedenkzeichen waren von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten lange abgelehnt worden – mit der Begründung, dass nach dem Strafrecht des NS-Staats allein Männer aufgrund homosexueller Handlungen kriminalisiert und dafür ins KZ gebracht wurden. Eine vergleichbare Verfolgung lesbischer Frauen nach dem Strafrecht gab es in Deutschland nicht. Der damlige Sprecher des LSVD, Alexander Zinn, behauptete deswegen, mit einem Gedenkzeichen für lesbische Frauen würde die „Legende einer Lesbenverfolgung“ geschaffen.

Wie Marion Lüttig, Vorständin des Lesbenrings, heute in einer Pressemitteilung ausführte, galten lesbische Frauen und Mädchen in der Zeit des Nationalsozialismus allerdings „durch ihre Unabhängigkeit als ,entartet` und asozial. Sie wurden psychiatrisiert, zur Prostitution in Lagern gezwungen und inhaftiert.“ Auch standen in den Lagern lesbische Handlungen unter Strafe. Das Leid und die Verfolgung lesbischer Frauen im Nationalsozialismus sind bis heute nur lückenhaft aufgearbeitet. Auch aufgrund der Schwierigkeit, entsprechende Forschungsprojekte überhaupt finanziert zu bekommen, wie die Historikerin Claudia Schoppmann 2018 unserem Schwestermagazin Siegessäule erzählte.

Kritik am Verfolgungsbegriff

Am 1. Oktober 2020 war der nun erfolgreiche gemeinsame Antrag für ein Gedenkzeichen gestellt worden. Eingereicht hatten ihn die Initiative „Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich“, das „Bündnis der Initiativen zur Unterstützung der Gedenkkugel für die verfolgten und ermordeten lesbischen Frauen und Mädchen im ehemaligen Frauenkonzentrationslager Ravensbrück und Uckermark“, der LesbenRing e. V., der Berliner Verein RuT Rad und Tat - Offene Initiative Lesbischer Frauen, der Lesben- und Schwulenverband (LSVD), die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld sowie der Fachverband Homosexualität und Geschichte (FHG).

Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten gab daraufhin im Frühjahr 2021, gemeinsam mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, ein Gutachten bei Prof. Martin Lücke von der Freien Universität Berlin in Auftrag.

Einstimmige Empfehlung der Fachkommission

Das Gutachten sollte sich mit dem Schicksal lesbischer Frauen in Ravensbrück auseinander setzen und den Begriff der Verfolgung einer kritischen Analyse unterziehen. Auf Grundlage dieses Gutachtens sah die Fachkommission der Stiftung nun „den Nachweis der Verfolgung lesbischer Frauen innerhalb als auch außerhalb des Konzentrationslagers als erbracht an.“ Es wurde die einstimmige Empfehlung an die Gedenkstätte und an die Stiftung gegeben, ein Gedenkzeichen aufzustellen.

In der Pressemitteilung der Stiftung vom 14. Juli heißt es zu den Gründen: „Unter den Häftlingen, die als lesbisch markiert wurden, sind bislang drei zu finden, die aufgrund einer Charakterisierung als lesbisch für die Ermordung in den Heilstätten Bernburg im Zuge der Aktion 14f13 selektiert wurden. Andere sind durch Denunziationen aus der Bevölkerung aufgrund einer angezeigten lesbischen Lebensweise in das Verfolgungssystem des Nationalsozialismus geraten. Wieder andere haben vor ihrer Inhaftierung offen lesbisch gelebt und waren schon aus diesem Grund aus der nationalsozialistischen ,Volksgemeinschaft ausgeschlossen. Die Lagerordnung im Konzentrationslager Ravensbrück stellte lesbische Liebe unter Strafe.“

LesbenRing: „Unwürdige Debatte hat endlich ein Ende“

LesbenRing-Vorständin Marion Lüttig freute sich sehr über die Entscheidung: „Wir sind erleichtert, dass die unwürdige Debatte, ob Lesben je verfolgt worden seien, und die jahrelange Ablehnung eines Gedenkzeichens endlich ein Ende haben. Mit der Entscheidung der Stiftung für die Gedenkkugel wird das Leid von lesbischen Frauen und Mädchen über ein dreiviertel Jahrhundert nach der Befreiung des Konzentrationslagers endlich sichtbar gemacht.“

Der LesbenRing kritisiert, das lesbische Geschichte in der Geschichtsschreibung der Mehrheitsgesellschaft kaum präsent sei. So wurde und werde die Verfolgung und Ermordung lesbischer Frauen in der NS-Zeit geleugnet. „Bis heute bestimmt die massive Homosexuellenfeindlichkeit, von der die Mehrheit der überlieferten Zeugnisse geprägt ist, Erinnerungspolitik und Forschung.“

 

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