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Regenbogen statt Luftschlange: Aufregung um Homo-Denkmal in Hamburg

Um den künftigen „Denk-Ort für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ in Hamburg gibt’s Streit: Nach einem Wettbewerb lässt die Kulturbehörde überraschend den zweitplatzierten Entwurf bauen. Die Kunstwelt schäumt, aber die queeren Verbände sind zufrieden.

F. Opel/ H. Rath Der Siegerentwurf „Für Capri und Roxi“ von Hannah Rath und Franziska Opel

Von Philip Eicker

17.9.2024 - Es hätte alles so schön werden können: Während anderswo in Deutschland die AfD triumphiert, verkündet die Freie und Hansestadt Hamburg pünktlich zum dortigen CSD, dass sie der queeren Community ein Denkmal errichten wird – in bester Lage und einhellig unterstützt von eben dieser Gemeinde.

Aber wie das so ist in der Demokratie: Mit einer Stimme spricht das Volk nur in der rechten Propaganda. In Wirklichkeit hat es unterschiedliche Ansichten – und die fliegen der Hamburger Kulturbehörde gerade um die Ohren. Die Stadt halte sich nicht an die „vereinbarten Regeln und Richtlinien“, kritisieren Mitglieder der Jury, die den besten Denkmalsentwurf ausgewählt hat. Ein „Skandal“ sei diese Entscheidung schimpft Kunstkuratorin Britta Peters auf Instagram.

Doch der Reihe nach: Hamburg bekommt also einen „Denk-Ort für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“. Vorangetrieben wird das Projekt seit vielen Jahren von der Initiative „Denk-Ort sexuelle Vielfalt“. 2023 kam Bewegung in die Sache. Vor einem guten Jahr beschloss der Senat, einen Gedenkort bauen zu lassen. Er stellte 300.000 Euro bereit und einen tollen Platz: am Neuen Jungfernstieg, Ecke Lombardsbrücke, also im Herzen der Stadt.

Gewinner: Die Riesenluftschlange „Für Capri und Roxi“ 

Anfang 2024 wurde der Wettbewerb ausgeschrieben und schon im März hatte die Auswahlkommission aus 149 Bewerbungen 15 Teams herausgefiltert, die ihre Ideen ausarbeiten durften. Am 17. Juli wählte das Preisgericht die zwei besten Entwürfe aus: Der zweite Preis ging an den „Pavillon der Stimmen“ von Sebastian Behmann und Ólafur Elíasson. Den ersten Preis aber bekamen Franziska Opel und Hannah Rath. Das Preisgericht empfahl die Umsetzung ihrer Idee mit dem Titel „Für Capri und Roxi“.

Die violett schillernde Metallskulptur sieht aus wie eine elf Meter lange Riesenluftschlange und erinnert an das 1960 erlassene „Tanzverbot“ für Männerpaare: eine Hamburger Besonderheit, um die Gäste der vielen schwulen Lokale zu schikanieren. Zwei davon geben dem Kunstwerk den Namen.

Zwei Wochen lang durften sich Franziska Opel und Hannah Rath freuen – doch dann verkündete die Kulturbehörde am 2. August: gebaut wird der „Pavillon der Stimmen“. „Damit berücksichtigen wir sowohl das Ergebnis der Jury als auch das eindeutige Votum der Community“, erklärte Kulturstaatsrätin Jana Schiedek. Offenbar hatten sich die in der Denk-mal-Initiative vereinten LGBTIQ*-Vertreter:innen doch für den zweitplatzierten Entwurf entschieden und zwar „einstimmig“, wie die Kulturbehörde in ihrer Presseerklärung zweimal betont.

Der Entwurf „Pavillon der Stimmen“ von Sebastian Behmann und Ólafur Elíasson

Vorwurf: „Preisverfahren hinter den Kulissen ausgehebelt“

Das Pikante daran: Vier Mitglieder des Preisgerichts und der Vorauswahljury fühlen sich übergangen und fordern Kultursenator Carsten Brosda in einem offenen Brief dazu auf, die Entscheidung zurückzunehmen. Das Preisgerichtsverfahren sei „hinter den Kulissen ausgehebelt“ worden, heißt es in dem Brief, den mittlerweile mehr als 400 Personen und Institutionen der deutschen Kunstwelt unterzeichnet haben.

Auch Franziska Opel und Hannah Rath sind an die Öffentlichkeit gegangen. „Wir sind unzufrieden, dass ein demokratischer Prozess einfach so unterwandert werden kann“, so Hannah Rath in der Tageszeitung taz. Laut taz hatten die beiden Künstlerinnen inzwischen ein Gespräch mit Hamburgs Kulturstaatsrätin Jana Schiedek, die ihnen eine „zweite Realisierung im Stadtraum angeboten“ habe, wenn auch in einer kleineren Version.

In der Diskussion auf dem Instagram-Kanal der Kulturbehörde vermuten einige, dass Hamburg aus Prestigegründen den berühmteren Namen durchdrücken wollte. Zwei Künstlerinnen hätten sich „in Eigenregie gegen die Kunstfabrik Elíasson“ durchgesetzt“, nur um dann „durch den Mainstream ersetzt zu werden“, kommentiert Lena Valenzuela de la Hoz.

In der von der Denk-mal-Initiative veröffentlichten Statements wird aber klar, dass zumindest für die beteiligten Queers andere Gründe ausschlaggebend waren – zum Beispiel den Regenbogen als klassisches Symbol der Bewegung. Der „Pavillon der Stimmen“ ist ein großer Ring aus bunten Glasfliesen, der auf dünnen Stangen in gut drei Meter Höhe schwebt. Bei Sonnenlicht sollen die Fliesen auch den Boden in Regenbogenfarben leuchten lassen.

Auch die lesbischen Verbände für den „Pavillon der Stimmen“

Die überwiegend von cis Männern vorgetragenen Stellungnahmen kritisieren vor allem drei Dinge an „Capri und Roxi“: Die Anspielung auf Tanzverbot und Luftschlange bestätige das Klischee vom „Partyvolk in Feierlaune“, verweise nur in die Vergangenheit und bilde nicht ab, wie bunt die LGBTIQ*-Gemeinde sei.

Auch die beteiligten lesbischen Verbände tragen das mit. „Mit der Integration aller Farbtöne beim ,Pavillon der Stimmen‘ wird die Vielfalt gefeiert und eine Identifikation ALLER Teile der Community mit dem Objekt ermöglicht“, lobt Karin Klipp von der Netzwerkstelle Lesben* in Hamburg. Und die Vorstandsfrauen vom Wohnprojekt „Sisters Living“ würdigen die Zusammenarbeit von Initiative und Senat: „Wir fühlen uns mit der Einstimmigkeit innerhalb der Community gesehen und wahrgenommen. Das war während der Diskussion und des Entscheidungsprozesses eine wunderbare Erfahrung.“

Ein Wermutstropfen aus feministischer Sicht: Mit ihrer Durchsetzungskraft gegenüber der Kulturbehörde hat die organisierte Queer-Community Hamburgs dafür gesorgt, dass wieder einmal zwei Männer zum Zuge kommen und das Honorar mitnehmen. Ist ihr Kunstwerk wirklich das passendere? Davon kann sich jede:r selbst überzeugen: Alle 14 Entwürfe sind bis 29. September in der Galerie des Museums für Kunst & Gewerbe zu sehen. Am 24. September stellt sich die Kulturbehörde dort einer Diskussion zu ihrer Entscheidung.

Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge, bis 29. September, Di – So, 10 – 18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Galerie des Museums für Kunst & Gewerbe, Steintorplatz, 20099 Hamburg, mkg-hamburg.de

 

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