Serientipp: „Atypical“ - Das süßeste lesbische Teenager-Pärchen aller Zeiten
Die Netflix-Serie „Atypical“ bleibt auch in der dritten Staffel ein herzerwärmendes, klischeefreies Familienportrait und erfreut mit einer wunderbaren Coming Out-Story für Tochter Casey, gespielt von der queeren Schauspieler*in Brigette Lundy-Paine.
Achtung: Enthält Spoiler!
Von Hannah Geiger
17.11.2019 - Die letzte Staffel der US-amerikanischen Coming-of-Age-Serie Atpyical, die sich um den autistischen Jungen Sam (Keir Gilchrist) und seine Familie dreht, hat uns mit einem Mega-Cliffhanger zurückgelassen: Sams Schwester Casey (Brigette Lundy-Paine) und ihre „beste Freundin“ Izzie (Fivel Stewart) sitzen nebeneinander im Auto und halten Händchen, nachdem sie sich einige Folgen zuvor fast geküsst hatten. Aber genau an dem Punkt, an dem wir mehr wissen wollen, endet die Staffel und es bleibt offen: werden die beiden ein Paar? Wird sich Casey von ihrem Freund Evan (Graham Rogers) trennen, um mit Izzie zusammenzukommen?
Nun steht die dritte Staffel seit Anfang November auf Netflix und wir wissen endlich mehr: Casey und Izzie sind kein Paar geworden, im Gegenteil: Casey ist noch mit Evan zusammen und die beiden Freundinnen, die zusammen auf eine renommierte Privatschule gehen und im selben Leichtathletik-Team (*hoooot*) sind, sehen sich kaum. Izzie geht Casey sogar aus dem Weg und versucht das, was zwischen ihnen war, wieder auf die Freundschaftsebene zu bringen.
„Ich glaube, ich habe Gefühle“
Doch im Laufe der Serie gibt es immer wieder Grund für erwartungsvolles Herzklopfen: Izzie und Casey nähern sich an, liegen nebeneinander im Bett und werfen sich vielsagende Blicke zu, sie tauchen als cutes Butch-Femme-Paar bei einem Dinner auf – Casey im Tweed-Anzug und Izzie im roten Kleid – und die ganze Welt scheint langsam zu verstehen, was vor sich geht. Außer Caseys Freund - bis sie ihm schließlich unter Tränen gesteht, dass sie Izzie geküsst hat. „Ich glaube, ich habe Gefühle“, sagt sie und beweist dadurch für eine 16-Jährige erstaunlich viel emotionale Reife.
Das ganze Teenage-Drama um Izzie und Casey zeigt Drehbuchautorin und Produzentin Robia Rashid auf einfühlsame und rührende Art und Weise, ohne die lesbische Storyline der Dramatik wegen auszuschlachten oder einen der Charaktere einseitig darzustellen. Besonders Casey manövriert sich stets mit größtmöglichen Respekt durch ihre Beziehungsgeschichten, wobei Schwierigkeiten wie Coming Out und das öffentliche Stehen zur lesbischer Liebe nicht außen vor bleiben.
Man vergisst fast, dass Casey nur eine fiktive Figur ist
Rashid lässt die Zuschauer*innen bei all den Entwicklungen in der Beziehung zwischen Izzie und Casey mitfiebern, etwa wenn die beiden sich auf dem Sportplatz küssen, wenn Izzie Casey auf einer Party verleugnet und mit einem Jungen verschwindet und wenn sie in der Abschlussszene Arm in Arm durch die Schule wandern und so ihre Beziehung besiegeln.
Auch die beiden Darstellerinnen glänzen in ihren Rollen, besonders Brigette Lundy-Paine (26) gibt eine so überzeugende Casey, dass man fast vergisst, dass sie nur eine fiktive Figur ist.
Hauptdarstellerin Brigette Lundy-Paine ist queer und nicht-binär
Das mag auch an Brigette selbst liegen, die sich letztes Jahr als queer outete und in einem Interview erklärte, keine nicht-queere Figur spielen zu können, denn „die Leute würden es nicht glauben“. Der US-amerikanischen LGBT-Zeitschrift The Advocate erzählte Brigette: „Mein Coming Out] war nur ein tränenreicher Anruf bei meiner Mutter, als ich meine erste Freundin hatte. Danach dachte ich eher ‚Oh, ich muss es eigentlich niemandem sagen. Ich date wen ich will und muss mich nicht weiter damit beschäftigen.“
Erst letzte Woche folgte dann ein weiteres Coming Out: „Ich bin nicht-binär, habe mich immer ein bisschen als Junge, ein bisschen als Mädchen und ein bisschen als keins von beidem gefühlt“, schrieb Brigette auf Instagram. „Es fühlt sich richtig an, seit neuestem they/ them-Pronomen zu verwenden. Mich zu outen, ist furchterregend und ich habe es lange aufgeschoben. Aber ich habe das Gefühl, dass ich es mir und allen schuldig bin, die mit ihrem Gender hadern.“
Diversität auch hinter den Kulissen
Auch Nik Dodani, der Sams Freund Zahid spielt, ist schwul, und die lesbische Schauspielerin Sara Gilbert (bekannt aus den Sitcoms Roseanne und The Big Bang Theory) ist in der neuen Staffel zu sehen – als strenge, aber heiße College-Lehrerin. Und da auch die Hälfte der Autor*innen der Serie Frauen sind, hat Atypical in Sachen Repräsentation schon einiges vorzuweisen. Noch schöner wäre es gewesen, wenn auch die Hauptrolle Sam an eine autistische Person gegangen wäre, aber zumindest wurden, nachdem es Kritik gegeben hatte, in der zweiten und dritten Staffel auch autistische Schauspieler*innen gecastet.
Atypical beweist, dass viele unterschiedliche Themen in einer Serie untergebracht werden können, ohne sie zu überfrachten, denn neben Caseys Identitätsfindung geht es vor allem auch um Sams Autismus und seine Schwierigkeiten, sich in der Welt und auf dem College, das laut Serie nur eine von fünf autistischen Personen in der Regelstudienzeit abschließt, zu behaupten. Auf jeden Fall ist Atypical ein großer Tipp für alle, die mehr über Autismus, komplizierte Familiendynamiken, Freundschaft und natürlich die Liebesgeschichte von Cazzie erfahren wollen.
Atypical (USA, seit 2017), mit Jennifer Jason Leigh, Keir Gilchrist, Brigette Lundy-Paine, Michael Rapaport, Fivel Stewart u.a., Staffel 3 (10 Folgen) bei Netflix
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