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Serientipp: „Feel Good“ - Von der Drogensucht zur Sucht nach Romantik

In der Dramedy „Feel Good“ geht’s um die noch frische Beziehung zweier Frauen, eine mit Suchtproblem und eine mit Coming Out-Zaudern. Die empfehlenswerte Serie, in der Comedian Mae Martin ihr eigenes Leben verarbeitete, steht ab heute bei Netflix.

Netflix Mae (Mae Martin, l.) und George (Charlotte Ritchie)

Von Karin Schupp

19.3.2020 - Stand-up Comedian Mae (Mae Martin) lernt nach einem Auftritt in London die Lehrerin George (Charlotte Ritchie, Call the Midwife) kennen, sie verlieben sich schnell und ziehen nach drei Monaten zusammen. Über ihren Köpfen schweben rosarote Wölkchen und Glitzerstaub, und erst als George nebenbei erfährt, dass Mae mal ein Drogenproblem hatte, bekommt ihre Beziehung ihren ersten Kratzer.

Was in anderen Serien über mehrere Folgen erzählt werden würde, passiert in der britischen Serie Feel Good in der ersten Folge – und es wäre zwar falsch zu sagen, dass es fortan rapide bergab geht, aber: es wird sehr holprig, denn Mae und George müssen sich plötzlich dem Konfliktpotenzial ihrer Beziehung stellen.

Eigentlich möchte Mae, die in ihrer kanadischen Heimat kokainsüchtig, Dealerin und kleinkriminell war, all das hinter sich lassen, seit sie in England lebt. Nur halbherzig besucht sie eine Selbsthilfegruppe für Suchtkranke und glaubt, dass sie mit Hilfe der skurrilen Maggie (Sophie Thompson) als Sponsorin (einer Unterstützerin auf dem Weg, clean zu bleiben) alles im Griff hat.

„Mein Gott, ich bin Pacman! Ein hungriger, leerer Geist!“

Doch so leicht ist das nicht: Denn da sie sich von Drogen fern hält (was ihr schwer genug zu fallen scheint), kanalisiert sich ihr Hang zur Obsession auf ihr Beziehungsleben – eine Sucht nach Romantik. „Mein Gott, ich bin Pacman! Ich bin eines hungriger, leerer Geist!“, erkennt sie, als ihre Mutter sie darauf aufmerksam macht: „Vor George hast du über Nicole nachgedacht, die deine wahre Liebe war. Und davor hast du über Caroline nachgedacht, die – oh ja - auch deine wahre Liebe war. Und davor waren es Drogen.“

Einen Punkt hat Mama Linda, wunderbar gespielt von Lisa Kudrow (Friends), ignoriert: Mae arbeitet sich auch in ihren Eltern - ihrer egozentrischen und unsensiblen Mutter und ihrem konfliktscheuen Vater - ab, die sie seinerzeit zu Hause rausgeworfen haben und ihr zwar freundlich begegnen, aber jeden Versuch, sich mit ihnen auszusprechen – unter anderem während einer Geisterbahnfahrt! - abblocken.

Den Trailer gibt's nur in der englischen Originalversion:

Und auch für George läuft’s nicht rund: Sie hat Angst, sich zu outen – bisher lebte sie nämlich hetero und war als bedauernswerter Single abgestempelt. Und dass sie Mae weder ihren Freund_innen noch ihrer Familie vorstellt und stattdessen einen Boyfriend erfindet, sorgt verständlicherweise nicht nur für Ärger, sondern vergrößert auch Maes Angst, von George verlassen zu werden.

Basiert auf Mae Martins echtem Leben

Mit ihrer semiautobiografischen Serie reiht sich Mae Martin in die Reihe queerer, kurzhaariger Comedians ein, die ihre (psychischen) Probleme als Dramedy fiktionalisieren (geht das schon als eigenes Genre durch?): Hannah Gadsby (Depression, Homophobie) in Nanette, Tig Notaro (Tod, Krankheit) in One Mississippi und Abby McEnany (Depression) in Work in Progress. Und auch Feel Good gelingt es, ein ernsthaftes Thema mit Humor abzufedern, ohne es ins Lächerliche zu ziehen.

Dabei setzt sie vor allem auf witzige Dialoge und schräge Charaktere wie Georges und Maes amerikanischen Mitbewohner Phil (Phil Burgers), Maggies stoische, lesbische Tochter Lava (Ritu Arya), die ein Auge auf Mae wirft, und die gesamte „Anonyme Drogenabhängige“-Gruppe.

„Es geht um Liebe und Sucht und wo sich diese beiden Dinge überschneiden. Was gesund ist und was nicht“, erklärte Mae Martin, die auch in ihren Comedy-Programmen und Interviews offen über ihr Leben spricht, gegenüber der BBC. Die 32-Jährige war schon mit 11 Stammgast in einem Stand up-Comedy-Club, wurde dort drogenabhängig, brach die Schule ab und machte einen Entzug. Privat ist sie nicht lesbisch (auch wenn ihr schon vorgeworfen wurde, „mit ihren Haaren zu lügen“), sondern bisexuell, lehnt aber Label für sich ab.

Ihre Gefühle und Verletzungen kommen sehr real rüber

Die sechs 25-minütigen Folgen schauen sich schnell weg, an einem Stück könnte Maes nervöse Energie allerdings ein bisschen anstrengend werden. und wer Maes und Georges Probleme selbst kennt, wird sich womöglich schmerzlich darin wiederfinden, denn bei allen Skurrilitäten kommen ihre Gefühle und Verletzungen sehr real rüber.

Alles in allem aber eine starke Serie, deren größtes Manko ihr abruptes Ende ist (und nein, es gibt nicht noch eine siebte Folge, die sich irgendwo versteckt). Hoffentlich gibt’s eine zweite Staffel, die dann gerne auch mehr als nur Beziehungs- und Coming Out-Probleme erzählt. Mae und George sind als Paar sympathisch genug, dass man sie gerne noch länger begleiten möchte.

Feel Good (GB 2020), 6 Folgen, nur bei Netflix

Mae Martins Youtube-Kanal

 

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