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Serientipp „We Are Who We Are“: Chillen, Gender-Identität und erste queere Liebe

Luca Guadagninos („Call Me By Your Name“) Miniserie erzählt atmosphärisch und authentisch von zwei queeren Jugendlichen - einer davon mit lesbischen Müttern -, die auf einer US-Militärbasis in Italien leben.

Screenshot Trailer V.l.n.r.: Sarah (Chloë Sevigny), Caitlin/ Hunter (Jordan Kristine Seamón) und Fraser (Jack Dylan Graser)

Von Karin Schupp

6.3.2021 - Eine US-Militärbasis in Italien. Es ist der Sommer 2016, auf den Fernsehbildschirmen im Hintergrund flimmert ständig der Trump-Wahlkampf, und der Teenager Fraser (Jack Dylan Grazer) wird aus New York in dieses Klein-Amerika mitten in Europa verpflanzt.

Nicht nur optisch ist der exzentrische 14-Jährige ein Außenseiter: Er ist ein queerer Großstadtjunge, er hat zwei Mütter, und eine davon ist auch noch die neue Lagerkommandeurin. Doch er findet schnell eine Seelenverwandte in Caitlin (Jordan Kristine Seamón), die sich manchmal auch Hunter nennt und dann mit Mädchen flirtet. Zwischen Schule, Strand und Dorffest, Austesten von Grenzen und stundenlangem Abhängen verliebt sich Fraser in einen der Soldaten und Caitlin/ Hunter setzt sich mit ihren Gender-Identität auseinander.

Aber vor allem wenn sich ihre Welt mit der ihrer Eltern überschneidet, wird man daran erinnert, dass die beiden noch ganz am Anfang ihres Erwachsenwerdens stehen. Und insbesondere Fraser, sonst eher introvertiert, mutiert gegenüber seiner Mutter Sarah (Chloë Sevigny, die schon in zahlreichen Lesbenrollen zu sehen war) zu einem Kleinkind mit Testosteronüberschuss - Pubertät at its worst.

Sarah ist ihrer Frau alles andere als eine perfekte Partnerin

Fast wie in einer Parallelwelt führen die Eltern ihr eigenes Leben. Sarah ist ihrer Frau Maggie (gespielt von der lesbischen Schauspielerin Alice Braga) alles andere als eine perfekte Partnerin und verletzt sie fortwährend, indem sie sich Frasers einzig wahre Mutter darstellt. Maggie befreundet sich mit Caitlins Mutter Jenny (Faith Alabi), deren Mann, Trump-Fan Richard (Scott Mescudi) seine Vorbehalte gegen seiner neuen Vorgesetzten nur mühselig unterdrückt. Und am Stützpunkt läuft auch nicht alles rund.

HBO Maggie (Alice Braga, l.) und Sarah (Chloë Sevigny)

Eine der ungewöhnlichsten Serien des letzten Jahres

We Are Who We Are ist nicht nur queerer als eine klassische Familienserie und spielt an einem bisher noch nie gewählten Schauplatz, sondern ist auch dramaturgisch unkonventionell und damit eine der ungewöhnlichsten Serien des letzten Jahres: Sie enttäuscht nämlich konsequent gelernte TV-Erwartungen und baut ständig - vermeintlich - Spannung auf, ohne dass dann etwas passiert.

So zeigt etwa eine ganze Folge eine Party der Kids in einer leerstehenden Villa, bei der die Zuschauerin jeden Moment eine Eskalation von Sex und Gewalt befürchtet, weil man das halt so aus Serien kennt. Und dann geht die Nacht ganz anders aus. Tatsächlich Aufregendes wird eher beiläufig erzählt - von einer lesbischen Affäre erfahren wir erst, als sie längst im Gange ist –, und auch das dramatischste Ereignis der Serie wird nicht fiktional überhöht dargestellt, sondern eher so, wie man im echten Leben damit umgehen würde.

Authentische Story, die ihre queeren Hauptfiguren ernst nimmt

Der schwule, italienische Regisseur Luca Guadagnino, dessen schwules Liebesdrama Call Me By Your Name (2017) für dem Oscar nominiert wurde, setzt in seiner erste Fernsehserie deutlich stärker auf Atmosphäre als auf Handlung, vor allem in den ersten Folgen. Das kann man als langweilig und monton empfinden, doch wer sich auf das gemächliche Tempo und die flache Spannungskurve einlässt, wird We Are Who We Are als authentische Coming-of-Age-Story erleben, die ihre jugendlichen Hauptfiguren ernst nimmt und am Ende nicht die Antwort auf alle Fragen - wie schwul, wie trans, wie nichtbinär sind Fraser und Hunter denn nun? - geben will. Stattdessen ist sie eine Momentaufnahme eines Sommers und eines Herbsts zweier queerer 14-Jähriger, die sich - altersgerecht zwischen Trägheit und Überschwang der Gefühle - von ihrer Kindheit verabschieden, aber mit den Anforderungen der Erwachsenenwelt noch so manches Mal überfordert sind. 

Guadagnino wäre für eine Fortsetzung zu haben

Ob’s eine Fortsetzung gibt, steht noch in den Sternen. Die auftraggebenden Sender HBO und Sky wollten es eigentlich bei einer abgeschlossenen Miniserie belassen. Aber Guadagnino verriet Ende 2020 gegenüber Indiewire, dass er mit seinem Team, darunter die queerfeministische Drehbuchautorin Francesca Maniera (die die Netflix-Serie Luna Nera mitschuf), im Lockdown eine zweite Staffel skizziert habe: „Ich bin sehr neugierig, wie das aufgenommen wird. Sie merken schon, dass mir das Projekt sehr am Herzen liegt! Wenn HBO und Sky bereit sind, diesen großartigen Cast zu ihren großartigen Charakteren zurückkehren zu lassen, bin ich dabei.“

We Are Who We Are (USA/ Italien), 8 Folgen, ab So, 7. März wöchentlich eine neue Episode bei Starzplay (Amazon Prime-Channel oder als eigenständige App – bei Buchung bis 31. März zahlt ihr für die ersten 6 Monate nur 1,99 Euro/ Monat, danach 4,99 Euro)

Empfehlenswert sind die „Inside the Episode“-Clips zu jeder Folge auf Youtube

 

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