"Sichere Herkunftsländer" müssen auch für Lesben und Schwule sicher sein
Der Beschluss der Bundesregierung, Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, hat auch Auswirkungen auf LGBT-Flüchtlinge: In allen drei Staaten ist Homosexualität verboten und wird gesellschaftlich geächtet.

Von Julius Brockmann
l-mag.de, 9.2.2016 – In der vergangenen Woche brachte das Bundeskabinett das umstrittene Asylpaket II auf den Weg. Darin sollen der Familiennachzug eingeschränkt, schnellere Asylverfahren und Abschiebungen ermöglicht sowie Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten haben damit so gut wie keine Chance auf Anerkennung.
Gefängnis- und Geldstrafen für Homosexuelle
Dagegen protestiert der Lesben- und Schwulenverband (LSVD): Wer Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erkläre, rechtfertige die Verfolgung Homosexueller, denn in allen drei Ländern ist Homosexualität verboten. In Marokko wurden in der jüngeren Vergangenheit Gefängnisstrafen gegen Männer aufgrund ihrer Homosexualität verhängt. Gleichgeschlechtlicher Sex kann in Tunesien mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden. In Algerien sind Gefängnis- und Geldstrafen möglich.
Der LSVD sieht daher die Rechtmäßigkeit des Vorhabens kritisch und verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, laut dem sichere Herkunftsstaaten "Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen" garantieren müssen (BVerfGE 94, 115).
Regierung: Es genügt, dass die Länder "politisch stabil" sind
Lesben und Schwule in Nordafrika leiden zudem an gesellschaftlicher Ausgrenzung und Verfolgung. Die Bundesregierung räumt diese Probleme zwar in einem Bericht ein, dennoch seien Algerien, Tunesien und Marokko "politisch stabil" und hätten "weitgehend funktionierende Verfassungen und Staatswesen". Bundestag und Bundesrat müssen der Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten um die drei Länder noch zustimmen.
Lest auch unseren Artikel zum Thema "Sichere Herkunftsstaaten für LGBT" und in der neuen Ausgabe der L-MAG (ab Ende Feb. am Kiosk) unser Interview mit einer lesbischen Aktivistin aus Marokko, die über die Lage in ihrem Land berichtet. Weitere Informationen bietet die Webseite Queer Refugees (in acht Sprachen).