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Sorgen und Sonnenstrahlen: Ältere Lesben und Schwule in der Corona-Krise

In einem spannenden Interview-Buch berichten Lesben und Schwule, wie sie die Pandemie-Zeit erleben, wie sie mit den Kontaktbeschränkungen zu ihren queeren Wahlfamilien umgehen und welche Vorteile Homosexuelle in der Krise gegenüber Heteros haben.

Von Karin Schupp

13.4.2021 - Dem 47. Lesbenfrühlingstreffen (21.–23. Mai) wurde im Vorfeld Transfeindlichkeit vorgeworfen. Einige Vereine und Verbände zogen ihre Unterstützung zurück, auch queere Medien übten Kritik. Heute befragen wir dazu Janka Kluge, die sich seit Jahrzehnten für Transrechte einsetzt und eine Diskussionsveranstaltung am 10. Juni zu der Frage organisiert: Was können wir aus der Kontroverse lernen – und wie geht es nun weiter?Anm.: Das Interview wurde vor dem Lesbenfrühlingstreffen geführt.

 

Die Corona-Beschränkungen belasten uns alle auf die eine oder andere Weise, und LGBTQ-Verbände haben vielfach darauf hingewiesen, dass queere Menschen überdurchschnittlich häufig unter den Folgen der Pandemie leiden - eine wissenschaftliche Studie aus Wien bestätigte das im März (wir berichteten). Häufig lenkt sich hier der Blick auf die jüngeren, ausgehfreudigen Queers, aber inwiefern sind auch Ältere betroffen?

Auf deren Erfahrungen in der Corona-Krise konzentriert sich nun eine neue Publikation: Für „Das ist alles unsere Lebenszeit“ interviewte Vera Ruhrus neun ältere Lesben und Schwule in NRW, die älteste Jahrgang 1938, der jüngste Mitte 50. Sie erzählen, wie sie es erleben, plötzlich pauschal als „Risikogruppe“ zu gelten, wie sie damit umgehen, dass ihre privaten Netzwerke – jenseits der heterosexuell definierten „Kernfamilie“ - eingebrochen sind, und wie sie trotz allem auch Sonnenstrahlen am Himmel sehen und positive Veränderungen durch die Pandemie erleben.

„Dass Menschen mich nicht aus Pflichtgefühl besuchen“

„Momentan fühle ich mich wie unter einer Käseglocke“, sagt die Kölner Betty (70), die Kulturveranstaltungen, das Meer und die Aktivitäten mit ihrer Kölner „Golden Girls“-Gruppe vermisst. Trotz Lebenspartnerin erlebt sie die Einschränkungen „als persönlichen Verlust. Ich brauche das einfach, die Kontakte und auch das Organisieren für die Gruppe und für Einzelne, das ist ein ganz wichtiges Element in meinem Leben.“

Barbara (82), die vierzig Jahre lang im Frauenbuchladen Düsseldorf arbeitete, bedauert es, dass ihre kurz vor Corona mitgegründete Gruppe von „Frauen, die sich untereinander vernetzen und gegenseitig unterstützen möchten, jetzt erst mal gestoppt“ ist. Und Karin (65) aus Duisburg, die seit einem Unfall auf eine Alltagsbegleiterin angewiesen ist, wünscht sich, „in der Community nicht in erster Linie als hilfsbedürftig wahrgenommen zu werden“, und „dass Menschen mich nicht aus Pflichtgefühl besuchen, sondern aus Interesse an mir und unserem Kontakt.“

privat Vera Ruhrus, die Autorin der Studie

Homosexualität kann sich auch als Vorteil erweisen

Aber Homosexualität kann auch von Vorteil sein: Einige Schwule ziehen Parallelen zur Aids-Krise und sehen einen Lernvorsprung für den Umgang mit Corona. Auch die Widerstandsfähigkeit, die wir durch unsere unangepassten Biografien erwerben, kann hilfreich sein, und vielleicht haben wir es sogar „einfacher als die Heten, weil unsere Community sowieso etwas enger miteinander ist“, wie Gabi (61) vermutet.

Die Sozialpädagogin, die in einer lesbischen Hofgemeinschaft in der Eifel lebt und es „wunderbar“ fand, „einmal durchatmen zu können, nichts tun müssen“, macht sich mehr Sorgen um ihre freiberuflichen Freundinnen mit Existenz-Sorgen und geflüchtete Familien in ungeschützten Unterkünften als um sich.

Positive Einstellung durch authentisches Leben nach dem Coming Out

„Ein authentisches Leben nach dem Coming Out unterstützt ältere Schwule und Lesben bei der Bewältigung der Corona-Krise“, resümiert Vera Ruhrus in ihrem Nachwort und zitiert aus einem ihrer Gespräche: „Meine sehr optimistische und positive Einstellung in dieser Lage ist möglich, weil ich jetzt das Leben lebe, das zu mir passt.“ Für Lesben und Schwule, die ein spätes Coming Out hatten, gesundheitlich bereits angeschlagen sind oder alleine und ohne privates Netzwerk leben, kann das allerdings anders aussehen.

Das vom Kölner Verein Rubicon e.V. herausgegebene Büchlein ist auch ohne Corona-Hintergrund eine spannende Lektüre, in der man viel über die Biografien und den Alltag von Lesben und Schwulen erfährt, die schon in der Community aktiv waren, als wir noch klein oder noch nicht gar nicht geboren waren.

„Das ist alles unsere Lebenszeit. Ältere Lesben und Schwule in der Corona-Krise“ (92 Seiten) steht kostenlos hier als PDF.

 

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