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Todesstrafe für Homosexuelle in Brunei: Der Protest darf nicht verpuffen

Trotz internationaler Proteste wird in Brunei seit Mittwoch Homosexualität mit Tod durch Steinigung bestraft. Promis riefen zum Boykott der Hotels des Sultanats auf – aber wie reagierten Wirtschaft und Politik? Und lässt sich jetzt noch etwas bewegen?

LBC/ YoutubeDemo am Samstag vor dem Dorchester Hotel in London, das dem Sultan von Brunei gehört

Von Karin Schupp

7.4.19 - Seit Mittwoch wird in Brunei männliche Homosexualität mit Tod durch Steinigung bestraft, Lesben drohen 40 Stockhiebe. In dem kleinen Sultanat auf der Insel Borneo wurde Homosexualität auch zuvor schon mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft, sodass Lesben und Schwule gezwungen waren, sich zu verstecken und Gleichgesinnte allenfalls über Dating-Apps finden konnten.

Doch selbst Chat-Rooms sind seit der Gesetzesverschärfung kein sicherer Ort mehr – die Verunsicherung, ob man es mit einem “Spion der Regierung” zu tun bekomme, wie ein junger Schwuler der Zeitschrift Time erklärte, ist spätestens jetzt zu groß geworden.

LGBT leben in Brunei in Angst

“Du wachst du auf und merkst, dass deine Nachbarn, deine Familie oder sogar die nette alte Dame, die die am Straßenrand Krabbenpuffer verkauft, dich nicht mehr als Menschen betrachten oder es okay finden, dass du gesteinigt wirst”, sagte ein anderer schwuler Mann aus Brunei dem Sender BBC.

Und Transfrau Zain, die vor einigen Monaten nach Kanada flüchtete und dort Asyl beantragte, sagte dem US-Sender CNN: “Ich habe seit 2013 in Angst gelebt. Ich wurde in der Religionsschule indoktriniert, und deshalb kannte ich diese Gesetze etwas besser als meine Freunde, die nicht religiös sind.”

Tatsächlich begann die besorgniserregende Entwicklung bereits vor fünf Jahren, als Sultan Hassanal Bolkiah ankündigte, als erstes ostasiatisches Land das islamische Scharia-Recht einzuführen.

Hollywood-Stars sorgen für Aufmerksamkeit

Schon damals regte sich Protest, dem sich auch Stars wie Elton John, George Clooney, Ellen DeGeneres, Yoko Ono, Oprah Winfrey und Steven Spielberg anschlossen: Gemeinsam mit LGBT-Verbänden riefen sie 2014 dazu auf, die weltweit neun Luxushotels des Sultans, darunter auch die bei Promis beliebten Häuser The Beverly Hills Hotel und Bel-Air boykottieren.

Einen langen Atem bewies Hollywood jedoch nicht. „Weniger als anderthalb Jahre später feierten die Leute dort wieder Oscar-Partys“, kritisierte Jim Key, der damals beim Los Angeles LGBTQ-Center arbeitete, gegenüber der Webseite Quartzy.

Letzte Woche ließen Promis wie Clooney, DeGeneres, John, Dua Lipa, Billie Jean King und Nancy Sinatra den Boykott-Aufruf (dennoch) wieder aufleben. Der reiche Kleinstaat werde sich dadurch wohl kaum an den Pranger stellen lassen, räumte Clooney auf der Webseite Deadline ein - “dessen Banken, Financiers und Geschäftspartner“ hingegen schon.

Wirtschaftlicher Druck hätte eher Chancen - aber kommt er?

Zwar gehört Brunei dank hoher Ölaufkommen zu den reichsten Ländern der Welt, doch seit dem Einbruch der Ölpreise sind die Einkünfte stark gesunken, sodass eigentlich politische Reformen nötig wären – so gibt es zum Beispiel keine Einkommensteuer, und die Gesundheitsversorgung ist kostenlos. Menschenrechtsverbände vermuten daher ein Ablenkungsmanöver: Angesichts solch unpopulärer Maßnahmen versuche die Regierung, ihre Autorität mit einer barbarischen Gesetzgebung zu stärken.

Viele Unternehmen, die gute Geschäfte mit Brunei machen und damit deutlich mehr Einfluss haben könnten als ein Boykott von Hotels (die die meisten von uns sich ohnehin nicht leisten könnten), reagierten bisher nur zögerlich.

Nur wenige konkrete Ankündigungen von Unternehmen

Konkrete Ankündigungen gab es nur vereinzelt: So will die globale Reiseagentur STA Travel künftig keine Flüge der nationalen Airline Royal Brunei mehr verkaufen.

Die Deutsche Bank gab bekannt, dass sie für ihre Mitarbeiter künftig keine der  Hotels des Sultans mehr bucht, und die Fluggesellschaft Virgin Australia kündigte einen Vertrag mit der Airline Royal Brunei, der Mitarbeiterrabatte einräumte.

Die Londoner Verkehrsbetriebe verzichten künftig auf Einnahmen durch Plakate, die für Brunei als Reiseziel werben.

Laut Bild hat die Lufthansa im Rahmen eines mehrjährigen Vertrags aktuell zwölf - freiwillige - Mitarbeiter in Brunei im Einsatz. „Wir tolerieren keinerlei diskriminierendes Verhalten, sei es gegenüber Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten. Jeglicher Form von Diskriminierung gehen wir konsequent nach“, sagte ein Sprecher der Fluglinie, ohne jedoch konkrete Konsequenzen anzukündigen.

Auch andere Unternehmen wie Novartis und Thyssen Krupp erklärten gegenüber Bild, dass sie ihre Geschäftsbeziehungen nicht abbrechen werden.

Und was macht die Politik?

Die Vereinten Nationen verurteilten die Gesetze, die auch Ehebruch mit dem Tod, Abtreibung mit Auspeitschen und Diebstähle mit Amputationen bestrafen, heftig. „Ich rufe die Regierung auf, die drakonischen Strafen nicht in Kraft zu setzen“, sagte die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet am vergangenen Montag in Genf. „Keine auf Religion fußende Gesetzgebung darf Menschenrechte verletzen.“

In Großbritannien forderte die Labour-Opposition, Brunei aus dem Commonwealth auszuschließen.

Frankreich und die USA mahnten das Sultanat an, die Menschenrechte zu achten, und die Bundesregierung bestellte die Botschafterin von Brunei ein und appellierte an das Sultanat, „bestehende internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten", wie das Auswärtige Amt mitteilte. "Dabei haben wir unsere Sorge im Zusammenhang mit der Einführung des Scharia-Strafrechts zum Ausdruck gebracht.“

Eine Petition fordert, Sultan Hassanal Bolkiah das Bundesverdienstkreuz abzuerkennen, das er 1998 bekam (wofür eigentlich?), dochdas Bundespräsidialamt ließ bereits wissen: „Der Ordensaustausch, der zwischen zwei Staaten vereinbart wird, kennt keine Entziehungsverfahren.“

Den LGBT in Brunei vermitteln, dass wir weiter für sie kämpfen 

Entscheidend ist jetzt, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt und der Protest nicht wieder so schnell verpufft wie vor fünf Jahren. Der Blick der Weltöffentlichkeit muss weiterhin auf Brunei gerichtet bleiben - um damit den Sultan unter Druck zu setzen, aber auch um den dort lebenden Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans zu vermitteln, dass wir an sie denken und für sie kämpfen.

Denn bei allen Fortschritten, die wir hierzulande erleben, dürfen wir nie vergessen, wie gefährlich die Lage für viele LGBT in anderen Ländern ist – vor allen in denen, die Homosexualität mit dem Tode bestrafen können. Dazu gehören neben Brunei auch der Iran, Jemen, Katar, Mauretanien, Saudi-Arabien, Sudan, Vereinigte Arabische Emirate und Teile von Nigeria und Somalia.

„Diese Gesetze sind unmenschlich. Es ist eine sehr aggressive Bestrafung“, zitierte CNN den jungen Schwulen Khairul aus Brunei. „So etwas solche kein Mensch erleiden müssen - nur weil weil er homosexuell ist.“

Weiterlesen: Brunei führt die Todesstrafe für Homosexuelle ein 

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