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Tschetschenien: Behörden verfolgen Schwule, lesbische Festnahmen bisher nicht bekannt

Bei Razzien in der russischen Teilrepublik Tschetschenien sollen mehr als 100 schwule Männer festgenommen worden sein, dabei soll es drei Tote gegeben haben. Wie ist der Stand der Dinge - und was ist mit den Lesben? L-MAG fragte nach.

Chainless Photography, CC-BY-SA

Aus Sankt Peterburg Isabel Lerch

l-mag.de, 5.4.2017 – Wie die russische Zeitung Nowaya Gaseta berichtete, sollen bei Razzien in der russischen Teilrepublik Tschetschenien schwule Männer festgenommen worden sein. Drei von ihnen starben laut dem Bericht.

Lesben waren offenbar nicht betroffen. „Was diese Ereignisse angeht, haben wir bisher keinerlei Informationen darüber, dass Frauen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität entführt und gefoltert wurden“, sagte Svetlana Zakharova, die Pressesprecherin des Verbands Russischer LGBT (Российская ЛГБТ-сеть), gestern gegenüber L-MAG. Ansonsten ist wenig Genaues über die aktuellen Ereignisse bekannt.

Regierung bestreitet die Existenz von Homosexuellen

Der LGBT-Verband (in deutschen Medien meist "Russian LGBT Network" genannt) zeigte sich angesichts der Ereignisse im Nordkaukasus sehr betroffen und verurteilte die Reaktion der Offiziellen in Tschetschenien scharf. Die hatten die Existenz von Homosexuellen in der russischen Teilrepublik bestritten.

So wies laut Nowaja Gaseta ein offizieller Sprecher des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow die Anschuldigungen mit den Worten zurück: „Es ist unmöglich, jene zu verfolgen, die es in der Republik gar nicht gibt“.

Der Verband Russischer LGBT fordert die staatliche Organe auf, die Vorfälle zu untersuchen. Er hat außerdem eine Notfallhotline für Betroffene eingerichtet und erste Evakuierungsmaßnahmen eingeleitet. „Wir glauben, dass nur eine Evakuierung jetzt wirklich helfen kann“, heißt es in einer Erklärung.

Viele russische Lesben und Aktivistinnen zeigten sich bestürzt und teilten in sozialen Netzwerken die Forderung des Organisation, die Vorfälle aufzuklären.

„Frauen in Tschetschenien gelten oft nur als halbe Menschen“

„Tschetschenien ist eine sehr spezielle Region. Bislang haben wir ausschließlich Informationen darüber, dass nur homosexuelle Männer betroffen sind“, sagte uns Svetlana Zakharova. „Doch bloß, weil wir keine Informationen darüber vorliegen haben, ob in diesem Fall auch Frauen betroffen sind, bedeutet dies nicht, dass es nicht so ist.“

Frauen in Tschetschenien seien aber generell in einer sehr prekären Lage. „Frauen gelten dort oft nur als halbe Menschen, denen jegliche Sexualität abgesprochen wird“, erklärte Zakharova weiter.

Die Menschenrechtslage im Nordkaukasus sei äußerst schwierig, warnt ihre Organisation. Im mehrheitlich muslimischen Tschetschenien komme es immer wieder zu schweren Menschenrechtsverletzungen. So habe der Verband im vergangenen Jahr eine Transfrau aus Tschetschenien evakuiert, die von ihrer eigenen Familie verfolgt wurde.

Proteste in Deutschland, Bundesregierung noch nicht aktiv

In Deutschland hat der Lesben- und Schwulenverband LSVD die Bundesregierung dazu aufgerufen, Tschetschenien zur Einhaltung menschenrechtlicher Standards aufzufordern. Die Berliner Initiative "Enough is Enough" rief eine Spendenaktion ins Leben. Volker Beck, Bundestagsabgeordneter der Grünen, verlangt, den Verfolgten eine Aufnahme aus dringenden humanitären Gründen anzubieten. Jasper Prigge, innen- und queerpolitischer Sprecher der Linken in NRW, fordert einen dreimonatigen Abschiebestopp für tschetschenische Flüchlinge. Die Bundesregierung hat bisher noch nicht reagiert.

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