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Über den Wolken ist die Welt hetero: Im Bordkino dürfen sich Frauen nicht küssen

Fluglinien tun sich in ihrem Bordprogramm immer wieder schwer mit LGBT-Inhalten. So zeigte die US-Airline Delta die Komödie „Booksmart“ ohne ihre lesbische Sexszene und reagierte erst, als die Regisseurin und die Darstellerinnen des Films protestierten.

Annapurna Pictures An Küssen stoßen sich die Sittenwächter der Airlines normalerweise nicht - außer wenn sie homosexuell sind: Diesen Moemnt zwischen Kaitlyn Dever (r.) und Diana Silvers durften die Delta-Fluggäste nicht sehen

Von Karin Schupp

20.11.2019 - Wer im Flugzeug das Bordkino-Angebot nutzen will, sollte sich am besten für einen Kinderfilm entscheiden, denn Airlines sind berüchtigt dafür, Filme auf „familienfreundliche“ Versionen zusammenzuschneiden, sprich: erotische Inhalte und nackte Haut (und nicht etwa Blut und Gewalt!) fliegen raus. Und besonders niedrig liegt die Schwelle bei lesbischen und schwulen Inhalten, wie jetzt auch der Film Booksmart (aktuell im Kino; unsere Filmkritik) erfahren musste.

In der rasanten Highschoolkomödie erleben zwei beste Freundinnen eine wilde Partynacht und die lesbische Hälfte des Duos ihren ersten Sex in einem Badezimmer. Doch diese recht züchtige Szene, die nicht mal nackte Haut zeigt, fehlte in den Über-den-Wolken-Versionen der Fluglinien Etihad, Emirates und Delta, worauf Ende Oktober einige Fluggäste aufmerksam machten. „Nicht mal ein Kuss war erlaubt“, beklagte sich die Filmjournalistin Michaela Barton auf Twitter. „Aber keine Sorge, Leute, die Heteros bekamen ihren Kuss.“

„Ich bin schockiert. Das macht mich so wütend!“

Entsetzt reagierte Kaitlyn Dever, die Darstellerin der lesbischen Amy, als sie während eines Rote Teppich-Interviews mit Variety zum ersten Mal davon hörte: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin schockiert. Das macht mich so wütend!“ Und ihr Ko-Star Beanie Feldstein, die selbst queer ist, ergänzte: „Das ist skandalös. [Die Szene] repräsentiert wunderbar queere Erfahrungen junger Leute. Wenn ihr sehen dürft, wie Skyler [eine männliche Figur im Film] und ich uns küssen, dann dürft ihr auch sehen, wie Kaitlyn und Diana sich küssen.“

Verärgert reagierte auch Olivia Wilde, die als bisexuelle Ärztin Thirteen in Dr. House bekannt wurde und mit Booksmart ihr Debüt als Regisseurin gab: „Es ist so ein wesentlicher Teil des Wegs dieser Figur, ich kann’s nicht verstehen. Es bricht mir das Herz. Filme sollten nicht zensiert* werden, vor allem nicht in Flugzeugen.“

Nachdem sie die Airline-Version ihres Films gesehen hatte, ergänzte Wilde auf Twitter, dass unter anderem auch eine weibliche Masturbationsszene und zwei nackte Barbiepuppten (ohne Genitalien!) und das Wort „Vagina“ rausgeschnitten wurden, während „jedes ‚fuck‘ laut und deutlich zu hören ist.“

Delta verspricht Besserung

Die US-Airline Delta äußerte sich als einzige der drei Fluglinien öffentlich dazu. Man beziehe die Bordkino-Versionen von externen Firmen, hieß es in einem Statement, und habe nicht darum gebeten, „homosexuelle Inhalte“ rauszuschneiden. „Wir arbeiten daran, dass das nicht wieder passiert.“

Zu diesem Zeitpunkt war bekannt geworden, dass auch in der Delta-Version des Elton John-Biopics Rocketman fast jede schwule Referenz fehlte. „Was sagt das aus, wenn eine Szene, in der John Reid Elton verprügelt, drin bleiben durfte, während jeder Hinweis auf Intimität zwischen ihnen oder zwischen Elton und anderen Männern rausgenommen wurde?“, fragte eine ärgerliche Passagierin auf Twitter.

Die Fluggesellschaft versprach inzwischen, in Zukunft die Originalversionen der beiden Filme zu zeigen, und bekräftigte gegenüber der Webseite Pink News: „Diversität und Inklusion sind Teil unserer Kultur und unserer Mission, und wir werden die Prozesse überprüfen, um sicher zu gehen, dass geschnittener Video-Content diesen Werten nicht widerspricht.“

Delta kennt das Problem schon seit Jahren

Allerdings war das nicht das erste Mal, dass Delta einen enthomosexualisierten Film damit entschuldigte, ihn eben in dieser Form geliefert bekommen zu haben (wir berichteten): Auch ihre Bordkino-Version des Lesbendramas Carol geriet 2016 in die Kritik, weil sie keinen einzigen Kuss zwischen Carol und Therese zeigte. Und es sind nicht nur Fluglinien aus besonders prüden oder sittenstrengen Ländern: Auch Air Berlin zeigte 2016 einen lesbischen Kuss im Film The Royal Tenenbaums nur verpixelt.

Schon damals äußerten wir die Hoffnung, dass Airlines „in Zukunft gezielt Filme mit unzensierten lesbischen Küssen ins Programm nehmen. Denn wer uns als Fluggäste will, sollte sich auch ein bisschen für uns ins Zeug legen!“ Drei Jahre später hat sich hier offensichtlich nicht viel getan. Da heißt es: Augen offen halten und falsch verstandene „Familienfreundlichkeit“ über den Wolken weiterhin öffentlich machen!

* Wilde verwendet hier das Wort Zensur falsch: Als „Zensur“ gilt ausschließlich ein staatliches/ gesetztliches Verbot von Inhalten.

 

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