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Uganda: Wahlkampf mit Androhung der Todesstrafe für Homosexuelle

In der Vorwahlzeit leben queere Menschen in Uganda besonders gefährlich: Politiker kriminalisieren Homosexualität auch aus strategischen Gründen und heizen die homophobe Stimmung an. LGBTQ-Aktivist*innen fordern informierte Solidarität statt Medienhype.

Chris Beckett/ CC-BY-NC-ND LGBTQ-Aktivist*innen aus Uganda beim London Pride 2016

Von Leila van Rinsum

22.10.2019 - Die Aufregung war groß, als Ugandas Ethikminister Simon Lokodo am 10. Oktober verkündete, das berüchtigte Anti-Homosexuellen-Gesetz ins Parlament zurückzubringen und damit die Todesstrafe einzuführen.

„Der bisherige Strafparagraf ist nicht zufriedenstellend. Er kriminalisiert lediglich die Handlung“, sagte Lokodo dem ugandischen Fernsehsender NTV. Doch es sei schwierig Leute dabei in ihren Häusern zu erwischen, so Lokodo. Darum wolle er „alles wie Rekrutierung, Förderung und Vorführung“ kriminalisieren.

Wie in anderen Strafparagrafen, die von den Briten während der Kolonialzeit eingeführt wurden, steht in der ehemaligen britischen Kolonie Uganda der „unnatürliche“ Sex zwischen Männern - und seit 2000 auch zwischen Frauen - unter Strafe und kann mit bis zu l4 Jahren Haft geahndet werden.

Politik und Kirche fordern seit 2013 Verschärfung des Gesetzes

Bereits 2013 forderten Politiker mit Unterstützung von Religionsführern, die wiederum von christlichen Fundamentalisten aus den USA finanziert wurden, eine Verschärfung des Gesetzes und die Todesstrafe für Homosexuelle, Mitwisser oder Personen, die Homosexualität „fördern“.

Nur durch unermüdliche Arbeit von Aktivist*innen und mit internationaler Unterstützung wurde die Todesstrafe gestrichen. Ein verändertes Gesetz, das lebenslange Haft für die Förderung von Homosexualität vorsah, wurde vom Obersten Gericht wegen Formfehlern für verfassungswidrig erklärt. Danach beteuerten Politiker immer wieder, dass es eine Neuauflage geben werde.

Schafft Aufmerksamkeit, lenkt von eigenen Skandalen ab

Dabei wird die Drohung strategisch genutzt, um sich medienwirksam zu präsentieren, von politischen Skandalen abzulenken oder auf Stimmenfang für die anstehenden Wahlen 2021 zu gehen. Ethikminister Lokodo beispielsweise steht derzeit stark bei Religionsführern in der Kritik: Er plant ein Gesetz, welches die Kontrolle von Kirchen und Moscheen vorsieht, unter anderem mit Finanzprüfungen.

Ebenso können Regime-Kritiker mit dem Vorwurf, homosexuell zu sein, diskreditiert werden, das Gesetz von 2013 hätte zudem als Vorlage für ihre Inhaftierung gegolten.

Es kommt Aktivist*innen daher vertraut vor, schreiben sie in einem Statement, wie Innenminister Elly Tumwine Anfang des Monats die oppositionelle Bewegung „Red Movement“ mit Homosexuellen in Verbindung brachte.

Internationale Verurteilungen bedienen anti-westliche Sentiments

Außerdem eignen sich homophobe Äußerungen, um anti-westliche Sentiments zu erregen, denn der Westen reagiert auf dergleichen schnell mit Verurteilungen, und wie sich zeigte, kommt der Slogan „Kill the Gays“ auch in Mainstream-Medien wie Bild.de oder ProSiebens taff-Magazin an.

Derweil rufen Aktivist*innen in Uganda nationale und internationale Medien in ihrem Statement dazu auf, „keine subjektiven und sensationellen Geschichten über LGBTIQ+-Themen zu veröffentlichen.“ Denn damit spielten sie nur der strategischen Funktion homophober Äußerungen und Drohungen in die Hände.

Regierung: Gesetzesverschärftung ist derzeit nicht geplant

Diese richten sich vielmehr an Ugandas Gesellschaft, und paternalistische Hilfe aus dem Westen stellt für die LGBTIQ-Gemeinschaft vor allem in den ärmeren Gegenden erst einmal keine Hilfe da – im Gegenteil unterstützt es die verbreitete Sichtweise, dass Homosexualität westlich und gut finanziert sei. Auch Lokodo behauptete in seinem Interview, dass Politiker regelmäßig von LGBTIQ-Personen erpresst würden.

Die Regierung ruderte schnell zurück. Zwei Tage nach Lokodos Interview erklärte Regierungssprecher Ofwono Opondo in einem Tweet, dass es nicht beabsichtigt sei, ein neues Gesetz einzuführen, da die derzeitigen Bestimmungen im Strafgesetzbuch ausreichend seien. Vier Tage später bestätigte das auch der Sprecher des Präsidenten gegenüber Reuters.

„Damit werden die Massen angestachelt, uns anzugreifen“

Doch auch wenn der Gesetzesvorstoß erst einmal vom Tisch ist, sind die Auswirkungen weitreichend. „Unsere unmittelbare Angst sind körperliche Angriffe von Motorradtaxifahrern, Menschen auf dem Markt, und auch unsere Häuser sind nicht sicher. Wenn die politischen Führer weiterhin Erklärungen über den Gesetzentwurf gegen die LGBTIQ-Gemeinschaft abgeben, werden die Massen angestachelt, uns anzugreifen.“, sagt Pepe Julian Onziema von Sexual Minorities Uganda (SMUG).

Anfang des Monats wurde ein LGBTIQ-Aktivist brutal mit Macheten attackiert und ermordet. Er ist bereits das vierte Opfer homophober und transphober Gewalt in nur drei Monaten schreiben die Aktivist*innen.

Die Vorwahlzeit in Uganda ist leider wieder eine gefährliche Zeit für Queere Menschen, und Aktivist*innen und Menschrechter*innen benötigen umso mehr informierte Solidarität statt Medienhype.

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