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#PaulaHatZweiMamas: Klage lesbischer Mütter geht zum Verfassungsgericht

Im Fall eines lesbischen Frauenpaares, das um die gemeinsame Elternschaft für ihre Tochter Paula kämpft, hat das Oberlandesgericht in Celle heute entschieden, die Klage an das Bundesverfassungsgericht weiterzuleiten.

Foto: Mia Brucheisen

Von Franziska Schulteß

24.3.2021 - Verena Akkermann und Gesa C. Teichert-Akkermann haben eine gemeinsame Tochter, Paula. Doch was bislang fehlt: ihre gemeinsame Anerkennung als Eltern. Denn noch immer fehlt in Deutschland die Gleichbehandlung von Regenbogenfamilien. Dagegen wollte das Ehepaar sich juristisch wehren und klagte gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).

Zu ihrem Fall hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle heute eine Entscheidung veröffentlicht, die bahnbrechend auch für die Rechte anderer queerer Familien in Deutschland sein könnte. Die Klage des Paares hat das OLG Celle an das Bundesverfassungsgericht weitergeleitet – und klar festgestellt, dass es das geltende Abstammungsrecht für verfassungswidrig halte.

Denn wird ein Kind in eine heterosexuelle Ehe geboren, hat es automatisch zwei rechtliche Eltern. Der Ehemann wird als Vater des Kindes anerkannt – unabhängig davon, ob er der „biologische“ Vater ist. Auch eine einfache Anerkennung der Vaterschaft für unverheiratete hetero-Paare ist möglich.

Dagegen gilt das bislang in Deutschland nicht für zwei Mütter. Selbst bei verheirateten lesbischen Paaren muss das Elternteil, welches das Kind nicht geboren hat, dieses erst in einem langwierigen Prozess als „Stiefkind“ adoptieren. So auch im Fall der Akkermanns: Gesa C. Teichert-Akkermann hat die gemeinsame Tochter Paula geboren, ihre Ehefrau Verena Akkermann wird aber rechtlich nicht als zweite Mutter anerkannt.

Oberlandesgericht sieht Grundrechte verletzt

Dies verletze die Grundrechte der Eltern und des Kindes, machte das OLG Celle nun deutlich. Nach der Einführung der Ehe für Alle habe der Gesetzgeber „bewusst davon abgesehen“, auch die abstammungsrechtlichen Fragen neu zu regeln, so das Gericht in einer Pressemitteilung. An diese gesetzgeberische Entscheidung seien die Gerichte zwar gebunden und „dürften sie nicht durch ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzen“. So könne auch im Fall der Akkermanns der Ehefrau nicht einfach, analog zum Ehemann, die zweite Elternstelle zuerkannt werden. Das Gericht forderte die Bundesregierung zum Handeln auf: Man sehe klar „eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für solche ,Mit-Eltern` gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten“.

Karlsruhe ist gefragt

Konkret bedeutet das: das OLG Celle kann zwar, nach aktueller Gesetzeslage, nicht im Sinne der Akkermanns entscheiden, aber es kann den Fall aber an das Verfassungsgericht in Karlsruhe weiterleiten. Da es um verfassungsrechtliche Fragen geht, sehe sich der Zivilsenat des Oberlandesgerichtes nach dem Grundgesetz „verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorzulegen“.

Urteile des Verfassungsgerichts haben in der Vergangenheit schon mehrfach dafür gesorgt, LGBTI*-Rechte durchzusetzen, wie etwa 2017 in Bezug auf den dritten Geschlechtseintrag „divers“. Der heutige Beschluss aus Celle sei deshalb „rechtlich ein riesiger Erfolg“, findet Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die den Fall der Akkermanns begleitet. „Wir haben das Oberlandesgericht überzeugt, dass es mit den Grundrechten schlichtweg nicht vereinbar ist, dass in Paulas Geburtsurkunde nicht ihre beiden Mamas stehen.“

Gesa C. Teichert-Akkermann zeigte sich nach der heutigen Urteilsverkündung einerseits enttäuscht. „Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass Verena ab heute auch ganz offiziell die zweite Mama von Paula ist“. Andererseits sei das Ehepaar „auch stolz, dass wir die Diskriminierung von Regenbogenfamilien nach Karlsruhe gebracht haben: Ein Grundsatzurteil kann nicht nur uns drei, sondern alle betroffenen Familien endlich rechtlich absichern.“

Diskriminierung betrifft auch Eltern mit „Divers“-Eintrag

Das Urteil müsse ein Weckruf für die politisch Verantwortlichen sein, endlich das Abstammungsrecht zu reformieren. Dabei fordert Teichert-Akkermann, nicht nur Zwei-Mütter-Familien gleichzustellen, sondern auch andere Regenbogenfamilien: „Alle queeren Familien, nicht nur 2-Mütter-Familien wie wir, müssen rechtlich gleichgestellt werden.“

Denn: das Abstammungsrecht diskriminiert nicht nur Frauenpaare, die gemeinsam ein Kind haben. Auch wenn das zweite Elternteil keinen Geschlechtseintrag oder einen Eintrag als „divers“ hat, braucht es erst die Stiefkindadoption, damit beide rechtlich als Eltern anerkannt werden. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte begleitet deshalb derzeit noch ein zweites Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt: Kläger*innen sind das Ehepaar Tara E. und Tony E. Tony ist nicht-binär und hat den Geschlechtseintrag „divers“. Darüber hinaus klagen momentan noch ein paar weitere queere Paare im Rahmen der Initiative #nodoption.

Zuletzt hatte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) im August einen Reformvorschlag zum Abstammungsrecht vorgelegt, und auch das Land Berlin hat mittlerweile eine eigene Bundesratsinitiative gestartet, um das Abstammungsrecht neu zu regeln. Wann sich die Bundesregierung aber auf einen Gesetzesentwurf einigen wird, ist derzeit noch völlig unklar.

 

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