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„Verschwörung“: Lisbeth Salander - die queere Rächerin

Sie haut drauf – und das ist gut so! Der fünfte Film der „Millennium“-Reihe und die dritte Darstellerin der punkigen Hackerin lassen die Frage aufkommen: Wie viel Salander lässt sich noch ertragen? Wir sagen: Jede Menge! (Kinostart: 22. Nov.)

Sony Pictures Germany „The girl who hurts men who hurt women“ - Claire Foy, nach Noomi Rapace und Rooney Mara die dritte Lisbeth Salander

Von Hannah Geiger

20.11.2018 - Die Spannung beginnt gleich zu Anfang: Lisbeth (Claire Foy) lässt einen Banker, der Frauen quält, gekonnt von der Decke hängen und überträgt den Opfern sein Vermögen. Das Feindbild der „Frau im Spinnennetz“ (Originaltitel: The Girl in the Spider's Web) ist klar: Lisbeth zieht als Robin Hood gequälter Frauen umher und rächt sich an Männern, die Frauen misshandeln – auch aufgrund persönlicher Erfahrungen.

Das Drehbuch ist nicht besonders innovativ – eine russische Gangstergruppe („The Spiders“) sind hinter einem Computerprogramm her, das atomare Waffen auf Knopfdruck abfeuern kann. Und nachdem Lisbeth vom Entwickler des Programms beauftragt wurde, es zum Schutz der Menschheit zu löschen, kommen die Gangster ihr zuvor und entwenden es in einem nervenaufreibendem Kampf, bei dem sich Lisbeth in allerletzter Sekunde vor einer Explosion in die Badewanne retten kann (Logik ist nicht unbedingt die Stärke des Films).

Daraufhin beginnt ein Katz und Maus-Spiel zwischen Lisbeth, den Gangstern und dem schwedischen Geheimdienst, vertreten durch die Powerfrau Gabriella (Synnøve Macody Lund).

Claire Foy überzeugt als Lisbeth Salander

Zugegeben, das klingt eher wie der Abklatsch eines beliebigen Action-Movies, aber der Streifen ist dank Claire Foys überzeugender Darbietung und der schönen Inszenierung von Fede Álvarez trotzdem sehenswert. Die Landschaftsaufnahmen vermitteln ein so eindringliches Gefühl von Kälte, dass man im Kinosessel fast zu frösteln beginnt.

Dieses Motiv zieht sich wie ein vereister Faden durch den ganzen Film – die emotionale Kälte von Lisbeth, ihrer Schwester (Sylvia Hoeks), ihrem sadistischen Vater (Mikael Persbrandt) und dem Großteil der restlichen Figuren wird durch Schneelandschaften, dunkle Wälder und vereiste Straßen szenisch abgebildet.

Sony Pictures Germany Auch knallhart und nicht hetero: Geheimdienst-Direktorin Gabriella Grane (Synnøve Macody Lund)

Álvarez Ansatz - Action statt Story - gelingt

Es sind gewaltige Fußstapfen, die der Action-Thriller des urugayischen Regisseurs füllen muss. Vielleicht gerade deshalb hat sich Álvarez für einen anderen Weg entschieden und setzt nicht so sehr auf Story, sondern vielmehr auf Action. Und das gelingt.

Die Verfilmung basiert nicht, wie die anderen, auf der „Millenium-Trilogie“ des längst verstorbenen schwedischen Autors Stieg Larsson, sondern auf der Fortsetzung der Buchreihe, die der Journalist David Lagercrantz geschrieben hat.

Im Film erfährt man nicht viel über Lisbeths Vergangenheit, ihre traumatischen Erfahrungen in psychiatrischen Einrichtungen, Vergewaltigungen und Missbrauch, sondern bekommt nur die actionreiche Seite der Figur geliefert. Für frauisierte Personen gar nicht so schlecht, nicht durch verschiedene filmisch aufbereitete Szenen von sexualisierter Gewalt durch zu müssen.

Auch Lisbeths Queerness springt einer von der ersten Szene an ins Gesicht und wird durch ihre Liebhaberin, die transweibliche Schauspielerin Andreja Pejić, noch deutlicher. Die sexuelle Spannung zwischen Lisbeth und Mikael Blomkvist (Sverrir Guðnason), einem uncharismatischen Weißbrot an Mann ohne jeglichen Tiefgang, wird hingegen nur angedeutet.

Frauenpower, aber keine Frauensolidarität

Trotz so viel Frauenpower besteht Verschwörung den nach der lesbischen Comiczeichnerin Alison Bechdel benannten "Bechdel-Test", mit dem sich die Repräsentation von Frauen in Filmen nachvollziehen lässt, nur knapp. Es gibt zwar drei starke weibliche Charaktere, ihnen wird aber stets ein männlicher Gegenpart zugeschoben, und Dialoge zwischen Frauen, in denen es nicht um Männer geht, gibt es kaum.

Außerdem stehen alle drei in Konkurrenz zueinander, so etwas wie Verbundenheit und Solidarität sucht man vergeblich. Es scheint fast so, als könnten starke Frauencharaktere nur bestehen, wenn sie miteinander konkurrieren – gegenseitige Unterstützung: Fehlanzeige.

Manchmal wünscht man sich schon, die Heldin würde nicht nur an der Whiskeyflasche nuckeln, sondern auch mal herzhaft in einen Cheeseburger beißen oder ein bisschen Verletzlichkeit und Sensibilität durch den harten Panzer durchscheinen lassen – Stärke bedeutet ja nicht nur, emotional abgebrüht zu sein.

Aber weil es Lisbeth ist, wollen wir mal darüber hinwegsehen. Lisbeth haut drauf, und das ist gut so. Wenn sie dann noch mit Vollgas auf dem Motorrad über einen zugefrorenen See rast, schlägt so manches lesbisches Herz definitiv höher.

Verschwörung (The Girl in the Spider’s Web), GB/ USA/ Deutschland u.a. 2018, Regie: Fede Álvarez, mit Claire Foy, Sylvia Hoeks, Synnøve Macody Lund u.a., 117 min., Kinostart: 22. Nov.

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