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„Vor dem ersten Kuss war ich aufgeregter als vor den Sexszenen“ - Eva Maria Jost und Katharina Nesytowa von „WIR“

In der neuen ZDFneo-Serie „WIR“ spielen Eva Maria Jost und Katharina Nesytowa Jugendfreundinnen, die nach zwölf Jahren Funkstille ihre Liebe füreinander wiederentdecken. Mit L-MAG sprachen sie über ihre Rollen, intime Szenen und #ActOut.

ZDF/ Oliver Feist Katharina Nesytowa als Helena (l.) und Eva Maria Jost als Annika

Von Paula Lochte

22.9.2021 - Die ZDF-Serie WIR erzählt, wie Annika (Eva Maria Jost) und Helena (Katharina Nesytowa), die als 18-Jährige ein heimliches Paar waren, zwölf Jahre später wieder aufeinander treffen und was das mit ihnen, ihrer Lebensplanung und ihren Nächsten macht (unsere Serienkritik). Im L-MAG-Interview sprechen die beiden Schauspielerinnen über ihre Hunde, ihre Charaktere, über Sexszenen und Intimitätscoaching und die Aktion #ActOut für mehr LGBTQ-Sichtbarkeit und Diversität in Film, Fernsehen und Theater.

 

L-MAG: In WIR spielt ihr zwei Frauen, die gemeinsam aufgewachsen sind und als Abiturientinnen ein Liebespaar wurden – sich dann allerdings zwölf Jahre lang nicht gesehen haben. Wie war es, diese Mischung widersprüchlicher Gefühle zu spielen?

EVA MARIA JOST: Für Annika ist Helena die erste große Liebe. Ich musste rausfinden: Warum hat sich meine Figur dann so lange nicht bei Helena gemeldet? Denn ich selbst wäre da ganz anders. Um das zu spielen, habe ich mir eine Erklärung gebaut: Annika war krass verletzt. Sie hat sich seitdem verschlossen und vielleicht ein paar Affären gehabt, aber nie wieder richtig verliebt. Als sie sich dann wiedersehen, ist Annika überfordert. Denn davor ist sie die ganze Zeit weggelaufen.

KATHARINA NESYTOWA: Ich wiederum habe an dem Punkt rumgebohrt, warum Helena, die eigentlich ein Freigeist ist, vor zwölf Jahren niemandem sagen wollte, dass sie und Annika ein Paar sind. Warum hatte sie Angst, sich zu outen? All ihre anderen Widersprüchlichkeiten und die widersprüchlichen Signale, die sie Annika sendet, konnte ich mir mit ihrer Impulsivität erklären. Sie überlegt nicht lang, sondern macht einfach, ohne angezogene Handbremse. Was war also damals anders? Sie war noch nicht so weit. Jetzt wäre sie es – ist aber mit einem Mann zusammen.

Die Serie ist euer erstes gemeinsames Projekt. Als Annika und Helena spielt ihr eine große emotionale und körperliche Nähe. Es gibt Küsse, Sexszenen – viel Intimität. Wie habt ihr euch da herangetastet?

KATHARINA: Von Anfang an gab es ein intuitives Vertrauen zwischen uns. Wir haben auch Gemeinsamkeiten entdeckt. Zum Beispiel haben wir beide einen Hund. Meiner ist schwarz, kommt aus Portugal, liegt mir gerade gegenüber und ist größer als der von Eva.

EVA: Meiner hat dieselbe Haarfarbe wie ich: rot.

KATHARINA: Während des Drehs haben wir uns dann ganz viel Privates erzählt. Geholfen hat auch, dass wir chronologisch gedreht haben: Die Figuren haben sich immer mehr angenähert – und wir uns auch.

EVA: Lustigerweise war ich vor dem ersten Kuss viel aufgeregter als vor den Sexszenen. Denn da hatten wir dann schon diese Verbindung, sodass ich mich reinwerfen konnte. Wir hatten auch ein Intimitäts-Coaching. Das ist seit #MeToo immer verbreiteter, wenn es Liebes- oder Sexszenen gibt. Wir konnten Fragen stellen, für die beim Dreh keine Zeit ist – anstatt dass man am Set über eine Angst einfach drüber bügelt. Das hat mir krass geholfen, Unsicherheiten und Grenzen anzusprechen und war für mich körperlich der Icebreaker!

Wie lief das Coaching ab?

EVA: Wir haben erst mal ganz viel über die intimen Szenen gesprochen und auch über das Küssen, ob wir mit oder ohne Zunge küssen.

KATHARINA: Dann haben wir improvisiert, Schauspielübungen gemacht und uns beim Coaching auch in Unterwäsche aufeinandergelegt, um körperliche Nähe zu üben. Das fand ich total hilfreich, weil es mir schwerfällt, zu sagen, was für mich generell alles okay ist. Denn das kommt auf die Situation an.

EVA: Die Sexszenen waren im Drehbuch relativ explizit beschrieben und das sorgt natürlich erstmal für Druck, weil man denkt: „Das muss ich alles machen!“ Wir haben dann einfach das Drehbuch ausgeblendet und der besagten Folge die Überschrift gegeben: „Annika und Helena haben Sex“. Und wie das passiert, war dann komplett frei. Nach #ActOut in WIR diese lesbische Figur zu spielen, war ein Geschenk des Universums, das in mein E-Mail-Postfach geflattert kam. Als ich die Zusage bekam, konnte ich erst gar nicht fassen, dass es wirklich geklappt hatte.

Eva, Anfang des Jahres hast du dich im Rahmen der Aktion #ActOut geoutet und an dem Manifest beteiligt, in dem 185 Schauspieler:innen mehr Diversität in Film, Fernsehen und auf der Bühne fordern. Was hat dich dazu bewogen?

EVA: Ich finde es wichtig, dass alle Lebensrealitäten im Fernsehen miterzählt werden. Und dass man sich outen kann, ohne Angst zu haben, bestimmte Rollen nicht mehr zu bekommen. Es geht einfach nicht in meinen Kopf hinein, warum es bei Sexualität heißt: „Du musst das sein, was du spielst.“ Ich bin ja auch keine Serienmörderin, wenn ich eine Serienmörderin spiele.

#ActOut wurde kürzlich beim Deutschen Schauspielpreis geehrt. Welche Reaktionen auf die Aktion haben dich persönlich erreicht?

EVA: Es war total bewegend, so viel Zuspruch zu bekommen. Natürlich gab es auch Leute, die gesagt haben: „Ach ja, die Schauspieler. Die wollen doch nur Aufmerksamkeit und haben alle gerade keine Rolle. Schlaft doch, mit wem ihr wollt – wen interessiert’s!“

KATHARINA: Was ja schon dadurch entkräftet wird, dass homosexuelle Kollegen erzählen, dass ihnen Agenten raten, bei Premieren nicht mit ihrem Partner zu kommen.

EVA: Es wird so viel über Heterosexualität gesprochen in der Welt, in der Werbung und im Film. Überall ist sie sichtbar und wird als Reiz benutzt. Aber über Homosexualität sollen wir schweigen? Das ist doch haarsträubend!

WIR (Trailer): Staffel 1 läuft seit dem 17. Sept. in der ZDF Mediathek; jeden Freitag um 10 Uhr ist dort eine neue Folge der 12-teiligen Serie verfügbar. Ab 15. Oktober läuft WIR bei ZDFneo.

 

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