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Wann kommt Hollywood im 21. Jahrhundert an?

Im Hollywood-Kino sieht es aus wie bei einem AfD-Parteitag: männlich, weiß, hetero. Auch 2017 waren zwei Drittel aller Charaktere männlich und nur 0,7 Prozent homo- oder bisexuell. Wie sehr die "Traumfabrik" hinterherhinkt, belegt eine neue Studie.

Screenshot Trailer Charlize Theron (l.) und Sofia Boutella in "Atomic Blonde"

Von Karin Schupp

12.08.2018 - Hollywood tut sich nach wie vor schwer mit der Vielfalt. In seinen Produktionen geht es zu wie auf einem AfD-Parteitag: männlich, weiß und hetero - und es ist keine Besserung in Sicht.

Das zeigt eine neue Studie aus den USA, die sich die 100 erfolgreichsten Filme 2017 näher anschaute und den jeweiligen Top 100-Filmen der letzten zehn Jahre gegenüberstellte. Insgesamt sprechen wir also über 1100 Filme mit knapp 49.000 Charakteren. Um so ernüchternder fällt das Ergebnis aus.

Die wenigen Homo- und Bisexuellen sind meist nur Nebenfiguren

So waren 2017 nur 0,7 Prozent der Kino-Charaktere lesbisch, schwul oder bisexuell, ein Wert, der noch unter dem bisherigen traurigen Höchstwert von 2016 - 1,1 Prozent - liegt.

Nur zwei dieser 31 Charaktere waren (bisexuelle) Hauptfiguren, darunter Charlize Therons Geheimagentin in Atomic Blonde. Alle anderen waren nur Nebenrollen, die sehr häufig nichts mit der eigentlichen Filmhandlung zu tun hatten.

Abgesehen vom Lichtblick Theron musste man queere Frauen auch 2017 mit der Lupe suchen: Es waren nur dreizehn - neun lesbische und vier bisexuelle Frauen. Noch weniger sichtbar im Kino sind nur Transgender: Seit 2014 gab’s nur einen einzigen Top 100-Film mit einer Trans-Rolle.

Screenshot Trailer Auch wenn es keine Hauptrolle war, tat Ruby Rose als Adele in "xXx: The Return of Xander Cage" etwas für die lesbische Sichtbarkeit

Männer sind im Kino stark überrepräsentiert

Es wundert nicht, dass Schwule das Bild dominieren, denn Männer sind im Mainstream-Kino insgesamt stark überrepräsentiert: Seit 2007 gingen über zwei Drittel (69,4 Prozent) aller Sprechrollen an Männer und nur 30,6 Prozent an Frauen – obwohl Frauen knapp über die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Und auch  trotz Wonder Woman, Pitch Perfect 3 und Girls' Night Out lag der Frauenanteil auch 2017 mit 31,8 Prozent nur knapp über dem Durchschnittswert der letzten zehn Jahre.

Das Missverhältnis erklärt sich unter anderem dadurch, dass Schauspielerinnen in Genres jenseits von Romantic Comedies viel seltener besetzt werden – so bekommen sie nur 23 Prozent der Rollen in Actionfilmen - und viel schneller als Männer als „zu alt“ gelten: Betrachtet man nur die Filmcharaktere über 40, steigt der Männeranteil auf 75 Prozent!

Frauen in Hollywood müssen also jung und attraktiv sein und – das wundert nun gar nicht mehr – viel häufiger als Männer in sexy Outfits auftreten und nackte Haut zeigen.

Ein weiteres Ergebnis: Auch Behinderte und nichtweiße Ethnien, vor allem Latinos, sind im Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Anzahl im Kino deutlich unterrepräsentiert.

„Wir sehen über mehrere Jahre hinweg keinen Trend nach unten oder oben, der auf gezielte Bemühungen hindeutet, inklusiver zu sein“, kommentierte Stacy L. Smith, eine der Autorinnen der Studie, im Hollywood Reporter.

Macall Polay/ Sony Vorbildlich: In "Girls Night Out" von Lucia Aniello (Regie/ Drehbuch) gibt es fünf weibliche Hauptfiguren, zwei davon sind bisexuell (Ilana Glazer und Zoe Kravitz) - und eine hat Sex mit Demi Moore

Mehr Regisseurinnen bedeuten einen weiblicheren Blick

Hier lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen, denn dort beginnt die Misere: Regie, Produktion und Drehbuch liegen nämlich ganz überwiegend in der Hand von Männern und Weißen.

So saßen nur bei acht (7,3 %) der 100 Filmhits des letzten Jahres Frauen auf dem Regiestuhl, im gesamten Zeitraum 2007-2017 waren es nur 43 Regisseurinnen (4,3 %) – und 1180 Männer!

Und während männlichen Regisseure nach einem Top 100-Erfolg meist schnell den nächsten Auftrag kriegen, sieht das für die Frauen anders aus: 36 Regisseurinnen drehten in diesem Zeitraum nur einen Film, nur zwei von ihnen kamen auf drei bzw. vier Filme.

Darunter haben wir alle zu leiden, denn nachgewiesenermaßen stehen in Filmen, bei denen Frauen Regie führen, auch mehr Frauen vor der Kamera als bei Männern (43% vs. 31%).

Warner Bros. Spielte weltweit sensationelle 822 Mio. Dollar ein - "Wonder Woman" von Patty Jenkins

Die "Wir machen es wie immer"-Strategie ist keine sichere Nummer

Bei den Art House- und Independent-Produktionen mag die Lage ein bisschen besser aussehen, dennoch ist der Blick auf die Top 100-Blockbuster besonders wichtig, denn sie sind es, die das breite Mainstream-Publikum in den Multiplex-Kinos erreichen und damit die gesellschaftliche Wahrnehmung viel stärker prägen als die kleineren Filme, die häufig nur in Großstädten und auf wenigen Leinwänden gezeigt werden.

Klar, für die Hollywood-Studios geht es bei ihren Großproduktionen um so viel Geld, dass sie kein Risiko eingehen und niemanden „abschrecken“ wollen. Aber inzwischen dürfte doch klar sein, dass die „Wir-machen-es-wie-immer-da-weiß-man-was-man-hat“-Strategie längst nicht mehr nicht die sichere Nummer ist.

Erfolgreiche Film-Heldinnen sind keine überraschenden Ausnahmen

Bei Kino-Hits wie Wonder Woman mit Gal Gadot (Platz 3 der Kino-Hits 2017!), Atomic Blonde, Der Tribute von Panem-Reihe mit Jennifer Lawrence oder zuletzt Ocean’s Eight mit seinem rein weiblichen Cast sollte Hollywood doch allmählich gelernt haben, dass es sich hier nicht um eine immer wieder neu überraschende Ausnahme von der Regel handelt und der Erfolg eines Films nicht davon abhängt, dass weiße Heteromänner die Helden sind - im Gegenteil!

Und wer weiß: Am Ende lässt sich mit Filmen, die aus dem klassischem Muster ausbrechen und nicht nur auf die immer gleiche, gut abgegraste Zielgruppe (vermeintlich) zugeschnitten sind, sogar noch mehr Geld verdienen (das ist ja die einzige Sprache, die Hollywood versteht!). Hoffentlich dauert es nicht mehr lange, bis wir den Kopf darüber schütteln können, wie lange die Studios für diese simple Erkenntnis gebraucht haben!

Die Studie der USC Annenberg, „Inequality in 1100 Popular Films. Examining Portrayals of Gender, Race/Ethnicity, LGBT & Disability from 2007 to 2017“, steht hier als PDF.

Bei uns weiterlesen: "LGBTQ-Quote gegen Hetero-Hollywood? - So wenige LGBTQ-Charaktere wie 2017 gab's im US-Kino schon lange nicht mehr"steht hier.

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