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Wenn Lesben eine Reise tun...

… dann weiß man darüber wenig: Für die Tourismus-Branche sind wir nämlich unsichtbar. Das will eine Studentin aus Trier ändern und befragte 1000 Lesben nach ihren Urlaubsmotiven, Lieblingszielen und wichtigsten Kriterien. Wir stellen die Ergebnisse vor.

Pixabay/ PD

Von Karin Schupp

l-mag.de, 6.3.2017 - Im Tourismus-Marketing steht die LGBT-Zielgruppe zurzeit hoch im Kurs. Immer mehr Länder und Städte nehmen den „Pink Dollar“ ins Visier - denken dabei aber meistens nur an Schwule, während Lesben entweder komplett ignoriert werden oder sich von der Werbung irgendwie „mitgemeint“ fühlen müssen. 

Katia Schuhmacher gibt der lesbischen Urlauberin nun zum ersten Mal ein Gesicht. Für ihre Masterarbeit an der Uni Trier untersuchte sie erstmals das lesbische Reiseverhalten in Deutschland und stieß zumindest auf Lesben-Seite auf hohes Interesse: An ihrer Online-Befragung im Frühjahr 2016 beteiligten sich 1003 Frauen, darunter auch viele L-MAG-Leserinnen, die nach einem Facebook-Aufruf teilnahmen.

Die Ergebnisse, die L-MAG nun zur Verfügung stehen, zeigen: Lesben verreisen – wenig überraschend – gar nicht so viel anders als Heteros (aber: auch das muss den Vermarktern eben einmal gesagt werden!), haben zusätzlich jedoch bestimmte Wünsche und Bedürfnisse.

Lesben sind reisefreudig und mögen Kurztrips

Lesben sind am liebsten mit Partnerin oder Familie unterwegs und machen im Durchschnitt 2 Urlaubs- und 2,7 Kurzreisen im Jahr. Damit verreisen sie nur knapp seltener als der deutsche Durchschnitt (76,9% vs. 78,6%) und machen deutlich häufiger Kurztrips (77,4% vs. 43,4%).

Zeit mit der/ den Liebsten, Ruhe, Entspannung, Sonne, andere Städte und Kulturen kennen lernen: Bei ihren Urlaubsmotiven unterscheiden sich Lesben wohl kaum von den Heteros. Nach Sex und Dating suchen die wenigstens (oder geben es zumindest nicht zu…), auch wenn sie Flirts und neuen Bekanntschaften nicht abgeneigt sind.

Insofern stehen Städtereisen (63,3%) und Sonnen-/Strandurlaube (58,2%) an erster Stelle, knapp die Hälfte entspricht dem Lesben-Klischee der zünftigen „Wander- und Natururlauberin“, Abenteuer und Rundreisen mag jeweils ein knappes Drittel. Am unteren Ende der Liste: Kreuzfahrten (6,3%) und Sexurlaube (0,4%; Mehrfachnennungen waren möglich).

Sonne, Strand und Großstädte am beliebtesten

Bei Kurztrips bleibt man lieber in der Nähe: Deutschland, Österreich und die Niederlande sind hier die Top3-Reiseländer. Für größere Reisen sind Italien und Spanien, vor allem die Kanarischen Inseln, die Lieblingsziele.

Spezielle lesbische Destinationen, wie sie die Schwulen etwa mit Ibiza und Mykonos haben, gibt es allerdings keine – auch Lesbos ist das entgegen aller Klischees nicht.

Zahlen aus: Katia Schuhmacher, Reiseverhalten lesbischer Touristinnen, Uni Trier, n=1003 (Mehrfachnennungen möglich)

Daneben zieht es die Lesben in "gay-friendly" Großstädte. Die Top 3 in Deutschland: Berlin, Köln und – mit etwas Abstand – Hamburg. Im europäischen Ausland führen Amsterdam, London und Barcelona die Hitliste an, außerhalb Europas liegen San Francisco und New York vorne.

Beliebt sind auch Trips zu CSD und Lesbenparties, lesbische Events im Ausland werden bisher allerdings noch recht selten gebucht.

Und die Traum-Urlaubsziele der Lesben? Da führen USA, Schweden und Neuseeland die Hitliste an.

"Gay-friendly" ist sehr wichtig

Bei der Wahl der Unterkunft entscheiden vor allem Preis und Lage – und weniger die LGBT-Infrastruktur oder „gay-only“-Unterkünfte.

Das Kriterium "gay-friendly" ist jedoch für die Hälfte der Befragten (sehr) wichtig, etwa jede Vierte hat sich schon einmal aus diesem Grund für eine Unterkunft entschieden, und knapp die Hälfte ist bereit, dafür auch mehr zu bezahlen.

Und was genau ist mit „gay-friendly“ gemeint? Hier steht an erster Stelle, dass sich das Personl respektvoll, tolerant und nicht ignorant verhält. Gewürdigt wird auch, wenn Informationen für lesbische Gäste bereitliegen.

Schutz vor Homophobie

Was Lesben im Urlaub noch sehr wichtig ist: Sicherheit. Und das bedeutet nicht nur Sicherheit im allgemeinen, sondern auch Schutz vor Homophobie. Diskriminierungserfahrungen, als Lesbe oder auch als Frau, machte knapp eine von sieben Befragten schon einmal – und das durchaus auch in liberalen, westlichen Ländern. „Homophobe Verhaltensweisen sind nicht landesabhängig“, hält Katia Schuhmacher hierzu fest.

Länder, in denen Homosexualität bestraft wird, sind naturgemäß unbeliebt: Zwei Drittel der Befragten meiden solche Reiseziele. Allerdings: Nur 30% lehnen sie ohne Wenn und Aber ab, während die anderen ihre Entscheidung „kontext- und situationsabhängig“ treffen, unter gewissen Umständen also ihren Urlaub dort verbringen würden.

Dazu passt auch, dass es den meisten lesbischen Reisenden zwar wichtig ist, ihre sexuelle Orientierung (auch) im Urlaub nicht verstecken zu müssen, sie zum Teil aber doch dazu bereit sind, sich anzupassen und sich öffentlich nicht als Frauenpaar zu erkennen zu geben.

Reise-Anbieter: Wenig Wissen und Verständnis für die Zielgruppe

Obwohl Lesben sehr reiseaffin sind und die Mehrheit Interesse an lesbenspezifischen Produkten und Dienstleistungen äußert, hat die Tourismus-Branche bisher noch nicht darauf reagiert.

„Leider wird die Angebotsseite der Nachfrageseite in keiner Weise gerecht, und es gibt noch zu wenige Anbieter, die sich trauen in einen lesbischen Reisemarkt zu investieren, obwohl Potenzial besteht“, so Katia Schuhmacher gegenüber L-MAG. Und, so fügt sie im Fazit ihrer Studie hinzu: „Nur ganz wenige Akteure hinterlassen den Eindruck, Wissen über und Verständnis für die Besonderheiten der Zielgruppe zu haben. Vor allem Mainstream-Unternehmen oder Akteure auf dem schwul-lesbischen Markt müssen den Wünschen und Bedürfnissen lesbischer Frauen mehr Beachtung schenken.“

Für Rückfragen hat Katia Schuhmacher eine E-Mail-Adresse eingerichtet.

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