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Wer ist das Q in LGBTQ?

Modewort, politischer Begriff oder eine eigene sexuelle Identität? Eine US-Studie schaute sich die Menschen genauer an, die sich als „queer“ identifizieren. Die wichtigste Erkenntnis: Die große Mehrheit ist jung und weiblich.

Philippe Leroyer/ CC-BY-NC-ND

Von Karin Schupp

19.2.2020 - Das englische Wort „queer“ – es bedeutet „von der Norm abweichend“ - hat eine lange Karriere hinter sich: Von der abfälligen Bezeichung für Homosexuelle gilt „queer“ seit den 80er und 90er Jahren als selbstbewusste Selbstbezeichnung, anfangs vor allem als politische Verortung, die sich auf mehr als nur gleichgeschlechtlichen Sex bezieht, heute aber auch als Überbegriff für alle nichtheterosexuellen Sexualitäten, die nicht eindeutig schwul oder lesbisch sind, und inzwischen oft auch schlicht als Synonym zu „lesbisch“ oder „schwul“.

Ein Forschungsteam der UCLA School of Law hat sich nun erstmals angeschaut, wer sich in den USA als „queer“ identifiziert und hierzu die Daten von LGBTQ+-Menschen im Alter von 18-59 Jahren ausgewertet.

Mindestens 6 Prozent der LGBTQ+-Community sind „queer“

Die weitaus meisten Befragten identifizierten sich mit den klassischen Begriffen „lesbisch/ schwul“ (47%) bzw. „bisexuell“ (rund 40%), 6 % als „queer“ und 7 % als etwas anderes (z.B. „pansexuell“, „asexuell“).

„Queere Personen machen einen erheblichen Anteil an den sexuellen Minderheiten aus“, hält der Studienbericht fest, und wenn man bedenkt, dass die Daten aus den Jahren 2016/ 2017 stammen, kann man wohl davon ausgehen, dass ihre Zahl inzwischen weiter gestiegen ist.

Vor allem in zwei Merkmalen unterscheiden sich queere Menschen von den anderen sexuellen Minderheiten: Geschlecht/ Gender und Alter. Wer sich als „queer“ identifiziert, ist meistens jung und weiblich bzw. als Frau geboren worden und jetzt nichtbinär/ genderqueer.

Die meisten „Queers“ sind junge Frauen unter 25

Frauen identifizieren sich sehr viel häufiger als „queer“ als Männer: 83% der queeren Befragten wurden mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren, 56% bezeichneten sich als „cis Frau“ – nur 10% als „cis Mann“.

Über ein Drittel (34%) bezeichnete sich als „nichtbinär“ oder „genderqueer“, auch hier ganz überwiegend Menschen, die als Frau geboren wurden. Lesben, Schwule und Bisexuelle hingegen gaben in dieser Untersuchung viel seltener an „genderqueer/ nonbinär“ zu sein.

Wer queer ist, ist jung: 76% der derjenigen, die sich als „queer“ identifizieren, waren zwischen 18 und 25 Jahren alt, nur 2 % kamen aus der ältesten Altersgruppe (52-59 Jahre).

Queere Menschen sind sexuell offener

Queere cis Frauen fühlen sich am stärksten von anderen cis Frauen angezogen, sind aber häufiger als andere Befragtengruppen auch offen für trans, genderqueere/ nonbinäre Menschen.

Fast zwei Drittel (62%) fühlten sich von cis und trans Frauen angezogen (während das nur 20% der Lesben und 38% der bisexuellen Frauen sagten), und sie hatten auch schon häufiger trans Sexualpartner_innen (männlich oder weiblich) als die anderen LGBTQ+-Untergruppen.

Queere Männer waren zweigeteilt: Über die Hälfte (53%) fühlte sich ausschließlich zu Männern hingezogen, 47% zu Männern und Frauen. Die Mehrheit allerdings hatte bisher nur mit Männern Sex.

Queere Männer haben am ehesten auch Sex mit trans Männern

Von allen LGBTQ+ waren queere Männer diejenigen, die am offensten (72%) für trans Männer waren (nicht hingegen für trans Frauen) und am häufigsten von zurückliegenden Sexualkontakten mit trans Männern berichteten (30%).

Genderqueere and Nichtbinäre fühlten sich häufiger als cis Menschen sowohl von cis als von trans Frauen und Männern angezogen, auch wenn sie in der Praxis überwiegend mit cis Menschen zusammen waren.

„Eine queere Identität scheint mit einer größeren Offenheit für Partner_innen aller Genderidentitäten einher zu gehen“, schlussfolgert die Studie. „Einige junge Menschen erleben sie wohl als eine Identität, die fluider als ‚lesbisch‘ und ‚schwul‘ ist.“

Queere Menschen in den USA sind höher gebildet

Interessant ist auch, dass queere Menschen in den USA eher höher gebildet. So hatten 39% der queeren Befragten einen College- oder Uni-Abschluss, bei den Lesben/ Schwulen waren es 32%, bei den Bisexuellen nur 17% und den anderen sexuellen Minderheiten 25%.

Wie politisch queere Menschen ihre Selbstbezeichnung verwenden, war leider nicht Teil der Studie.

„Die Erkenntnisse aus dieser ein paar Jahre alten Befragung sollten nicht verwendet werden, um die Definition von ‚queer‘ oder anderen Begriffen abzuschließen“, betonen die Autor_innen in ihrem Bericht. Aus ihrer Studie lasse sich nur die Vermutung ableiten, dass „queer“ tatsächlich nicht nur ein Modewort sei, sondern für eine eigene sexuelle Identität stehe könne. Aber: „Um diese Gruppe ganz zu verstehen, ist weitere Forschung nötig.“ Das könnte dann auch die Frage betreffen, ob sich die US-Ergebnisse auch auf Deutschland übertragen lassen.

Shoshana K. Goldberg, Esther D. Rothblum, Stephen T. Russell, and Ilan H. Meyer: Exploring the Q in LGBTQ: Demographic characteristic and sexuality of queer people in a U.S. representative sample of sexual minorities. In: Psychology of Sexual Orientation and Gender Diversity, 2019

 

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