L-Mag

Wieso haben lesbische Ehen ein höheres Scheidungsrisiko?

Eine Studie aus Finnland fand heraus, dass die Scheidungswahrscheinlichkeit von lesbischen Ehen mehr als doppelt so hoch ist wie bei Hetero-Ehen. Aber wieso? Die Suche nach Gründen zeigt: Die Forschung steht noch am Anfang.

Canva

Von Karin Schupp

3.11.2025 - Alle kennen den Witz, dass Lesben zum ersten Date den Umzugswagen mitbringen, sich also schnell eng binden und früh zusammenziehen. Aber halten diese lesbische Beziehungen bzw. Ehen dann auch länger als schwule oder heterosexuelle? Das fragte sich ein finnisches Forscher:innen-Team und kam zu einem ernüchternden Ergebnis. 

In ihrer Studie fanden sie heraus, dass lesbische Ehepaare in Finnland ein höheres Scheidungsrisiko als verheiratete Schwule und Heteros haben. Und auch in Schweden, Norwegen, Dänemark, den USA und Kanada sei dies der Fall, heißt es in dem Aufsatz, der im Journal of Marriage and Family veröffentlicht wurde.

Die Forscher:innen der Universität von Helsinki analysierten hierfür die Daten von rund 3.400 Frauen- und 1.900 Männerpaaren, die zwischen 2003 und 2020 in Finnland geheiratet bzw. - bis 2017 - eine eingetragene Partnerschaft eingegangen waren, und verglichen sie mit über 450.000 Hetero-Ehepaaren aus demselben Zeitraum.

Lesbische Ehe zerbrechen mehr als doppelt so häufig wie Hetero-Ehen

Das Ergebnis: Innerhalb von zehn Jahren nach der Hochzeit hatten sich 41 Prozent der lesbischen Paare scheiden lassen, während nur 27 Prozent der schwulen und 22 Prozent der heterosexuellen Ehen zerbrachen.

Nach Bereinigung der Daten um Alter, Bildung und Nationalität zeigte sich, dass die Scheidungswahrscheinlichkeit bei weiblichen Paaren immer noch mehr als doppelt so hoch war wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren und etwa 20 Prozent höher als bei männlichen Paaren.

Aber warum ist das so? Auf der Suche nach Gründen untersuchte das Forschungsteam, ob es einen Zusammenhang mit der Dauer des Zusammenlebens vor der Hochzeit, dem Vorhandensein von Kindern aus früheren Beziehungen oder Geburten innerhalb der Partnerschaft gibt.

Die Dauer des Zusammenleben vor der Ehe spielt eine kleine Rolle 

Die Dauer des Zusammenlebens vor der Ehe hat bei gleichgeschlechtlichen Paaren einen größeren Einfluss als bei Heteros: Wer etwa schon sieben oder mehr Jahre vor der Hochzeit zusammenlebte, ließ sich viel seltener scheiden als Frauen- oder Männerpaare, die zuvor für einen kürzeren Zeitraum zusammengelebt hatten.

Und die untersuchten Frauenpaare hatten im Durchschnitt schon nach einer kürzeren Phase des Zusammenlebens geheiratet als schwule und gegengeschlechtliche Paare. Aber: „Die Rolle, die dies für ihr höheres Scheidungsrisiko spielt, war geringer, als ich erwartet hatte“, erklärte die Studien-Autorin Maria Elina Ponkilainen gegenüber PsyPost.

Erhöhen Kinder das Scheidungsrisiko? 

Und wie ist mit Kindern aus früheren Beziehungen? Ja, sie erhöhen das Scheidungsrisiko, fanden die Forscher:innen raus, doch auch hier gibt es ein Aber: Bei Frauen-Paaren ist der Einfluss geringer als bei Hetero-Paaren.

Anders ist es bei gemeinsamen Kindern, die in die Ehe hineingeboren wurden: Sie verringern tendenziell das Scheidungsrisiko - hier jedoch eher bei heterosexuellen als bei lesbischen Paaren, wie Ponkilainens Team überrascht feststellte. Eigentlich hatten sie erwartet, dass die gemeinsame Elternschaft für Frauenpaare besonders stabilisierend wirkt, da sie sich doch sehr bewusst für ein Kind entscheiden und viel Aufwand in die Familiengründung investieren.

So einfach machen es die Lesben der Forschung halt nicht!

Diese drei Faktoren reichen also nicht aus, um das höhere Scheidungsrisiko von lesbischen Ehepaaren zu erklären - so einfach machen es die Lesben der Forschung halt nicht! Ponkilainen vermutet eher „ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren“, die ihrem Team nicht zur Verfügung standen, wie etwa „frühere Beziehungserfahrungen als auch Merkmale der aktuellen Partnerschaft.“ Ihre Studie ist also nur ein erster Schritt und lenkt den Scheinwerfer auf eine bisher unbeachtete Leerstelle der Forschung.

Dies gilt auch für Deutschland, wo es 2024 rund 50.000 Ehen und 10.000 eingetragene Partnerschaften zwischen zwei Frauen gab. Hierzulande werden die Scheidungszahlen gleichgeschlechtlicher Ehen nicht systematisch und nach Männern und Frauen getrennt ausgewiesen. Lediglich Bayern teilte 2022 mit, dass dort im Vorjahr 61 Ehen zwischen Frauen und 48 Ehen zwischen Männern geschieden wurden.

Die Studie „Same-Sex and Different-Sex Couples’ Divorce Risks: The Role of Cohabitation and Childbearing” (dt.: Scheidungsrisiken bei gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechtlichen Paaren: Die Rolle des Zusammenlebens und der Kindererziehung) steht hier.

 

Die aktuelle Ausgabe der L-MAG  erhältlich am Kiosk, im Abo, als e-Paper und bei Readly.

Aktuelles Heft

Liebe jenseits von Schubladen

L-MAG sprach mit Paaren, die ihre Unterschiedlichkeit feiern. Eine Titelstory von Age Gap über Schmetterlinge in Shanghai bis zum Butch-Femme Paar.
Ein Gastbeitrag der EuroCentralAsian Lesbian* Community und Artikel über Aktivist:innen in Polen und Namibia sind politische Schwerpunkte.
Hier abonnieren!



Aktuelles Heft

Zimmer, Küche, Butch - Queerer Wohnen

Vom WG bis Hausprojekt - wie wollen wir leben? Plötzlich hetero: JoJo Siwa, Fletcher, Billie Eilish, Interviews mit Aygyul (Cover) und Karin Hanczewski, Reisen: Lesbos, Thailand, Mexiko-Stadt, Zürich, warum sind Altersunterchiede im lesbischen Kino so präsent? Und wie immer: viele Film-, Musik- & Buchtipps und vieles mehr! Hier abonnieren!




Bleibt out und proud!

 

Nur mit euch, unseren Leser:innen und online-Nutzer:innen, bekommen wir das hin! Helft uns, damit wir diese Zeiten durchstehen, die in politischer wie finanzieller Hinsicht nicht einfach sind. Journalismus, der nicht nur in Social Media Bubbles stattfindet, unabhängig ist und dialogbereit bleibt, hat es zunehmend schwer.

Unterstützt unsere Arbeit!

Vielen Dank!
Euer L-MAG-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!

Bleibt out und proud!

 

Nur mit euch, unseren Leser:innen und online-Nutzer:innen, bekommen wir das hin! Helft uns, damit wir diese Zeiten durchstehen, die in politischer wie finanzieller Hinsicht nicht einfach sind. Journalismus, der nicht nur in Social Media Bubbles stattfindet, unabhängig ist und dialogbereit bleibt, hat es zunehmend schwer.

Unterstützt unsere Arbeit!

Vielen Dank!
Euer L-MAG-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!
x