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WorldPride in Sydney: Dykes on Bikes, First Nation und eine regenbogenfarbene Stadt

Party, Kommerz, Politik: Die Mardi Gras-Parade, mit der Sydney heute die CSD-Saison eröffnet, ist in diesem Jahr auch der erste WorldPride in der südlichen Hemisphäre. L-MAG-Reporterin Dana Müller hat sich unter die Feiernden gemischt und berichtet live.

Dana Müller World Pride in Sydney am 25. Feb. 2023

Von Dana Müller, Sydney

25.2.2023 - „Wir haben die Welt zu uns eingeladen“, freut sich Sydneys Oberbürgermeisterin Clover Moore. Und in der Tat es ist ein CSD der Superlative: 500.000 Menschen, über 300 Events, und allein 78.000 Gäste von außerhalb erwartet die Stadt in diesem Jahr zum Mardi Gras, wie der CSD hier heißt.

Während in Deutschland die Pride-Season erst in der Mitte des Jahres beginnt, läutet Australien jedes Jahr schon im Februar die sichtbarste Zeit für die LGBTQ-Community ein. „Dieses Festival sagt der Welt: Ihr werdet gesehen, gehört, respektiert und geliebt!“, freut sich Kate Wickett, CEO vom WorldPride in Sydney.

Australien ist nicht schon immer queerfreundlich

Der erste Marsch für die Rechte von Homosexuellen zog einst auch in Down Under im Frühsommer durch die Straßen. So wagte sich am 24. Juni 1978 erstmals (inspiriert von der Bewegung in den USA) eine kleine Gruppe Aktivist:innen singend, tanzend und hüpfend Richtung Hyde Park. Obwohl es zu insgesamt 53 gewaltsamen Verhaftungen kam, wuchs die Bewegung rasant. Bereits ein Jahr später versammelten sich 3.000 Demonstrierende in der Innenstadt, um für die Rechte von LGBTQ zu demonstrieren.

„Die 70er in Australien waren extrem homophob. Damals war es hier illegal homosexuell zu sein. Für schwulen Sex konnten die Männer bis zu 14 Jahre ins Gefangnis gehen. Es war einfach furchtbar“, erinnert sich Kate Rowe. Die heute 78-Jährige ist Demonstrantin der ersten Stunde. „Schon damals sollte es eigentlich eine fröhliche Parade werden, genau wie Mardi Gras, aber die Polizei wollte das nicht. Deshalb haben sie uns umzingelt, einzeln rausgezogen und geschlagen… Ich wurde auch rausgezogen.“

Dana Müller Eine Einhörner-Herde war auch dabei...

Die ganze Stadt ist in Regenbogenfarben getaucht

Heute hingegen feiert Sydney die 45. Parade mit einem zweiwöchigen Programm und American Express als Hauptsponsor. Auch andere internationale Großkonzerne wie Booking.com, Google Australia, Tik Tok und Meta (Facebook und Instagram) sind mit an Bord. Die ganze Stadt ist in Regenbogenfarben getaucht. Bäckereien, Cafés, Klamottenläden, Apotheken - alle nutzen die bunte Zeit, um den Umsatz dank nationaler und internationaler Touris zu steigern. Sogar das berühmte Opernhaus von Sydney wurde für eine Nacht mit der Progress Pride Flag (Regenbogen-Fahne plus Trans und BPoC) beleuchtet.

Organisatorin Kate Wickett ist stolz: „Das alles ist ein Zeichen, wie sehr sich die Dinge geändert haben seit dem ersten Mardi Gras 1978. Nun kommen Geschäfte, Organisationen und Institutionen in ganz Sydney zusammen, um ein sichtbares Zeichen für ihre Unterstützung der LGBTQIA+-Community zu setzen.“

WorldPride zum 5-jährigen Jubiläum der Eheöffnung

Auch Oberbürgermeisterin Moore ist begeistert und erzählt: „Jahrzehntelang habe ich mich für die Gleichberechtigung der LGBTIQA+Communitys eingesetzt. Einschließlich 2017, als wir endlich die gleichen Rechte auf Eheschließung in Australien erreicht haben.“

Zum 5-jährigen Jubiläum der Eheöffnung findet nun der WorldPride zum ersten Mal in der südlichen Hemisphäre statt. „Das ist eine einmalige Chance für Sydney“, freut sich auch Tourismusminister Ben Franklin. Internationale Events wie der WorldPride geben Sydney die Möglichkeit sich als nationale Hauptstadt der Großevents zu präsentieren und sind der zentrale Schlüssel in unserer Vision, New South Wales zu dem bedeutendsten touristischen Ziel im gesamten Asien-Pazifikraum zu machen.“

Dana Müller Angeführt wird die Parade wie immer von den Dykes on Bikes

Parade und Partys gehen ordentlich ins Geld

Seit 2000 wird der Titel WorldPride in unregelmäßigen Abständen von der internationalen LGBTQ-Organisation InterPride verliehen. So fand der letzte weltweite CSD 2019 anlässlich des 50. Jahrestages von Stonewall in New York statt.

Am 25. Februar ist es nun in Down Under soweit: Seit 19 Uhr (MEZ: 9 Uhr)  tanzen auf der Oxford Street rund 12.500 Leute mit über 200 Trucks in der Parade und – seit 1991 - vorneweg die legendären „Dykes on Bikes“ auf unglaublichen 200 Motorrädern.

Wer sich unter die Parade mischen wollte, musste sich schon Monate im Vorfeld anmelden. Ansonsten gibt es Publikumstribünen am Rand, Tickets dafür kosten allerdings zwischen 50 und 170 Australische Dollar (ca. 32 bis 110 €). Für alle anderen heißt es: Good Luck. Hinter den Absperrungen am Straßenrand tummeln sich Massen, die versuchen, einen Blick auf das bunte Treiben zu werfen.

Und auch die offiziellen Partys gehen ordentlich ins Geld. So kostete das Eröffnungskonzert am Freitag saftige 119 $ (77 €), dafür standen dann Kylie Minogue und Charli XCX auf der Bühne. Und auch die mega Lesben-Party mit Headliner Peaches am 3. März kostet mal eben 169 $ (110 €).

Link zum WorldPride-Trailer, falls er hier nicht angezeigt wird

Wo bleibt die politische Botschaft?

Steckt hinter diesem kostspieligen Massen-Event noch eine politische Botschaft? Ja, findet zumindest Kate Rowe, Aktivistin der ersten Stunde: „Das war damals wirklich schrecklich, aber gleichzeitig war es auch gut, denn ohne all die Polizeigewalt wären wir wahrscheinlich heute nicht da, wo wir jetzt sind. Mit diesem brutalen Vorgehen haben sie damals einfach eine Grenze überschritten. Dadurch bekamen wir letztlich mehr Öffentlichkeit, als sie wollten, auch wenn es Jahre gedauert hat. Manchmal könnte man heute den Eindruck bekommen, hinter all dem Glanz und Glitter der Community kommt der Inhalt zu kurz, aber hier in Australien hat der Pride immer noch eine klare Botschaft, denn wir wissen: es bleibt ein langer Weg.“

Auch die Dykes on Bikes sind begeistert. „Wir selbst haben diskriminierende Erfahrungen gemacht und kennen die politischen Nachteile, die LGBTIQ erfahren, genau,“ weiß Emily Sanders, Präsidentin der Dykes on Bikes in Sydney. „Und deshalb ist es einfach großartig, einmal im Jahr zusammenzukommen und genau das zu feiern. Aber auch, um uns daran zu erinnern und es zu zelebrieren, dass das alles einst als politischer Protest begonnen hat, was schließlich zur Entstehung unserer Rechte in New South Wales und in ganz Australien geführt hat.“

Event auf dem Boden der Aborigines

Nicht fehlen darf in Australien die „First Nation“. So prangt überall der Hinweis, dass dem Team des Prides bewusst ist, dass dieses Event auf dem Boden von Aborigines (der indigenen Völker Australiens) stattfindet: „Wir wissen, dass die Gadigal, Cammeraygal, Bidigal, Darug und Dharawal die traditionellen Hüter der Bucht um Sydney sind“, heißt es auf der Webseite, in Mails, Presseinformationen und auf der Bühne. Für Natives werden reduzierte Tickets für ausgewählte Events (z.B. das Eröffnungskonzert) angeboten, und es gibt ein einwöchiges eigenes Gathering.

Und für eine Presseakkreditierung muss erst ein Awareness-Test bestanden werden. Welche Pronomen benutzen Personen? Wie verhalte ich mich gegenüber Leuten im Rollstuhl?

Parallel findet außerdem vom 1. bis 3. März eine Menschenrechtskonferenz mit über 60 lokalen und internationalen Akteuren - LGBTQ-Aktivistin:innen, First Nation Persönlichkeiten, Forschenden, Politiker:innen und Jurist:innen – statt.

Finale mit Pride March am 5. März

Und last but not least gibt es am 5. März noch den Pride March mit noch einmal 50.000 Menschen. Sie demonstrieren auf der Harbour Bridge mit der Botschaft: „Wir sind hier, wir laufen gemeinsam und wir werden nicht aufhören, uns für Gleichberechtigung einzusetzen, nicht nur hier in Australien, sondern auf der ganzen Welt.“

Von Deutschland aus lässt sich das Ganze - Parade, Konzerte und die Konferenz - übrigens auf YouTube im Live-Stream von ABC verfolgen. Vielleicht kommt ja da auch bei euch schon ein bisschen Pride-Stimmung auf.

WorldPride Sydney, 17. Februar bis 5. März

Mardi Gras: Live-Stream auf Youtube, 25. Feb., seit 9:30 Uhr

 

Ex-L-MAG-Chefredakteurin Dana Müller reist seit einem Jahr mit ihrer Freundin auf dem Rad durch die Welt. Hier berichtet sie von ihrer Reise: Teil 1 (Juni 2022) , Teil 2 (September 2022) und Teil 3 (Januar 2023).

 

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