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Wozu brauchen Heteros einen “Gaydar”?

US-Forscher haben eine Software entwickelt, die Lesben und Schwule auf Fotos korrekt identifiziert. Was uns allenfalls die Partnerinnensuche erleichtern könnte, bereitet vor allem Sorge: Homophobe könnten solch ein Instrument für ihre Zwecke missbrauchen.

Tjook, CC-BY-NC-ND Sind sie lesbisch - oder mögen sie einfach nur Regenbogenfarben? Frauen beim Skeive Dager, dem CSD in Oslo

Von Karin Schupp

10.9.2017 - Ist die hübsche Frau am Nebentisch, die neue Kollegin, die Nachbarin aus dem 3. Stock vielleicht lesbisch? Und wieso erzählt mein Party-Flirt, den ich definitiv für eine Lesbe hielt, plötzlich von ihrem Ehemann? Manche Menschen rühmen sich eines hunderprozentigen “Gaydars”, andere würden eine Lesbe nicht mal dann erkennen, wenn sie mit Butchhaarschnitt, Regenbogenfahne und Doppelaxt-Tattoo im LKW angebrettert käme und dabei Melissa Etheridge-Songs schmettern würde.

Trefferquote bei Lesben: 74 Prozent

Dabei ist es doch offenbar ganz einfach, wenn man nur einen Computer dran lässt: Ein Forscherteam der US-Universität Stanford lud 35.000 Profilbilder aus einer Dating-Webseite hoch und entwickelte daraus eine selbst lernende Software, die mit einer hohen Trefferquote Lesben und Schwulen identifiziert: In 74% der Fälle unterschied die Gesichtserkennung korrekt zwischen lesbischen und heterosexuellen Frauen, bei den Männern waren es sogar 81%. Und wenn von einer Person fünf Fotos vorlagen, konnte der Erfolg sogar auf 83% (Lesben) bzw. 91% (Schwule) erhöht werden.

Bekannt für ihren miserablen Gaydar: Dana in "The L Word"

 

Lesben und Schwule mit "geschlechtsuntypischen" Merkmalen

Auch wenn die letzte Woche veröffentlichte Studie darauf hinweist, dass sich Homosexuelle auf Datingportalen anders präsentieren als Heterosexuelle, sind die Forscher davon überzeugt, dass Lesben und Schwulen zudem häufiger “geschlechtsuntypische” Merkmale, Gesichtsausdrücke und Frisuren aufweisen. Mit anderen Worten: Lesben sehen - gemäß dem gängigen Klischee - eher maskulin aus, Schwule eher feminin. Zudem hätten lesbischen Frauen häufiger als Heteras einen kräftigeren Kiefer und eine kurze Stirn, während schwule Männer schmalere Kiefer, längere Nasen und größere Stirne hätten.

Das wiederum, so folgern die Autoren Michal Kosinki und Yilun Wang, “unterstützt stark” die Theorie, dass Homosexualität hormonbedingt und angeboren sei. Und die geringere Erfolgsquote bei Lesben? Die könnte die These bestätigen, dass die sexuelle Orientierung bei Frauen “fließender” sei.

Menschen liegen mit 54% bei Frauen und 61% bei Männern weitaus seltener richtig als die künstliche Intelligenz. Das beweist auch dieses virale Video, in dem Testpersonen die sexuelle Orientierung anderer zu erraten versuchen.

Während die Studienergebnisse bei genauerem Hinsehen vermutlich durchaus angreifbare Schwachstellen aufweisen, bleibt aber vor allem die Frage, wer so eine Gesichtserkennung eigentlich braucht. Um Homosexuellen eine effizientere Partnersuche zu ermöglichen, wurde sie sicherlich nicht erfunden (und: danke, nein, wir hatten schon immer unsere eigenen Wege, das herauszufinden!) – aber was könnten Hetero damit anfangen?

"Beunruhigend, wenn es in die falschen Hände gerät"

Homophobe Arbeitgeber oder Vermieter könnten sie nutzen, um lesbische und schwule Bewerber auszufiltern, Eltern könnten damit die sexuelle Orientierung ihres Kinds herausfinden. Oder schlimmer noch: Unvorstellbar, was die Software in Ländern anrichten würde, in denen Homosexuelle verfolgt und mit dem Tod bedroht werden!

Als “beunruhigend” bezeichnete denn auch Psychologieprofessor Nick Rule, der an der Universität Toronto zum Thema “Gaydar” geforscht hat, die Studie. “Wie bei jedem neuen Werkzeug gilt, dass es für die falschen Zwecke benutzt werden kann, wenn es in die falschen Hände gerät", sagte er gegenüber dem britischen Guardian. "Wenn man beginnt, Menschen aufgrund ihres Äußeren zu analysieren und identifizieren, um ihnen schreckliche Dinge anzutun, dann ist das wirklich schlimm.”

Auf der sicheren Seite stehen übrigens Transgender, Bisexuelle und nichtweiße Menschen: Sie wurden nicht in die Datenbank aufgenommen – und können sich ausnahmsweise einmal darüber freuen, mal wieder nicht berücksichtigt worden zu sein.

Die Studie steht hier zum Nachlesen.

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