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Zu feminin, um lesbisch zu sein?

Kreolen, Make-up, Nagellack - Influencerin Alexa beklagt sich in einem Youtube-Video, dass sie als „Femme“ nicht als lesbisch wahrgenommen wird. Unterscheiden sich Langhaarige da wirklich so sehr von „Klischee-Lesben“? Ein Kommentar.

Tallie Robinson/ UnsplashErst wenn sie sich küssen, ist die Sache klar - und für manche nicht mal dann...

Von Paula Lochte

10.11.2020 - Alexa trägt ein schwarzes Kleid mit Beinschlitz, rote Lippen und Kreolen. Zwischen einem Photoautomaten und pinken Neonlichtern umklammert sie ein Getränk vom Kiosk. So sieht Ausgehen in Zeiten von Corona aus.

Die 24-jährige Influencerin erzählt an diesem Abend in Berlin einer Reporterin, dass sie sich von zwei Seiten unter Druck gesetzt fühlt: Bedrängt von Männern, die nicht kapieren, dass sie bei der Lesbe keine Chance haben. Und übersehen von Frauen, die nicht merken, dass sie eine Chance hätten. Alexas feminine Klamotten, ihr Make-up und ihr Nagellack – sie wirkten wie ein Tarnumhang. Weder Heten noch Homos würden sie als Lesbe wahrnehmen, als sei ihr Begehren unsichtbar.

„Femme Invisibility“ ist deshalb der Titel eines kürzlich veröffentlichten Videos des YouTube-Formats „Reporter“ (s. unten). Die These: Femmes, also Frauen, die sich feminin geben, werden weder in der LGBT-Community noch in der Heterowelt als Lesben erkannt und anerkannt. Wer nicht dem Klischee der Kampflesbe mit Piercings und Kurzhaarschnitt entspricht, müsse sich Sätze anhören wie: „Kann ich mitmachen?“ oder „Was? Du bist doch nicht lesbisch!“.

„Aber Sie sind doch viel zu hübsch!“

Was Alexa in dem Interview erzählt, ist mir in ähnlicher Form auch schon passiert. Als ich mit 16 bei der Frauenärztin saß und ihr sagte, dass ich die Pille wirklich nicht bräuchte, da ich mit einem Mädchen zusammen sei, war ihre Reaktion: „Aber Sie sind doch viel zu hübsch! Und... Sie haben doch lange Haare!“.

Bezeichnend ist an dieser Szene nicht nur, wie eng lange Haare mit Schönheitsnormen verknüpft sind, sondern auch wie fleißig nicht nur Männer, sondern auch Frauen an simplen Formeln wie „langhaarig = schön = weiblich = heterosexuell“ mitarbeiten. Ironischerweise trug meine Frauenärztin selbst einen Kurzhaarschnitt.

Haarschnitt vom Männerfriseur - und trotzdem für hetero gehalten

Die Annahme, dass jede Frau auf Männer steht, ist allerdings so dominant und so schwer zu erschüttern, dass dafür auch ein ausrasierter Nacken nicht ausreicht. Bei einer Kollegin von mir müsste eigentlich auch der schwächste Gaydar anspringen: ein Haarschnitt vom Männerfriseur und Shirts, auf denen „Dyke“ steht. Und doch: Als sie einen Handwerker in der Wohnung hatte, hielt er sie trotzdem für hetero. Sie widersprach und es stellte sich heraus, dass seine eigene Tochter lesbisch ist.

Lesbische Pärchen gelten als Schwestern, Cousinen oder beste Freundinnen. Wir könnten uns unser Begehren auf die Stirn schreiben – und trotzdem (manchmal auch deswegen) würde irgendein Dödel versuchen, uns abzuschleppen. Was Alexa erlebt, ist also weniger die Unsichtbarkeit von femininen Lesben als die Unsichtbarkeit aller Lesben. Frauen wird seit hunderten von Jahren keine eigenständige Sexualität zugetraut. Unsere Homosexualität wird zur Männerfantasie oder schlicht übersehen.

Nicht nur die Femmes sind unsichtbar - sondern alle lesbische Frauen

Als meine Partnerin und ich eine gemeinsame Wohnung suchten, schrieben wir irgendwann schon in der ersten Zeile unseres Anschreibens „Wir sind ein lesbisches Pärchen“. Trotzdem kam immer wieder die Antwort: „Keine Wohngemeinschaften“. Die Reaktion wäre dieselbe gewesen, wenn sich eine von uns die Haare abschneidet. Aber nicht, wenn wir ein heterosexuelles Pärchen wären.

Es geht also darum, heterosexuelle Normen in Frage zu stellen. Wir sollten Repräsentation einfordern. Uns weiter öffentlich küssen. Wie selbstverständlich erzählen vom Wochenendausflug mit der Partnerin (Freundin wird in heteronormativen Ohren sofort zu „gute Freundin“). Lesbische Filme und feministische Bücher empfehlen. Auf dem CSD, Dyke Marches und anderen Demonstrationen protestieren. Und beim Ausgehen selbst den ersten Flirtschritt machen. All das geht sowohl im Kleid als auch im Holzfällerhemd.

 

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