Zwei junge Frauen, die sich lieben
Jetzt auf DVD: Auf den ersten Kuss folgt kein Schock, sondern einfach der zweite Kuss. “Take Me For a Ride” erzählt - ganz ohne Coming Out-Film-Klischees - von der Liebe zwischen zwei 17-Jährigen. Ganz unproblematisch bleibt es für sie aber dennoch nicht.
Von Simone Veenstra
l-mag.de, 17.4.2017 - Wie es der Titel verspricht, nimmt Take Me For a Ride uns mit auf einen Ausflug. In ein anderes Land, Ecuador, eine andere Kultur und auf die Entdeckungsreise zweier junger Frauen, die sich ineinander verlieben. Dabei stoßen sie zwar an äußere Grenzen, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, doch ihre Gefühle zueinander arten nicht in Selbstgeißelung und Verzweiflung aus. Das ist wohltuend und lenkt den Blick auf anderes wie ihre Umgebung, Familie, soziales Gefüge und die Frage, wie und wo sie sich dort selbst einordnen wollen – oder eben nicht.
Sara tickt anders als ihre Mitschülerinnen
Die 17-jährige Sara (Samanta Caicedo) ist eine Außenseiterin in ihrer Schule. Sie ist sich bewusst, dass die anderen sie seltsam finden und dass sie nicht wie ihre Mitschülerinnen tickt, zumindest was ihre Sexualität angeht. Doch weder hat sie vor, sich zu erklären, noch daran etwas zu ändern. Noch ein Schuljahr, danach steht die Universität an, und auch wenn Sara sich noch nicht entschieden hat, was genau sie studieren will: es scheint, als habe sie sich zumindest entschlossen zu warten. Vielleicht auf ein Stückchen mehr Freiheit an der Uni, vielleicht aber auch auf die richtige Person.
Und plötzlich ist sie nicht mehr alleine
Andrea (María Juliana Rángel), die als Neue in Saras Klasse kommt, bricht Saras Kokon jedoch nach und nach auf. Andrea entdeckt Saras Rückzugsort hinter einem Schuppen, wo diese zwischen den Stunden raucht, und plötzlich ist Sara nicht mehr alleine. Die beiden verbringen immer mehr Zeit miteinander, vertrauen sich einander an, sprechen über ihre Familien, und aus ihrer Freundschaft entwickelt sich eine Beziehung.
Keine inneren Komplikationen, aber unproblematisch bleibt es nicht
Das wird ermutigend ohne innere Komplikationen erzählt. Nach dem ersten Kuss kommt es nicht zum Erschrecken, Hinterfragen oder Rückzug, sondern einfach zum zweiten Kuss. Die beiden gehen gemeinsam aus und miteinander ins Bett, Andrea bleibt – als Freundin Saras – zum Abendessen.
Ganz unproblematisch bleibt es jedoch nicht. Doch auch hier gelingt es Take me to a ride, allen Klischees auszuweichen. Verräterische Fotos im Internet und neugierige Mitschüler werden nicht zur konfliktauslösenden Gegenpartei stilisiert, sondern sorgen für die Erkenntnis der beiden, dass sie ihre Beziehung auf Dauer nicht verheimlichen können. Die Frage ist also, was tun? Dazu stehen mit allen Konsequenzen – oder einen Teil von sich unterdrücken?
Nicht alles wird ausdeklariert oder zu Tode erklärt
Dass währenddessen nicht alles ausdeklariert oder zu Tode erklärt wird, ist eine der größten Stärken des Films. Worten wird weniger Raum gegeben als filmischen Einstellungen und beobachtenden Szenen, nicht selten führt ein überraschender Schnitt zum folgenden Tag. Sich anhand der nächsten Geschehnisse zusammenzusetzen, was in den Stunden dazwischen passiert sein dürfte – an Handlung aber auch an Innerlichkeit – ist Aufgabe des Publikums.
Take me for a ride ist kein Film, der dazu einlädt, sich zurückzulehnen und zu konsumieren. Er berührt und führt mitten hinein in die Geschichte, selbst in seine vorsichtig gesetzten Leerstellen, die individuell eingefüllt werden dürfen.
Take Me For a Ride (Originaltitel: Sácame a pasear), Ecuador/ Mexiko/ Kolumbien 2016, Regie: Micaela Rueda, mit: Samanta Caicedo, Maria Juliana Rángel u.a., 70 min., OmU – jetzt auf DVD
P.S.: Beim Sehen von Take Me For a Ride musste die Rezensentin automatisch an einen Song mit gleichem Titel des Duos Sea + Air denken - womöglich wegen des passenden Textes. Eine Zeile lautet: „A new civilisation starts with an open heart“ – Eine neue Zivilisation beginnt mit einem offenem Herzen. Aber hört selbst:
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