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„Princess Charming“ für Anfängerinnen und Fortgeschrittene

Zum Start von „Princess Charming“ bei VOX beantworten wir (spoilerfrei!) alle wichtigen Fragen zur lesbischen Datingshow, etwa: Ist das Trash-TV? Ist alles Fake? Wieso gibt's so viel Schockverliebtheit? Und wie lange wird eigentlich gedreht?

Irina (hinten rechts) beim Gruppendate

Von Karin Schupp

26.10.2021 - Es war der lesbische Überraschungshit im Frühsommer: Die Datingshow Princess Charming, die Ende Mai beim RTL-Streamingdienst TVNOW startete, war nicht nur in der Community ein Erfolg – sogar international: in den Social Media begeisterten sich auch Lesben von Brasilien bis Thailand für Prinzessin Irina und ihr Gefolge -, auch die Mainstreammedien berichteten wohlwollend, und die Abrufzahlen waren laut RTL „sehr stark“, so dass eine zweite Staffel beauftragt wurde. Und das Sahnehäubchen war schließlich der Deutsche Fernsehpreis, den das Format im September erhielt. Die Auszeichnung nahm Schlauch entgegen und lobt den „ganz wundervollen Cast, mit dem wir sehr gut zeigen konnten, dass Reality-TV nicht nur Unterhaltung und Trash ist, sondern auch Haltung zeigen kann.“

Wenn die erste Staffel am 26. Oktober nun endlich auch bei VOX startet, können auch diejenigen kostenlos reinschauen, die sich bisher noch nicht sicher waren, ob die Sendung etwas für sie ist. Und die wichtigsten Fragen können wir euch schon jetzt im Vorfeld beantworten - außer natürlich, ob und wer Irinas Herz erobert (uns auch sonst verraten wir keine Spoiler!).

Alle Folgen-Rückblicke und unser Interview mit Irina Schlauch findet ihr auf l-mag.de unter dem Menüpunkt „Princess Charming“!

 

1) Ich habe bisher immer nur mit halbem Ohr zugehört - worum geht’s eigentlich in Princess Charming?

20 lesbische/ bisexuelle/ queere Kandidat:innen (eine davon nichtbinär, daher der Gender-Doppelpunkt) wohnen in einem Haus auf Kreta und buhlen um die „Princess“. Die wohnt als einzige anderswo und lädt in jeder Folge zu einem Gruppendate und einem Einzeldate ein (das potenziell auch zu einem Übernachtungsdate werden kann). Bei der abendlichen „Happy Hour“ gibt’s noch einmal die Gelegenheit, die Prinzessin besser kennen zu lernen, und in der anschließenden „Ladies Night“ schickt sie mindestens eine Teilnehmer:in nach Hause, bis am Ende - wenn alles gut läuft - ein glückliches Liebespaar übrig bleibt. Mit anderen Worten: Es ist Der Bachelor/ Bachelorette auf lesbisch bzw. eine 1:1-Kopie der schwulen Datingshow Prince Charming, die in derselben Villa gedreht wird. Hinter allen Formaten steht die Kölner Produktionsfirma Seapoint.

2) Und wer ist diese Princess?

Irina Schlauch (30) ist eine sportbegeisterte Anwältin aus Köln und Fan von Prince Charming (RTL-Interview). Beworben hat sie sich als ganz normale Kandidatin, zeigte im Casting aber ihr Prinzessinnen-Potenzial. Dazu gehört vor allem, dass sie als größter gemeinsamer Nenner für alle Geschmäcker gelten kann - eine edgy Kandidatin wie zum Beispiel Saskia (hier alle Kandidat:innen) würde RTL sicherlich nicht zur „Princess“ küren.

TVNOW, René Lohse Irina Schlauch mag „Action“ und selbstbewusste Frauen, die „flirty, aber not too much“ sind

3) Ist Princess Charming wirklich weltweit die erste lesbische TV-Datingshow?

Ja, das deutsche Fernsehen liegt da tatsächlich mal vorne. Während Prince Charming ein US-Vorbild hat – Finding Prince Charming (2016 beim LGBTQ-Sender Logo) -, gab‘s für queere Frauen bisher nur die bisexuelle Datingshow A Shot at Love with Tila Tequila (MTV, 2007/ 2008), in der Männer und Frauen um den damaligen MySpace-Star Tila Tequila warben (die später erklärte, dass sie immer schon hetero war und Homosexualität Teufelszeug sei). Seapoint kündigte im Oktober 2020 zunächst Ähnliches an – „lesbische und bisexuelle Frauen und heterosexuelle Männer“ sollten um eine „attraktive Bi-Lady“ kämpfen, auf dass sich „Catfights bis hin zu heißen Flirts“ ergeben -, entschied sich aber aufgrund von Protesten (und vielleicht auch zu wenigen Bewerbungen?) zwei Monate später doch für die rein lesbische Variante. Eine nichtkommerzielle Low Budget-Version soll nicht unterschlagen werden: New Yorker Lesben veröffentlichten 2019 auf Youtube For the Love of Boop.

4) Lesbisch hin oder her – ist das etwa kein schlimmes Trash-TV?

Wer die Idee einer Partner:innensuche vor laufenden Kameras grundsätzlich ablehnt, wird sich auch mit einer lesbischen Version schwer tun. Aber nicht jede Reality-Show ist per se „Trash“ – die Wahl der Teilnehmer:innen, die gesetzte Tonalität und die Inszenierung machen den Unterschied und bestimmen das Niveau. Und hier tut sich Princess Charming positiv hervor (was angesichts des oben zitierten Pressetextes zur Bi-Version in der Tat überrascht): die Kandidat:innen scheinen ihren Auftritt ganz überwiegend nicht als Sprungbrett für eine Influencerinnen- oder Trash-TV-Karriere anzusehen, sind reflektiert und nicht auf Krawall gebürstet. Statt Streit und Lästereien wird auf Zusammenhalt und Freundschaft gesetzt. Und auch die Produktion provozierte keine Konflikte, verzichtete auf Häme im Off-Kommentar und aufgebauschte Dramen und warf zwei Frauen, die die Harmonie störten, schon in den ersten Folgen umstandslos raus.

5) Lesben im Privatfernsehen – das klingt nach Wichsvorlage für Heteromänner…

Keine Ahnung, wozu Heteromänner wichsen, aber Princess Charming ist zumindest nicht in diese Richtung inszeniert. Im Haus wird zwar viel über lesbischen Sex und Sexpraktiken gesprochen, aber das hat eher einen Informationswert – zum Beispiel Bines Erklärung des weiblichen Orgasmus anhand eines Cupcakes. Überhaupt können Heteros aus den Diskussionen um die Akzeptanz von trans Frauen, das Aussehen von Vulven und der Bedeutung des Coming Outs einiges lernen – und Lesben auch, denn auch in unserer Community herrschen so einige Rollenklischees und viel Unwissen über Konzepte wie Nichtbinarität und gendergerechte Sprache. So viel Bildungsauftrag hat sonst keine Datingshow!

TVNOW

6) Aber das ist doch von vorne bis hinten Fake, oder?

„Dazu kann ich nur sagen: nein, es nicht zu 100 Prozent echt, sondern vielleicht zu 99 Prozent“, erklärte der aktuelle „Prince Charming“ Kim Tränka unserem Schwestermagazin Siegessäule. „Wenn da ein Date aufgebaut wurde, war das natürlich nicht ich selbst. Man kommt vorher ans Set, dann wird einem gesagt, wo alles liegt – die Decken und so weiter. Diese Rahmenbedingungen bekommt man, aber alles andere entscheide ich.“ Auch für die Entscheidungs-Abende wurde er nicht gecoacht, wie er sagte. „Nein, gar nicht. Ich glaube, das passiert mit der Absicht, es so real wie möglich zu halten. Bei einigen Gentlemen Nights habe ich mir wirklich einen abgestammelt – kein Satz ergab einen Sinn.“

Ein Drehbuch oder Regievorgaben gibt’s also nicht, aber natürlich könnte jede Teilnehmer:in eine Rolle spielen (wenn sie das zwei Wochen lang durchhält), und die Produktionsfirma könnte durch Auswahl und Zusammenschnitt der Szenen ein Bild erzeugen, das nicht der Realität entspricht. Nach der Ausstrahlung bei TVNOW beschwerte sich aber keine Kandidat:in über eine falsche Darstellung, in Interviews erzählten einige, dass sie die Kameras - zumindest die im Haus est installierten - schnell vergessen hätten und ganz sie selbst waren. Der einzige Kritikpunkt war, dass das eine oder andere Gesprächsthema, das einzelnen wichtig war, es nicht in die Sendung geschafft hatte.

7) Und die verlieben sich alle in dieser kurzen Zeit in die „Princess“?

Ja, das ist schwer zu glauben, zumal es bis zum Finale nur etwa 18 Drehtage gibt, die Dates nicht länger als anderthalb Stunden dauern und auch die Happy Hour ihrem Namen gerecht wird – so viel kriegen also selbst die Favorit:innen Irina gar nicht zu sehen.

Und tatsächlich verlieben sich auch nicht alle in die Princess. Das dennoch überraschend hohe Ausmaß an Gefühlsexplosionen lässt sich mit der grundsätzlich hohen Bereitschaft zum Verlieben - sonst hätten sie sich ja nicht beworben! - und der Wettbewerbssituation erklären: Alle sitzen isoliert in einem Haus, es gibt keine Außenkontakte, keine Ablenkung durch Handy und Laptop und nur dieses eine Thema. „Jedes Gefühl erlebt man verhundertfacht“, erklärte Kandidatin Lou in der Wiedersehensshow. Und wer hatte nicht schon mal einen heißen Ferienflirt, zu dem es ohne den Einfluss von Sonne, Alkohol und Relaxtheit nie gekommen wäre? Und dann wiederum gibt es aber auch Urlaubsaffären, die sich zu einer echten Beziehung entwickeltn. Wie es bei Princess Charming ausgeht, müsst ihr abwarten (oder bei Instagram checken). Und immerhin gibt's - anders als in den Hetero-Formaten - ja auch die Möglichkeit, dass sich Kandidat:innen untereinander verlieben...

Princess Charming, 9 Folgen plus 1 Wiedersehensfolge, ab Freitag, 29. Okt. bei Vox (20:15 Uhr, in den Folgewochen ab 22:15 Uhr), bei TVNOW (Premiumbereich) ist bereits die gesamte Staffel abrufbar

Wer sich selbst bewerben will, kann das hier tun.

 

Weiterlesen:

Irina Schlauch im Interview: „Es war ein tolles Abenteuer für jede von uns“

Rückblicke auf alle Folgen von Princess Charming

 

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