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Kerstin Ott: „Ich mochte immer Menschen, die einfach ihr Ding machen“

Muskelshirt statt Glitzerkram: Schlagerstar Kerstin Ott steht seit Jahren auf der Bühne und sorgt für queere Repräsentation in einer Branche, die es bitter nötig hat. Ein Gespräch über lesbischen Gelegenheitssex im Pop und ihren ganz eigenen Modestil.

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Von Saskia Balser

Kurze, nach hinten gegelte Haare, Print-Shirt und Bomberjacke: Mit diesem Style fühlt sich Kerstin Ott (42) wohl. Egal, ob sie gerade mit ihrer Frau Karolina beim Einkaufen ist oder vor tausenden Menschen ihre neuesten Songs performt. Von Frauen in der Musikbranche wird allerdings etwas anderes erwartet. Wie sich Kerstin dagegen zur Wehr setzt und so ihren eigenen Stil entwickelt hat, erzählt sie im L-MAG-Interview (ursprünglich erschienen in der L-MAG-Ausgabe 5-2024 (Sept./Okt.) mit dem Titelthema „Lesbische Mode und queere Accessoires“).

L-MAG: Kerstin, dein neues Album „Für immer für dich“ erscheint am 18. Oktober. Darauf wird es wieder, wie man es von dir kennt, einige Liebeslieder geben. Warum findest du es wichtig, lesbische Liebesgeschichten in der Schlagermusik zu erzählen?

Kerstin Ott: Weil es sonst keiner macht! Das ist mir bei „Der Morgen nach Marie“ bewusst geworden. Ich war die erste Künstlerin im Schlagerbereich, die einen One-Night-Stand zwischen zwei Frauen besungen hat. Das hat tatsächlich für Aufsehen gesorgt. Und daran erkenne ich, dass es gesellschaftlich noch einiges zu tun gibt, wenn das noch einen Skandal auslösen kann.

Wann hast du zuletzt bemerkt, dass du ein lesbisches Rolemodel bist?

Ich finde es total schade, dass ich mit meinem ganz normalen Leben, das ich führe, ein Vorbild bin. Andererseits kann ich schon verstehen, dass Menschen, die sich noch nicht getraut haben, zu sich zu stehen und zu dem Leben, das sie eigentlich leben möchten, nach einer Person Ausschau halten, die das schon getan hat. Sie kann dann nämlich eine Orientierungshilfe darstellen. Ich habe das früher auch gebraucht und schließlich im Mädchenfußball gefunden. Dort hatte ich zum ersten Mal Kontakt zu Menschen, die genauso gefühlt haben wie ich. Das war sehr wichtig und hilfreich für mich.

Wie würdest du deinen Kleidungsstil beschreiben?

An erster Stelle würde ich ihn als „leger“ beschreiben, denn ich hasse Klamotten, die zwicken, und ich sehe auch keinen Vorteil darin, dass mein Outfit besonders viel Glitzer haben muss, denn erfahrungsgemäß kratzt das überall. Ich mag es funktional, auch wenn das nicht immer super cool aussieht. Ich bin viel unterwegs und will es bequem haben. Es bringt mir nichts, wenn andere Menschen finden, dass ich toll aussehe, solange ich mich selbst nicht wohl fühle.

Gab es solche Situationen schon?

Ja, damit hatte ich am Anfang meiner Musikkarriere sehr zu kämpfen. Ich habe immer Jacken getragen, um meine Figur zu kaschieren. Einmal war ich bei einer TV-Show und es war unfassbar heiß im Studio. Aber ich hatte so starke Komplexe, dass ich dort selbst bei Sommerhitze mit einer langen Hose und einer Jacke gestanden habe. Irgendwann habe ich dann beschlossen, dass es mir egal ist, was die anderen denken und ich mich nicht mehr quälen will.

Hattest du schon immer diesen legeren Stil oder hast du dich als Teenagerin ganz anders gekleidet?

Ich habe mich schon immer so am wohlsten gefühlt. Ich habe auch nie verstanden, dass andere Menschen das als rebellisch empfinden. Das ist einfach mein Stil, warum muss ich mich dafür erklären, dass ich keine pinken Klamotten tragen will? Nur weil die Gesellschaft irgendwann festgelegt hat, was für Frauen „normal“ ist.

Als Frau muss man sich auch beispielsweise eher für kurze als für lange Haare rechtfertigen.

Genau – von sowas halte ich nichts. Ich bin der Meinung, dass sich auch Jungs die Fingernägel lackieren sollten, wenn sie Lust darauf haben. Das verarbeite ich auch oft in meinen Songs – bei „Mädchen“ geht es genau um dieses Thema. Und ich sehe im Publikum, dass meine Fans meine Meinung teilen und feiern. Überall heißt es immer: „Sei einzigartig, sei du selbst“, aber wenn du es wirklich bist, kommt keiner damit zurecht. Das ist verrückt. Ich will dem etwas entgegensetzen.

Trägst du schon immer kurze Haare?

Ich bin ja in einer Pflegefamilie aufgewachsen und der erste Erzieher, den ich hatte, wollte, dass ich lange Haare trage. Erst als ich zwölf Jahre alt war und schließlich einen anderen Erzieher bekam, konnte ich mich so stylen, wie ich es wollte. Muskelshirt und kurze Haare – das fand ich ganz toll.

Hattest du früher Style-Vorbilder?

Ich mochte immer Menschen, die einfach ihr Ding machen, egal, wie verrückt sie vielleicht von außen wahrgenommen werden. Und unabhängig davon, ob das, was sie tragen, gerade modern ist. Mit Modetrends kann ich nichts anfangen.

Welche Komplimente bekommst du für deinen Style?

Viele sagen mir, dass sie es toll finden, dass ich mich nicht zu einem klassischen TV-Sternchen verändert habe, sondern dass ich ganz normal aussehe und geblieben bin. Meine Fans freuen sich darüber, dass es auch normale Menschen gibt, die sich über lange Zeit im TV und in diesem verrückten Musikbusiness halten können, ohne sich dafür zu verändern.

Musstest du deinen Style schon mal gegenüber dem Management oder der Plattenfirma verteidigen?

Nur ganz am Anfang meiner Karriere. Aber mein großer Vorteil war, dass mir Berühmtheit völlig egal war. Die Plattenfirmen konnten mich also mit nichts bedrängen, denn dann wäre ich einfach Malerin geblieben, das wäre für mich auch in Ordnung gewesen. Mein erster Satz bei Universal war damals: „Ich würde sehr gerne bei euch den Vertrag unterschreiben, aber ich werde keine Glitzerfummel oder Ähnliches anziehen und mir auch nicht die Haare färben.“ Ich bin damals mit Absicht in Jogginghose zur Vertragsunterzeichnung gegangen. Ich wollte nicht rebellisch sein, aber ganz klar zeigen: Das hier bin ich und wenn das ein Problem darstellt, dann kommen wir nicht zusammen. Nur wenn ihr akzeptiert, wie ich bin, unterzeichne ich den Vertrag. Das hat zum Glück geklappt.

 

Kerstin Otts neues Album „Für immer für dich“ erscheint am 18. Okt. 2024

Ihre nächsten Solo-Shows:

27.9. Dessau (Anhalt Arnea Dessau)

28.9. Nürnberg (Arena Nürnberger)

29.9. Cham (Stadthalle Cham)

 

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