Lesbische Sichtbarkeit in Pastell: Girls Love-Serien erobern die Welt
Lesbische Lovestorys mit Zuckerguss und Happy End: GL-Serien aus Thailand haben längst auch in Europa ihr Publikum gefunden - und sind mehr als Kitsch: Sie stehen für lesbisches Selbstbewusstsein und stiften ein Gefühl von Gemeinschaft und Solidarität.

Erschienen in der L-MAG-Ausgabe 4-2025 (Jun./ Jul.)
Von Karin Schupp
„Dich lieben zu dürfen, übersteigt meine kühnsten Träume. Ich werde dich immer lieben und für dich sorgen bis in alle Ewigkeit“, sagt Mon unter Tränen und küsst ihre Braut Sam vorm Traualtar. Ringe, Beifall, die Musik schwillt an… Das Happy End der thailändischen Serie „Gap“ zu verraten, ist kein Spoiler - im Gegenteil: Es ist das Hauptelement der Girls Love-Serien (kurz: GL), die vor drei Jahren ihren weltweiten Siegeszug starteten.
Das GL-Genre steht in der Tradition der japanischen Yuri (Mangas und Anime mit lesbischen Liebesgeschichten) und erzählt immer von zwei jungen Frauen, die sich ineinander verlieben, auf dem Weg zum Glück aber diverse Hürden überwinden müssen. Schmachtende Blicke, Küsse in Zeitlupe und zarte Liebesszenen gehören ebenso dazu wie der pastell- oder bonbonfarbene Look.
Die erste GL-Serie „Gap“ löste einen Hype aus
„Gap“ startete Ende 2022 als erste GL-Serie im thailändischen TV-Abendprogramm und wurde vor allem durch seine anschließende Veröffentlichung auf Youtube zum Megahit: Über 800 Millionen Aufrufe verzeichnete sie dort im ersten Jahr und löste einen Hype aus.
Seitdem wurden über 40 GL-Serien ausgestrahlt, rund 30 weitere sind angekündigt. Längst gibt es auch Subgenres wie GL-Thriller („Reverse For You“), GL-Fantasy („Four Elements“) oder GL im Knast („ClaireBell“).
Überraschung: das Publikum interessiert sich für lesbische Storys
Kaum zu glauben, dass die TV-Sender lange zögerten, bis sie sich an das Genre trauten - dabei verdienen sie schon seit einem Jahrzehnt viel Geld mit Boys Love-Serien (BL). Offenbar war für sie nicht vorstellbar, dass sich die BL-Hauptzielgruppe – nicht etwa Schwule, sondern heterosexuelle Frauen – auch für das lesbische Pendant erwärmen könnte. Damit lagen sie nicht nur komplett falsch, sondern unterschätzten auch den enormen lesbischen Appetit auf GL-Content.
Dem lesbisch-queeren Publikum ist es auch zu verdanken, dass GL-Serien etwas mehr Authentizität bieten als die BL-Serien mit ihren idealisierten Hetera-Fantasien. Dennoch sollte man nicht allzu viel erwarten: Erzählt werden nun mal Märchen und die Hauptfiguren sind stets sehr feminin; butchigere Charaktere schaffen es allenfalls in den Nebencast.

Die Schauspielerinnen werden öffentlich als Paar inszeniert
Zum Gesamtpaket der GL-Serien gehört auch das Konzept des khu-jin (dt.: Traumpaar): Das Star-Duo, durch einen Pärchennamen („FreenBecky“, „LingOrm“) aneinander gekettet, wird in der Öffentlichkeit gezielt als Paar inszeniert. Gemeinsame Instagram-Posts, Neckereien bei Fan-Events oder verstohlene Berührungen in Interviews werden von den Fans eifrig seziert und gefeiert, ungeachtet dessen, dass die meisten GL-Stars privat hetero sind.
Diese Marketing-Strategie, mit der die neuen Serien der beliebten Duos beworben werden, kann auch mal nach hinten losgehen: Als Faye Peraya, eine der wenigen tatsächlich queeren GL-Stars, im Februar aus ihrem Vertrag entlassen wurde, sorgte das für einen Aufschrei bei den Fans, aufgeregte Gerüchte und einen Imageschaden bei der Produktionsfirma. Pech auch für Perayas TV-Partnerin Yoko Apasra: Nach dem Ende von „FayeYoko“ war sie als GL-Star verbrannt, weil an ihrer Seite keine neue Frau akzeptiert werden würde.
Die Fan-Community ist längst international
Die Empörung schlug tatsächlich weltweit Wellen, denn durch die englisch untertitelte Zweitveröffentlichung vieler GL-Serien auf Youtube (übrigens mit ungekürzten Liebesszenen) ist die Fan-Community längst international.
Auch beim lesbischen Publikum in Europa füllt das Genre eine große herzförmige Lücke. Denn abgesehen davon, dass es bei uns schon seit Jahren keine lesbische Serie mehr gab, fühlen sich viele von der Happy End-Garantie aus Thailand angesprochen.
Lesbische Sichtbarkeit und ein Gefühl von Gemeinschaft
Zwar ist es inzwischen nicht mehr üblich ist, queere Charaktere nonchalant sterben zu lassen, aber klassische Liebesgeschichten mit Zuckerguss-Finale und Ritt in den Sonnenuntergang haben im westlichen Kulturraum derzeit ganz allgemein keine Konjunktur.
Aber auch wem GL-Serien zu kitschig sind, muss einräumen: Sie bieten nicht nur Eskapismus in romantische Traumwelten, sondern stehen auch für selbstbewusste lesbische Sichtbarkeit und stiften ein Gefühl von Gemeinschaft und Solidarität, das weit über Ländergrenzen hinausreicht. Angesichts der weltweit wachsenden Homophobie sind sie flauschige, weichgezeichnete Bastionen – brav, aber keineswegs machtlos.

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