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Merve Aksoy: „Ich will den Leuten Mut machen“

Merve Aksoy ist erfolgreiche Nachwuchsschauspielerin. Bekannt wurde sie durch ihre Rolle als Shirin in „Nur eine Frau“. Nun nutzt sie die Öffentlichkeit, die mit ihrem Beruf einhergeht, um sich für queere Sichtbarkeit stark zu machen.

© Oliver Look „Glaube an dich, und es wird der Zeitpunkt kommen, an dem du deine Ziele erreichst”, ist das Motto von Aksoy.

Von Leila van Rinsum

3.4.2021 – Merve Aksoy ist energiegeladen. Pandemie und Lockdown sind ihr nicht anzumerken. Im virtuellen Gespräch aus ihrer Berliner Altbauwohnung heraus, versprüht die 26-Jährige Leidenschaft und Leichtigkeit, die ansteckend sind. „Es war immer mein Traum, mal ein L-MAG-Interview zu geben“, verrät sie und lacht. „Das bestätigt mein Motto: Glaube an dich, und es wird der Zeitpunkt kommen, an dem du deine Ziele erreichst.“

Schon zu Beginn ihrer Karriere hat die 26-jährige Schauspielerin einige Ziele erreicht. Als sie 2018 ihre Ausbildung an der Starter Schauspielschule in Berlin abgeschlossen hatte, bekam sie kurz darauf bereits die Rolle der „Shirin“ in dem preisgekrönten Kinofilm „Nur eine Frau“ von Sherry Hormann. Als Shirin spielte Aksoy die Schwester der Hauptfigur, die von einem ihrer Brüder ermordet wird, weil dieser ihren selbstbestimmten Lebensstil ablehnt. Der Film basiert auf der wahren Geschichte der 2005 in Berlin ermordeten Hatun Sürücü.

„Shirin war eine herausfordernde Rolle für mich, weil sie total das Gegenteil von mir ist“, erzählt Aksoy, „so eine Rolle muss man erst einmal verstehen, annehmen und lieben.“ Shirin lässt in dem Film den Mord an ihrer Schwester geschehen und verteidigt im Nachhinein sogar ihre Brüder, welche die Tat planten. Die Rolle habe sie sehr mitgenommen, erzählt Merve Aksoy, weil sie die Persönlichkeit der Filmfigur beim Dreh so verinnerlicht habe. „Meine Theorie ist: Duschen hilft!“, verrät sie. „Immer wenn ich vom Set komme, dusche ich die Person ab, die ich spiele.“ Dennoch reizen sie leidende und tiefe Rollen, „die einen mitreißen“. Sie möchte, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer tiefer hinsehen und Mitgefühl entwickeln.

„Mich nerven diese Schubladen”

Aksoy ist es wichtig, ihren Beruf und ihre Position in der Öffentlichkeit zu nutzen. So setzt sie sich für queere Sichtbarkeit ein, indem sie zum Beispiel Mitglied der Queer Media Society ist, die queere Menschen in der Medienbranche vernetzt, unterstützt und Öffentlichkeitsarbeit macht. „Mich nerven diese Schubladen, die immer aufgemacht werden“, sagt Aksoy. Ihr wurde schon mitgeteilt, sie sehe nicht „deutsch“ oder nicht „türkisch“ genug aus. Und oft begegnet ihr die Vorstellung, dass lesbische Frauen keine hetero­sexuellen Figuren darstellen könnten. Vor allem aber stört es sie, dass es in Drehbüchern noch immer zu selten queere Charaktere mit Tiefe gibt.

„Sexualität sollte keine Charakterbeschreibung sein, es sollte einfach eine Nebeninformation sein“, fordert sie. „Eine Figur ist ja nicht nur lesbisch oder schwul, sondern beispielsweise auch Mutter oder Tochter, sie hat eine Vergangenheit. Ich finde es schade, wenn das nicht thematisiert wird, sondern nur die Sexualität als einziger Inhalt der Figur in den Vordergrund gestellt wird.“

In der Januar-Sendung der Comedy-Show Kroymann, bei der es auch ums Coming-out ging, ist Merve Aksoy Teil einer überwiegend queeren Besetzung, die auch heterosexuelle Rollen spielte. Ein verbales Coming-out brauchte es in der Filmbranche für sie nicht. Dennoch beteiligte sie sich an der Aktion #actout.

Anfang Februar zeigten 185 LGBT-Schauspielerinnen und Schauspieler im Magazin der Süddeutschen Zeitung ihr Gesicht, um mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz in Film, Fernsehen und auf Theaterbühnen zu fordern. Auch die junge Wahl-Berlinerin war mittendrin. Und zur Premiere von „Nur eine Frau“ brachte sie selbstverständlich ihre damalige Partnerin mit. Auf ihren offiziellen Porträtfotos sowie auf Instagram zeigt sie sich in ihrem androgynen Stil. „Das ist auch ein Prozess, bis man zu sich steht, und es ist ein Schritt, sich so anzuziehen, wie man sich wohlfühlt“, stellt Aksoy fest.

Schon als Kind fühlte sich Merve Aksoy zu Frauen hingezogen

Ihr eigenes Coming-out hatte Merve Aksoy mit etwa 22 Jahren. „Als ich gemerkt habe, dass ich Frauen toll finde, habe ich erst gedacht, ich muss jetzt mit einem Mann schlafen, um zu schauen, ob ich wirklich lesbisch bin. Am Ende konnte ich aber nichts mit ihm anfangen und hab ihm gesagt: Nee, sorry, ich steh auf Frauen.‘“ Aber schon früher hatte sie das Gefühl, sich zu Frauen hingezogen zu fühlen, ohne dass sie es konkret einordnen konnte.

Mit acht war sie begeistert vom russischen Pop-Duo t.A.T.u, das sich auf der Bühne als lesbisch inszenierte. Und so war ihre Cousine, mit der sie wie eine Schwester aufgewachsen ist, nicht überrascht, als sie ihr schließlich offenbarte, dass sie Frauen liebe. „Ich hatte große Angst vor ihrer Reaktion, aber sie hat nur gesagt, dass sie das schon wusste“, sagt sie lachend im Interview. Bei ihren Eltern war es schwieriger. Es habe anfänglich Konflikte gegeben und der Verstehensprozess sei noch nicht abgeschlossen, auch weil beide sehr konservativ seien.

Es gibt wenige lesbische Vorbilder

Aksoy wuchs als Einzelkind in Frankfurt am Main auf, ihre Familie stammt aus Izmir in der Türkei und ist vor vielen Jahren nach Deutschland gekommen. Für ihre Schauspielausbildung zog sie 2015 nach Berlin. Dass sie Schauspielerin werden wolle, war schon früh klar. Als Kind posierte sie gern vor der Kamera. „Ich wollte schon immer Schauspielerin werden, weil ich es inspirierend fand, in anderen Rollen sein zu können und Figuren eine Stimme zu geben.“ Vorbilder wie die offen lesbische Schau­spielerin Maren Kroymann halfen ihr dabei. Aber davon gebe es noch viel zu wenige. „Mein Traum ist es, auch einmal ein Vorbild zu sein, so dass Leute sagen: ,Merve macht das, und ich trau mich auch, ich steh’ zu mir.‘ Das finde ich wichtig. Ich will den Leuten Mut machen.“

Der Artikel erschien zuerst in der Print-Ausgabe von L-MAG März/April 2021.

 

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