Aufmüpfig, ungewöhnlich, cool: 10 Filme über berühmte lesbische und bisexuelle Frauen
Biopics über ungewöhnliche Frauen aus Geschichte und Gegenwart haben Hochkonjuntur – und davon profitieren auch wir, denn viele von ihnen waren lesbisch oder bisexuell! Wir stellen zehn Filme vor und prüfen ihren L-Faktor und Wahrheitsgehalt.
Von Karin Schupp
13.5.2020 - Biopics sind die neue Geheimwaffe des Kinos gegen die allgegenwärtigen Comicverfilmungen, und davon profitieren auch wir! Denn auf ihrer Suche nach neuem Stoff hat die Filmbranche inzwischen entdeckt, dass es in Geschichte und Gegenwart auch viele interessante weibliche Persönlichkeiten gibt, und die waren bzw. sind – tja, so ist das nun mal! – häufig lesbisch oder bisexuell. Auch wenn nicht alle Drehbücher das gleichermaßen stark thematisieren und nicht jeder Filme ein cineastisches Highlight ist: für mehr Sichtbarkeit sorgen sie allemal.
Wir stellen zehn Biopics vor und prüfen sowohl ihren L-Faktor als auch ihren Wahrheitsgehalt.
1. Can You Ever Forgive Me?
Um wen geht’s? Die New Yorkerin Lee Israel (1939-2014), fälschte in den Neunzigern über 400 Briefe verstorbener Prominenter und verkaufte sie an Antiquariate - ein einträgliches Geschäft, nachdem die Biografien-Autorin keine Aufträge mehr bekam. Als sie nach einem Jahr aufflog, kam Israel mit fünf Monaten Hausarrest davon, danach veröffentlichte sie nur noch ein Buch, die gleichnamigen Memoiren (2008). Israel war offen lesbisch, lebte aber wohl die meiste Zeit ihres Lebens allein.
Der Film: Die tragikomische Geschichte mit Melissa McCarthy jubelt dem Mainstream-Publikum ohne viel Aufhebens zwei homosexuelle Hauptfiguren unter - auch Lees Komplize Jack (Richard E. Grant) ist schwul. Bekam zu Recht drei Oscar-Nominierungen, darunter auch für McCarthy, die Israel als griesgrämige Einzelgängerin spielt.
L-Faktor: Lee hat eine Verehrerin, steht sich dabei aber selbst im Weg – und das ist offenbar typisch für sie, wie ein Treffen mit ihrer Ex spät im Film andeutet.
USA 2018, Regie: Marielle Heller, Buch: Nicole Holofcener/ Jeff Whitty, 106 Min. - auf DVD und bei vielen Streamingdiensten - unsere Filmkritik
2. Elisa & Marcela
Um wen geht’s? Die Lehrerinnen Elisa Sánchez Loriga und Marcela Gracia Ibeas waren seit 1885 ein Paar und heirateten 1901 in einer Kirche im nordspanischen A Coruña, nachdem Elisa eine männliche Identität angenommen hatte: das war die – heimlich - erste gleichgeschlechtliche Hochzeit Spaniens. Obwohl die beiden aufflogen, wurde ihre Ehe nie offiziell annulliert. Was aus ihnen wurde, ist unbekannt, aber es heißt, dass sie nach kurzer Haft nach Argentinien geflohen seien.
Der Film: Elegant-elegischer Schwarzweißfilm von Isabel Coixet, der bekanntesten Regisseurin Spaniens. Ihre Hauptdarstellerinnen Natalia de Molina und Greta Fernández treten auch in ihrer neuen Serie Foodie Love zusammen auf.
L-Faktor: 100 Prozent - und geizt auch nicht mit langen Sexszenen, die mit Algen und einem glitschigen Tintenfisch als Sextoys überraschen.
Spanien 2019, Regie: Isabel Coixet, Buch: Isabel Coixet/ Narciso de Gabriel, 118 min. - exklusiv bei Netflix
3. Lizzie Borden – Mord aus Verzweiflung
Und wen geht’s? Die in den USA berühmt-berüchtigte Lizzie Borden soll 1892 ihren Vater und ihre Stiefmutter mit einer Axt erschlagen haben, wurde aber freigesprochen – ein Stoff, aus dem schon Bücher, Filme, Theaterstücke und eine Oper gestrickt wurden. Um Borden ranken einige Lesbengerüchte: Sie soll mit ihrem Hausmädchen Bridget, Kronzeugin vor Gericht, und später mit einer Schauspielerin liiert gewesen sein.
Der Film: Konzentriert sich auf die Wochen vor dem Mord und zeigt Borden (Chloë Sevigny) tatsächlich als Täterin und Bridget (Kristen Stewart in ihrer ersten queeren Rolle) als Mitwisserin. Ko-Produzentin Sevigny äußerte sich anschließend unzufrieden über das düstere Drama und kritisierte den Regisseur als „zu zurückhaltend“.
L-Faktor: Hoch - der Film zeigt Lizzie und Bridget als Paar, und Sex dürfen sie auch haben. „Das wollten wir ihnen gönnen!“, sagte Sevigny in einem Interview.
USA 2018, Regie: Craig Macneill, Buch: Bryce Cass, 105 min. - auf DVD und bei Sony/ PlayStation - unsere Filmkritik
4. Girl King
Um wen geht’s? Die schwedische Königin Kristina (1626-1689) war klug, gebildet und extravagant, trug stets Männerkleidung und weigerte sich zu heiraten. Wie durch Briefe belegt ist, war sie mit ihrer Hofdame Ebba Sparre liiert.
Der Film: Leider so blutleer wie ein Wikipedia-Eintrag und bei Regisseur Mika Kaurismäki in den falschen Händen: Er zeigt die Tomboy-Queen (Malin Buska) steif und freudlos und konzentriert sich auf die wohl langweiligste Phase ihres Lebens - die zehn Jahre ihrer Regentschaft (sie dankte mit 28 Jahren freiwillig ab und zog nach Rom).
L-Faktor: Hält sich stärker an die Fakten als Greta Garbos Königin Christine (1933), der trotz des berühmten Kusses zwischen Kristina und Ebba eine frei erfundene Hetero-Lovestory erzählt: In Girl King ist Christinas Liebe zu Edda (Sarah Gadon) der Dreh- und Angelpunkt des Films. Aber wer seinen Film mit der Einblendung „Sie starb mit 63 als Jungfrau“ endet lässt, hat definitiv nichts verstanden.
FIN/ D/ F/ CDN 2014, Regie: Mika Kaurismäki, Buch: Michel Marc Bouchard, 106 min. - auf DVD, bei MagentaTV und Streamingdiensten - unsere Filmkritik
5. The Danish Girl
Um wen geht’s? Die dänische Malerin Lili Elbe (1882-1931) war einer der ersten trans bzw. intersexuellen Menschen, der sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog. Unterstützt von ihrer Frau, der lesbischen oder bisexuellen Künstlerin Gerda Wegener (1886-1940), ließ Elbe sich 1930/ 1931 in Berlin und Dresden operieren und starb an den Folgen des vierten Eingriffs.
Der Film: Altmodisch-brav und mit allzu dramatischem Geigen-Einsatz inszeniert. Alicia Vikander bekam für ihre Rolle als Gerda einen Oscar, und auch Eddie Redmayne, der Lilli spielte, war nominiert. Heute würde diese Rolle aber wohl nicht mehr an einen cis Mann gehen.
L-und-T-Faktor: Enttäuschend! Lili wird als asexuell dargestellt und träumt romantisch von Mann und Babys, Greta ist – anders als sie es im echten Leben war - stockhetero und streng monogam.
GB/ D/ USA 2015, Regie: Tom Hooper, Buch: David Ebershoff/ Lucinda Coxon, 120 min. - auf DVD und bei vielen Streamingdiensten - unsere Filmkritik
6. Colette
Um wen geht’s? Sidonie-Gabrielle Colette (1873-1954), Frankreichs berühmteste Schriftstellerin, würde heute wohl als queere Influencerin gelten. Sie hatte drei Ehemänner, lebte offen bisexuell und nicht-monogam, schrieb mit „Claudine erwacht“ einen der ersten lesbischen Liebesromane und sorgte für einen Skandal, als sie ihre langjährige Geliebte Missy de Morny auf einer Bühne küsste.
Der Film: Vom schwulen Indie-Regisseur Wash Westmoreland (Still Alice) hätte man sich mehr erhofft: Im Mittelpunkt steht Colettes (Keira Knightley) erste Ehe mit dem Schriftsteller Willy (Dominic West), der ihr Talent ausnutzte und ihre Bücher unter seinem Namen veröffentlichte. Schade, denn erst nach ihrer Trennung 1906 wurde Colettes Leben so richtig spannend.
Bi-Faktor: Keira Knightley küsst auch Frauen: Sie hat eine Affäre mit der Amerikanerin Georgie (Eleanor Tomlinson), und auch ihre spätere Lebensgefährtin Missy (Denise Gough) kommt – zeitlich vorgezogen - vor.
GB/ USA, 2018, Regie: Wash Westmoreland, Buch: W. Westmoreland/ Richard Glatzer, 111 Min. - auf DVD und bei vielen Streamingdiensten - unsere Filmkritik
7. Freeheld
Um wen geht’s? Die unheilbar an Krebs erkrankte Polizistin Laurel Hester (1956-2006) erstritt vor ihrem Tod eine Witwenrente für ihre Lebensgefährtin Stacie Andree und setzte damit einen Meilenstein auf dem Weg zur Ehe-Öffnung in den USA. Die gleichnamige Dokumentation (2007) von Cynthia Wade wurde mit einem Oscar ausgezeichnet.
Der Film: Kleiner Film über ein wichtiges Stück LGBT-Geschichte, mit Oscar-Gewinnerin Julianne Moore und Ellen Page hochkarätig besetzt. Page, die auch Ko-Produzentin war, nahm die Rolle übrigens zum Anlass für ihr Coming Out 2014: „Wie hätte ich ihn als Schranklesbe drehen können?“, sagte sie in einem Interview.
L-Faktor: 100 Prozent – auch wenn es glaubwürdigere Paare als Moore und Page gibt. Der schwule Drehbuchautor Ron Nyswaner (Philadelphia) beklagte sich anschließend, dass er „die Kanten glätten und ihre Konflikte abmildern“ musste, um die lesbischen Kino-Heldinnen zu „idealisieren“.
USA 2015, Regie: Peter Sollett, Buch: Ron Nyswaner, 103 min. - auf DVD und bei Streamingdiensten - unsere Filmkritik
8. Die Tänzerin
Um wen geht’s? Loïe Fuller (1862-1928) war die berühmteste Tänzerin ihrer Zeit und die Wegbereiterin des modernen Tanzes. Die in Frankreich lebende US-Amerikanerin umgab sich nur mit Frauen, war offen lesbisch und ab 1905 bis zu ihrem Tod mit ihrer Assistentin Gabrielle Bloch (1870-1961) zusammen. Fullers Schülerin und spätere Rivalin Isadora Duncan (1877-1927) hatte Affären mit Männern und Frauen.
Der Film: Vor allem etwas für Modern Dance-Fans: Die Tanzszenen sind spektakulär. Der Person, die Fuller war, wird Die Tänzerin aber nicht gerecht.
L-Faktor: Ärgerlich! Lesbisch ist nur die Hauptdarstellerin, die Schauspielerin/ Musikerin SoKo. Fullers Homosexualität machte die Regisseurin Stéphanie Di Giusto ausdrücklich nicht zum Thema, gab der Tänzerin einen erfundenen männlichen Lover, degradierte Gabrielle Bloch (Mélanie Thierry) zur treuen Freundin und ließ Fuller nur Isadora (Lily-Rose Depp) – allerdings unerfüllt – lieben.
Frankreich 2015, Regie/ Drehbuch: Stéphanie Di Giusto, 111 Min. - auf DVD und bei vielen Streamingdiensten - unsere Filmkritik
9. Battle of the Sexes – Gegen jede Regel
Um wen geht’s? Billie Jean King (76) ist eine der bedeutendsten Tennisspielerinnen aller Zeiten: Sie gewann 39 Grand Slam-Titel und gründete die Frauen-Turnierserie Virginia Slims. Ihr lesbisches Coming Out hatte King, damals mit einem Mann verheiratet, Ende der 60er Jahre. 1981 wurde sie durch ihre Ex Marilyn Barnett geoutet, die sie nach der Trennung auf Unterhalt verklagte. Heute ist King eine einflussreiche LGBTQ-Aktivistin.
Der Film: Erzählt von der Gründung der Virginia Slims und – zeitlich nicht ganz korrekt - Kings Coming Out vor dem Hintergrund des legendären Matchs 1973 zwischen King (Oscar-Gewinnerin Emma Stone) und dem frauenfeindlichen Ex-Tennisprofi Bobby Riggs (Steve Carell), das sie glatt in 3 Sätzen gewann.
L-Faktor: Kings Beziehung mit Marilyn (Andrea Riseborough) spielt eine große Rolle; anders als im Film waren sie zum Zeitpunkt des Schaukampfs aber ein glückliches Paar; das Drama – siehe oben - begann erst später...
USA/ GB 2017, Regie: Valerie Faris & Jonathan Dayton, Buch: Simon Beaufoy, 121 min. - auf DVD und bei vielen Streamingdiensten - unser Interview mit dem Regie-Duo
10. The Favourite
Um wen geht’s? Queen Anne (1665-1714) regierte Anfang des 18. Jahrhunderts England, ihre enge Beziehung mit Lady Sarah Churchill (1660-1744) und deren Eifersucht auf Annes Ankleidedame, Baroness Abigail Masham (1670-1734), sind historisch verbürgt. Ob auch Sex im Spiel war, ist allerdings Spekulation - überlieferte Briefe weisen aber darauf hin.
Der Film: Opulentes Intrigantenstadl um den Kampf der beiden Frauen, Sarah (Rachel Weisz) und Abigail (Emma Stone), um den einflussreichen Platz an der Seite der Königin (Olivia Colman). Deftig, rasant, mit boshaftem Witz und: Männer kommen nur am Rand vor. Für den Film regnete es Preise, unter anderem war er für zehn Oscars nominiert, und vor allem Colman räumte alles ab, was es zu gewinnen gab.
L-Faktor: Bettszenen und heimliche Küsse: The Favourite ist klar lesbisch, auch wenn nicht für alle Beteiligten echte Gefühle im Spiel sind.
UK/USA/IRL 2018, Regie: Yorgos Lanthimos, Buch: Deborah Davis, Tony McNamara, 119 min. - auf DVD und bei vielen Streamingdiensten - unsere Filmkritik
Dieser Artikel erschien zuerst in L-MAG März/ April 2020 (hier als Heft oder als E-Paper nachbestellen).
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