Filmtipp „Lesvia“: Sonne, Meer, nackte Brüste - und ein Stück Lesbengeschichte
In der Queerfilmnacht April: Die Doku „Lesvia“ erzählt, wie das Dorf Eressos auf Lesbos seit den Siebzigern zum Sehnsuchtsort für Lesben wurde, die ein einzigartiges Community-Gefühl schufen. Die Regisseurin weiß, wovon sie spricht: sie war selbst dabei.

Von Annabelle Georgen
5.4.2025 - Es war einmal eine Insel, auf der Lesben ungestört und glücklich zusammenlebten. Der Strand war ihr Zuhause, sie badeten stundenlang in der Sonne, schwammen nackt im blauen Meer, liefen Hand in Hand, tanzten bis zum nächsten Sonnenaufgang, hatten Sex jede Nacht mit einer anderen Frau ... Was heute vielleicht klingt wie ein Märchen oder eine Utopie, war jahrzehntelang Realität auf Lesbos.
Lesben unter sich
Lesbos: die drittgrößte Insel Griechenlands, eine Form wie ein Glückskeks, ganz nah an der türkischen Küste, nördlich von Izmir, umgeben von der tiefblauen Ägäis. Und die Heimat der antiken Dichterin Sappho – die älteste bekannte Lesbe. Ab den 1970erJahren, als sich Lesben aus Europa in den Sommermonaten zu treffen begannen, wie hierzulande beim Lesben-Pfingsttreffen – der frühere Name vom Lesbenfrühlingstreffen (LFT) – oder auf der dänischen Insel Femø, entdeckten sie das Fischerdorf Skala Eressos für sich. Jeden Sommer kamen immer mehr Lesben aus Westeuropa auf die Insel, um dort unter ihresgleichen Urlaub zu machen.
Diese Geschichte erzählt Tzeli Hadjidimitriou in ihrer Doku Lesvia (unser Interview mit der Regisseurin). Sie ist selbst auf Lesbos geboren und aufgewachsen. Die Präsenz der Lesben, die jedes Jahr nach Eressos strömten, habe Hadjidimitriou, heute 63, damals geholfen, selbstbewusst als Lesbe in ihrem konservativen Heimatdorf aufzutreten. Für ihre Mutter waren ja Lesben „perverse Frauen“.
„Warum kommen ihre Ehemänner nicht mit?“
In den Anfangsjahren der lesbischen Präsenz in Eressos gab es noch kein Hotel im kleinen Dorf. Die Urlauberinnen wohnten meistens direkt am Strand, in selbst gebauten Bambushütten oder in Zelten. Verdutzt beobachteten damals die Einheimischen diesen freizügigen, braun gebrannten, kurzhaarigen Frauen. „Warum kommen ihre Ehemänner nicht mit?“, fragten sich manche. Am Strand ging es wild zu: „Zu flirten war unser Ziel. Wir konnten nicht anders. Es ging immer nur um die Sonne, das Meer und das Flirten!“, erinnert sich eine Urlauberin, die noch heute auf die Insel pilgert.

Blütezeit, aber auch Spannungen mit den Dorfbewohner:innen
In den Neunzigern erlebte das lesbische Leben in Skala Eressos eine Blütezeit: Lesben eröffneten dort ihre eigenen Geschäfte wie das Sappho Hotel, Bars und Cafés. Allesamt Women-only-Einrichtungen. Es kam zu Spannungen mit den Dorfbewohner:innen, die die Urlauber:innen zu invasiv und provokant fanden.
Ab den 2000er-Jahren ging es dann aber wieder bergab, die Lesbengeschäfte machten eins nach dem anderen dicht. Doch die lesbischen Besucherinnen blieben. Manche kauften sogar Häuser und machten Lesbos zu ihrem neuen Wohnort.
Eine gelebte Utopie, sehr lebendig erzählt
Dank der zahlreichen Interviews, die die Regisseurin sowohl mit den „Fremden“ als auch mit den Griech:innen im Dorf führte, wird diese außergewöhnliche Geschichte sehr lebendig erzählt. Mit einer subtilen Zusammensetzung von Videos, die Hadjidimitriou über Jahrzehnte drehte, und Bildern, die ihr Lesbos-Besucherinnen anvertrauten, wird diese gelebte Utopie noch mal wahr: eine hedonistische Lesbencommunity mit Postkartenlandschaften im Hintergrund. Ein einzigartiges Community-Gefühl, das viele noch immer auf Lesbos suchen.
Lesvia, Griechenland 2024, Regie. Tzeli Hadjidimitriou, 77 min., OmU; Queerfilmnacht April in 41 Städten in Deutschland und Österreich - alle Termine stehen hier
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