Filmtipp „The Prom“: Being gay in Indiana
In der Verfilmung des Erfolgs-Musicals „The Prom“ mit Meryl Streep und Nicole Kidman wollen vier exzentrische Broadway-Stars ein junges Lesbenpaar dabei unterstützen, den Abschlussball ihrer Schule besuchen zu dürfen. Ab 11. Dez. bei Netflix.
Von Karin Schupp
9.12.2020 - „Don’t be gay in Indiana!“, singt Emma (Jo Ellen Pellman) im Flur ihrer Highschool und gibt damit das Grundthema von The Prom vor. Als offen lesbischer Teenager in der Provinz ist sie zu Hause rausgeflogen, in den Schule eine Außenseiterin, und jetzt wird zum Ärger aller auch noch der titelgebende Abschlussball gecancelt, nachdem sie angekündigt hatte, ihn mit ihrer Freundin als Date zu besuchen – bei dieser Aussicht lässt die Elternvertretung um die ätzende Mrs. Green (Kerry Washington) die Prom lieber ausfallen.
Unerwartete - und zweifelhafte - Hilfe aus New York
Selbst der freundliche Schuldirektor Tom Hawkins (Keegan-Michael Key) kann da nichts tun, doch da naht unerwartete - und zweifelhafte - Hilfe aus dem fernen New York: Die Musical-Stars Dee Dee Allen (Meryl Streep) and Barry Glickman (James Corden), die gerade einen gigantischen Bühnen-Flop erlebt haben, hoffen mit der Rettung des Schulballs ihr Image als „alternde Narzissten“ aufzupolieren und zu gefeierten „celebrity activists“ zu werden. In ihrem Schlepptau: Die Möchtegern-Broadway-Stars Angie (Nicole Kidman) und Trent (Andrew Rannells), die es zu ihrem Kummer bisher nie weiter als in die zweite Reihe geschafft haben.
Konservative und liberale Welten krachen aufeinander
„Wir werden die Welt verändern/ Eine Lesbe nach der anderen/ Wir helfen der kleinen Lesbe/ Ob sie es will oder nicht“: Unter diesem Motto treffen vier liberale (und in Barrys Fall schwule) Großstadt-Diven auf konservative Kleinstadt-Heteros: Da ist viel Platz für Klischees - ihr „Acceptance Song“ während eines Monstertruck-Events wird natürlich ausgebuht -, und natürlich machen unsere selbst ernannten Retter:innen erst mal alles schlimmer, bevor es, wie es sich für ein Musical gehört, nach viel Singen und Tanzen am Ende für alle Charaktere eine (wo nötig) Läuterung und ein Happy End gibt. Auch für Emma und deren zunächst geheime Freundin Alyssa (Ariana DeBose), die viel zögerlicher mit ihrem Lesbischsein umgeht. Und selbst für Mrs. Green!
Campy, LGBTQ und Gesang: Ein typischer Stoff für Ryan Murphy
Die Geschichte, die 2010 in Mississippi einem lesbischen Teeniepaar tatsächlich so ähnlich passierte - damals halfen Prominente per Spenden(aufruf), ein alternatives Event zu organisieren - und zu einem für sechs Tonys nominierten Erfolgs-Musical wurde, ist der perfekte Stoff für den schwulen Über-Produzenten/ Regisseur Ryan Murphy, der bekannt für seine campy Over-the-Top-Inszenierungen und LGBTQ-Themen und -Charaktere ist. Zuletzt bewiesen das seine Netflix-Serien Ratched, The Politician und Hollywood, und dass er gerne auch Charaktere plötzlich in Gesang ausbrechen lässt, zeigte ja auch schon seine Highschool-Musical-Serie Glee, an die The Prom dank desselben Schauplatzes durchaus erinnert - übrigens ein guter Gradmesser, wie gut euch der Film gefallen wird.
Große Spielfreude des Promi-Casts und des queeren Nachwuchses
Aber auch wer kein Fan von Musicals ist, kommt nicht umhin, die große Spiel- und Singfreude des prominenten Casts zu bewundern, allen voran Meryl Streep und Nicole Kidman, die beide alles geben, aber auch die zwei jungen Schauspielerinnen, Newcomerin Jo Ellen Pellman und die Tony-nominierte Broadway-Darstellerin Ariana DeBose, die übrigens beide queer sind.
Nach der flotten ersten Hälfte zieht sich’s ein bisschen dahin - über zwei Stunden Dauer sind deutlich zu lange -, aber für einen gemütlichen (vor)weihnachtlichen Abend bei Plätzchen und Punsch könnte dieser Gute-Laune-Film durchaus die richtige Wahl sein.
Gibt's auch als Jugendroman
Und wen das junge Frauenpaar insgesamt mehr interessiert als die vier exzentrischen Diven: Im gleichnamigen Jugendroman von Saundra Mitchell wird die Story abwechselnd aus der Sicht von Emma und Alyssa erzählt, und wir erfahren mehr über ihr lesbisches Coming Out und ihre Liebesgeschichte. „The Prom“ erscheint am 14. Dezember im Heyne Verlag.
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