Indonesien schafft „Jungfräulichkeitstests“ für Soldatinnen ab - Lesben: skeptische Zustimmung
Indonesiens Armee will den sexistischen und traumatisierenden „Zweifingertest“ zur Überprüfung der Jungfräulichkeit von Rekrutinnen beenden. Die Lesbenaktivistin Yuli Rustinawati begrüßt das, befürchtet aber, dass die Ankündigung nicht umgesetzt wird.
Von Michael Lenz
12.8.2021 - Die Armee des mehrheitlich muslimischen Indonesien will den kontroversen „Zweifingertest“ zur Überprüfung der Jungfräulichkeit von Soldatinnen vor deren Rekrutierung beenden. Das kündigte Armeechef Andika Perkasa an, ohne den obligatorischen „Jungfräulichkeitstest“ konkret zu benennen. Rekrutinnen würden sich in Zukunft lediglich die gleichen medizinischen Eignungstests unterziehen müssen wie männliche Rekruten, sagte General Perkasa.
Die prominente Lesbenaktivistin Yuli Rustinawati begrüßt die Ankündigung mit großer Skepsis. „Die Ankündigung von General Andika ist ein gutes Zeichen, aber das wird nicht funktionieren, wenn sie nicht ernsthaft befolgt wird und es kein klares Verständnis dafür gibt, was diese Tests bedeuten“, sagt und Vorständin der LGBTQ-Bürgerrechtsorganisation Arus Pelangi per WhatsApp aus Jakarta gegenüber L-Mag.
„Jungfräulichkeitstests“ kontrollieren die Sexualität von Frauen
Rustinawati betont: „‘Jungfräulichkeitstests‘ sind sexistisch und verursachen Traumata. Sie sind eine Form der Kontrolle der Sexualität von Frauen und entspringen der Vorstellung, dass Frauen/ Mädchen, die keine Jungfrauen mehr sind, schlechte Frauen/ Mädchen sind.“
„Jungfräulichkeitstests“ mussten bisher in der Armee nicht nur Rekrutinnen über sich ergehen lassen, sondern auch die Verlobten von Soldaten. Die indonesische Polizei hatte hingegen nach Protesten von Menschenrechts- und Frauenorganisationen den Test zur Überprüfung der Jungfräulichkeit durch das Einführen von zwei Fingern in die Vagina der Polizeianwärterinnen schon vor einigen Jahren eingestellt.
Genderbasierte Gewalt ohne wissenschaftliche Grundlage
„‘Jungfräulichkeitstests’ sind genderbasierte Gewalt und eine weithin diskreditierte Praktik“, sagt Andreas Harsono, Indonesien-Experten der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) aus Jakarta gegenüber L-Mag. „In einer November 2014 veröffentlichten Richtlinie hat die Weltgesundheitsorganisation festgestellt: ‚Es gibt keinen Platz für Jungfräulichkeits- (oder ‚Zwei-Finger‘-)Tests; es gibt dafür keine wissenschaftliche Grundlage‘“, erklärt der Menschenrechtler, der seit vielen Jahren diese Praktik in Indonesien anprangert.
Scharf kritisiert Harsono auch das andauernde Schweigen der Verbände von Ärzten und Frauenärzten zu dem „Zwei-Finger-Test“ und fügt hinzu: „Mein Respekt und meine Solidarität gilt den Frauen, die sich ihrer Rechte bewusst sind, es wagen, ihre Stimme zu erheben und sich weiter gegen diskriminierende und frauenfeindlichen Praktike wehren.“
Druck auf die obersten Kommandeure ausüben
Ob die Anordnung zur Beendigung der frauenfeindlichen Tests durch den Armeechef tatsächlich umgesetzt wird, ist offen. Harsono sagt: „Die Heeresleitung tut das Richtige. Es liegt nun in der Verantwortung der Territorial- und Bataillonskommandeure, den Befehl zu befolgen und den unwissenschaftlichen, rechtsverletzenden Charakter dieser Praxis anzuerkennen. Es muss auch verstärkter Druck auf die obersten Kommandeure der Marine und der Luftwaffe ausgeübt werden, um dem Vorbild Führung der Armee zu folgen und diese Praxis zu beenden.“
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