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Jeder hintergeht jeden - aber die Liebe gewinnt

„Die Taschendiebin“ erzählt die Liebesgeschichte zweier Frauen inmitten eines ausgeklügelten Intrigenspiels. Der koreanische Erotikthriller, der bei Lesben auch wegen seiner Sexszenen umstritten ist, startet am 5. Januar im Kino.

Magnolia

Von Karin Schupp

l-mag.de, 4.1.2016 - Die junge Diebin Sook-Hee (Tae-ri Kim) heuert bei der reichen Erbin Hideko (Min-hee Kim) als Dienerin an, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen und sie in die Arme eines Heiratsschwindlers (Ha Jung-Woo) zu manipulieren. Der Plan: Nach der Hochzeit wollen sie Hideko in die Psychiatrie abschieben und sich ihr Vermögen unter den Nagel reißen. Das Problem: Sook-Hee verliebt sich in ihre Herrin – und die scheint ihre Gefühle zu erwidern. Und das ist längst nicht die einzige Wendung: Als nach knapp der Hälfte des Films die Perspektive wechselt und die Geschichte aus Hidekos Sicht (noch einmal) erzählt wird, zeigt sich, dass sie weit weniger naiv ist, als sie zunächst tut.

Intrigen, Gefühle, Sex und opulente Bilder

Jeder hintergeht jeden in dieser Verfilmung eines Romans der lesbischen Autorin Sarah Waters – aber die Liebe gewinnt. Hier bleibt der renommierte südkoreanische Regisseur Chan-wook Park ganz der Vorlage treu, auch wenn er die Handlung aus dem viktorianischen England ins Korea der 1930er Jahre verlegte und sich so viele Freiheiten erlaubte - vor allem im Schlussdrittel strich er einige Wendungen –, dass seine Version keine klassische Adaption ist (wie der BBC-Mehrteiler Fingersmith, 2005), sondern sich „inspiriert von…“ nennt.

Der Erotikthriller, der beim Filmfestival in Cannes Premiere hatte und der international erfolgreichste Spielfilm Koreas ist, ist voller Irrungen, Wirrungen, hat überraschend humorvolle Momente und beeindruckt durch seine opulente Bildgewalt, was ihn allerdings auch ein wenig artifiziell wirken lässt.

Erotisch oder "männlich-pornografischer" Blick?

Vor allem beim lesbischen Publikum aber polarisiert er wie zuvor nur der Cannes-Gewinner Blau ist eine warme Farbe (2013), und die Parallelen sind offensichtlich: Ein männlicher Regisseur verfilmt die lesbische Liebesgeschichte einer lesbischen Autorin, und auch hier trifft die Kritik ganz besonders die (drei längeren!) Sexszenen, die Park, so der Vorwurf, als pornographische Nummernrevue aller lesbischer Sexstellungen inszeniert habe - der männlich-heterosexuelle Blick eben.

Nun bleibt es jeder Zuschauerin selbst vorbehalten, wie anregend sie den Sex findet (und sollte sich dafür auch nicht entschuldigen müssen). Schwerer erträglich ist da schon, wie sehr sich Park in der Darstellung von Hidekos sadistischem Onkel, bei dem sie wie eine Gefangene lebt, verliert. Kouzuki sammelt nämlich nicht nur erotische Literatur, sondern zwingt seine Nichte auch dazu, vor männlichen Gästen daraus vorzulesen. Die ausgiebige Inszenierung seiner sexuellen Machtgelüste und der brutale Showdown zwischen Kouzuki und Fujiwara hätten deutlich kürzer ausfallen können – zumal der Film ohnehin viel zu lange geraten ist.

Keine der beiden hat Sex mit einem Mann, keine Lesbe stirbt...

Wer sich Die Taschendiebin ansieht, muss bereit sein, in eine klassische Märchenwelt einzutauchen, in der - wie schon bei den Gebrüdern Grimm - die Guten am Anfang schlimmes Leid erfahren, und die Bösen am Ende grausam bestraft werden. Und immerhin: Anders als in vielen aktuellen Drehbüchern fängt keine der beiden Frauen etwas mit einem Mann an, und keine Lesbe stirbt!

Und wer die Story lieber ungefiltert aus Lesbensicht genießen will, greife zu Sarah Waters' Romanvorlage Solange du lügst  (erschienen bei Krug & Schadenberg).

Die Taschendiebin (OT: Agassi), Korea 2016, Regie: Chan-wook Park, mit Tae-ri Kim, Min-hee Kim u.a., 245 Min., Kinostart: 6. Jan. 2017

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