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Jetzt im Kino: „Mutter Mutter Kind“ begleitet eine Regenbogenfamilie über zwölf Jahre hinweg

In ihrer Langzeitdoku „Mutter Mutter Kind“ über Anny, Pedi und ihre drei Söhne verwendet Regisseurin Annette Ernst viel Zeit auf die Frage, ob den Jungen nicht der Vater fehlt, und lässt dabei einige spannende Themen liegen.

jip film & verleih Anny (l.) und Pedi mit ihren Söhnen Linus, Pino und Lou

Von Sabine Mahler

19.10.2022 - Die Langzeitdokumentation Mutter Mutter Kind begleitet das Frauenpaar Anny und Pedi über zwölf Jahre. Die beiden sind zu Beginn Mütter von zwei Jungen, Linus und Lou. Jede von ihnen hat jeweils ein Kind ausgetragen. Sie erzählen, wie es sich anfühlt Mutter zu sein und wie die das eigene Umfeld anfangs mit der Homosexualität der beiden haderte.

Besonders berührend und ein kleiner Höhepunkt des Films ist dann die Geburt ihres dritten Kindes. Die Kamera darf dabei sein und fängt den Moment purer Liebe ein, als beide Mütter Pino zum ersten Mal im Arm halten. Großes Kino!

Wie okay ist es, dass Eike weiteren Frauenpaaren zum Kind verhalf?

Einige Jahre später ziehen dunkle Wolken am Himmel auf: Eike, der Vater der drei Jungen, hat nicht nur Anny und Pedi seinen Samen gespendet, sondern – ohne ihnen das mitzuteilen – insgesamt fünf Frauenpaaren zu acht Kindern verholfen. Die Heimlichkeit führt zu Spannungen und großer Skepsis.

Bis sich Oma Elke einschaltet. Eikes rüstige 80-jährige Mutter bemüht sich um Kontakt zu und zwischen den vielen Kindern. Auch Linn, die einzige Tochter von Eike, wünscht sich, die drei Söhne von Anny und Pedi kennen zu lernen. Die Kamera ist bei der ersten Begegnung der Kinder und der beiden Mütterpaare dabei und fängt auch diesen emotionalen Moment sehr unaufdringlich ein.

Gestellte Szenen mit kritischen Meinungen stören den Fluss der Doku

Es ist überhaupt bemerkenswert, welche Leistung die Regisseurin Annette Ernst und Kamerafrau Nina Werth in den 12 Jahren vollbracht haben. Umso unverständlicher sind die dazwischengeschnittenen Szenen mit einer „Mutter“ und einem „Therapeuten“, die von Schauspieler:innen dargestellt werden. Die Einspieler in Schwarz/Weiß stören den Fluss der Doku massiv. Als Zuschauer:in kann man diese beiden Menschen, die aus dem Nichts zu kommen scheinen und nicht vorgestellt werden, bis zuletzt nicht zuordnen und ihre skeptische Haltung nur schwer nachvollziehen.

Anette Ernst wollte nicht nur die perfekte, in Regenbogenfarben leuchtende Familie darstellen, sondern auch andere Meinungen zeigen. Das ist nachvollziehbar. Doch leider erweckt der Film in der Summe den Anschein, also wolle sie zwingend versuchen, das Negative vor die Kamera zu ziehen, obwohl es nicht vorhanden ist.

So wird Annys Bruder, welcher – betrachtet man die Zwischentöne – sicherlich ein liebender Onkel mit einer starken Bindung zu seinen drei Neffen ist, durch den Zusammenschnitt seiner Aussagen zu einem überpräsenten, unsympathischen Macho-Proll, der in seinen Aussagen kaum noch ernst zu nehmen ist.

Immer wieder die Frage: Fehlt dir nicht ein Vater?

Ebenso werden die Kinder über die Jahre immer wieder mit der gleichen Frage konfrontiert: Fehlt dir nicht ein Vater? Die Frage wird so oft gebetsmühlenartig gestellt, dass man sich während des Anschauens anfängt zu fragen, wie Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern oder allein erziehendem Elternteil (aus welchen Gründen auch immer) überhaupt jemals groß werden können.

Die Doku gibt spannende Einblicke in ein Familienleben mit unterschiedlichen Perspektiven: Wie fühlt es sich an, mit lesbischen Müttern aufzuwachsen? Wie geht man damit um, Halbgeschwister mit anderen Eltern zu haben? Was bedeutet es, Vater sein? Und wie definiert man Enkel? Aber Annette Ernst hätte sich viel mehr zutrauen können, denn die Regenbogenfamilien zeigen in ihren Interviews offen ihre Konflikte - und zwar in jede Richtung.

Die Doku lässt viele spannende Themen liegen

Die Frauen stehen dazu, dass sie anfangs Elkes Idee, sich als Oma einzubringen, gar nicht gut fanden. Sie war die Mutter des Spenders, mehr auch nicht. Eike erzählt nachdenklich, dass sein eigener, inzwischen verstorbener Vater sich spät in seinem Leben als schwul geoutet hat und dennoch große Probleme damit hatte, dass sein Sohn lesbischen Frauen Sperma spendet.

Und so hätten sich bei 80 Stunden Rohmaterial viele Themen für eine großartige Doku über eine Regenbogenfamilie finden lassen, ohne dass es nötig gewesen wäre, befürchtete Probleme von außen einzubringen, die für die Familie offenbar gar keine Rolle spielten – wie allein schon die prächtige Entwicklung der porträtierten Regenbogenkinder im Laufe der zwölf Jahre beweist.

Mutter Mutter Kind - Let's do this differently, D 2022, Buch/ Regie: Annette Ernst, 97 min., Kinostart: 20. Okt. 2022

 

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