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Kinotipp „Sisi & ich“: Irma und die Kaiserin – eine (un)glückliche Liebe

Sisi mal anders: Mit einem Mix aus Humor, Leichtigkeit und ernsten Tönen erzählt „Sisi & ich“ die Geschichte der Kaiserin neu und gibt ihr eine leidenschaftlich-platonische Liebesbeziehung mit ihrer Hofdame Irma. Kinostart: 30. März.

DCM/ Bernd Spauke Gleich nach Irmas Sandra Hüller, hinten) Ankunft küsst Sisi (Susanne Wolff, l.) vor deren Augen ihre Gefährtin Fritzi (Sophie Hutter)

Von Karin Schupp

29.3.2023 - Die Jobbeschreibung hat’s in sich: Die Bewerberin muss schnell laufen und gut turnen können, gerne reisen, flexibel sein, die launische Sprunghaftigkeit der Chefin ertragen, schlank sein und mit sehr wenig Essen auskommen. Die ungarische Gräfin Irma Sztáray (Sandra Hüller) ist zwar unsportlich und ein bisschen zu füllig, blufft sich aber durchs Vorstellungsgespräch und kriegt den Job bei Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn (Susanne Wolff).

So wild und widerständig wurde Sisi noch nie gezeigt

Sisi, wir wir sie bis heute nennen, hat sich in einem paradiesischen Anwesen auf Korfu niedergelassen, in der der kaiserliche Aufpasser Graf von Berzeviczy (Stefan Kurt) der einzige geduldete Mann ist.

Dass Sisi eine gebildete, weitgereiste und emanzipierte Frau war, die mit ihrer Rolle als Kaiserin unglücklich war und eine gehörige Essstörung hatte, wissen inzwischen auch Fans der kitschigen Romy Schneider-Verfilmungen, und im letzten Jahr zeigte bereits das Drama Corsage diese Seite an ihr (bei Streamingdiensten, unsere Filmkritik), aber so wild und widerständig wie hier, wo sie gleich nach Irmas Ankunft vor deren Augen ihre Gefährtin Fritzi (Sophie Hutter) küsst, wurde sie noch nie gezeigt.

DCM/ Bernd Spauke Die Kostüme von Irma (l.) und Sisi gehen in Richtung 1960er Jahre, weil Frauke Finsterwalder die damalige Frauenkleidung als zu unangenehm einengend empfindet

„Bei Männern muss ich immer an Tischtücher denken“

Irma, die etwas tollpatschig und naiv wirkt, kann überraschend gut mithalten. Sie ist zwar stets hungrig, aber hart im Nehmen (vermutlich dank ihrer furchtbaren Mutter) und findet schnell ihre Rolle in der queeren Frauenkommune. Zumal sie für Männer ohnehin nichts übrig hat. „Bei Männern muss ich immer an Tischtücher denken“, erklärt sie, und in einer anderen Szene sagt sie zu Sisi: „Ich hatte immer eine Abscheu gegen Männer, ich finde sie so... behaart.“

Schnell rückt Irma in der Hierarchie auf und darf bald schon mit Sisi in der Badewanne sitzen, während eines Gewitters mit ihr im Bett kuscheln und sie auf ihren langen Wanderungen begleiten.

Bald wird ihre Zweisamkeit bedroht

Aus dem Arbeitsverhältnis wird eine Freundinnenschaft und, zumindest aus Irmas Sicht, Liebe. Auch wenn sie ihre lesbischen Gefühle wohl nicht wirklich versteht, geschweige denn formulieren kann – im ausgehenden 19. Jahrhundert war das schließlich noch keine bekannte Option. Aber ihre Blicke sprechen Bände, und als Sisis exzentrischer, schwuler Schwager Viktor (Georg Friedrich) anreist und Irma kurzfristig ins zweite Glied rückt, weiß sie gar nicht, wohin mit ihrer Eifersucht.

Und bald wird ihre Zweisamkeit noch mehr stärker bedroht, denn der Kaiser Franz Joseph (Markus Schleinzer) beordert seine Frau zurück nach Hause. Statt griechischem Paradies und Haschisch in der algerischen Wüste heißt es nun: Staatsbankett in Bad Kissingen. Für die Kaiserin wird es immer schwieriger, sich ihrem Mann zu widersetzen und ihrer Rolle zu entziehen - das kann nicht gut gehen und tut es auch nicht.

DCM Frauke Finsterwalder mit ihren Hauptdarstellerinnen Susanne Wolff und Sandra Hüller (v.l.n.r.) bei der Premiere auf der Berlinale 2023

Und doch bleibt Irma die Frau an Sisis Seite

Die Liebesgeschichte bleibt leidenschaftlich-platonisch. Die Kaiserin genießt zwar Irmas Zuneigung und unbedingte Loyalität, hält sie aber auf Abstand und schenkt ihre erotische Zuwendung anderen, zu Irmas Entsetzen auch mal einem Mann. Und doch bekommt Irma, was sie will, und bleibt die Frau und letztlich die wichtigste Person an ihrer Seite – bis zu Sisis Tod, der hier auf originelle Weise neu erzählt wird (laut Geschichtsbüchern wurde sie 1898 von einem italienischen Anarchisten am Genfer See erstochen).

Ein Biopic ist Sisi & Ich ausdrücklich nicht, aber die meisten Orte und Charaktere gab es im Leben der Kaiserin wirklich, auch die Gräfin Irma Sztáray (1864-1940), die vier Jahre in ihren Diensten und Zeugin des Attentats war, die als lesbisch angedeutete Baronin Rothschild (Anne Müller), die mit Irma flirtet, und den Erzherzog Ludwig Viktor – als homosexuell verbürgt ist allerdings nur letzterer.

Leichtfüßig und witzig, aber auch mit ernsthaften Tönen

Frauke Finsterwalder (Finsterworld), die das Drehbuch mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Christian Kracht, inszenierte ihren Film, der sich stilistisch an den 1960er Jahren orientiert, leichtfüßig und witzig, schlägt aber auch ernsthafte Töne an, ohne dabei zu gewollt zu wirken – ein emotionaler Mix, der deutschen Produktionen leider viel zu selten gelingt.

Finsterwalder erzählt (auch) eine Geschichte von Macht und Abhängigkeit: „Was passiert in einer Freundschaft, wenn eine der anderen machtmäßig überlegen ist?“, sagte sie im Radio Eins-Interview während der Berlinale. „Die Liebe von Irma ist schon eine ehrlich gefühlte Liebe, aber sie hat (…) eigentlich keine andere Alternative, und von daher ist es vor allem ein Film über Abhängigkeiten und die verschiedensten Facetten von Liebe, Missbrauch und allem was dazugehört.“

Unterhaltsam-schwungvolle Neuinterpretation

Mit ihren zwei tollen Hauptdarstellerinnen, schön gefilmten Bildern, lustigen Dialogen („Irma, jetzt nicht beten!“) und einem modernen Soundtrack (ausschließlich mit Frauenstimmen von Le Tigre über Nico bis Portishead) wird man aber vor allem eins: gut unterhalten.

Wieso also an Weihnachten nicht künftig diese schwungvolle Neuinterpretation anstatt der verklärten Weichzeichner-Sissy?!

Sisi & Ich, D 2023, Regie: Frauke Finsterwalder, Buch: F. Finsterwalder & Christian Kracht, mit Sandra Hüller, Susanne Wolff u.a., 132 min., Kinostart: 30. März

 

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