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„Liebesdings“: Hetero-Liebeskomödie vor queerem Hintergrund

Jetzt im Kino: „Liebesdings“ mit Elyas M’Barek spielt in einem queeren, feministischen Theater, das aber nur als exotischer Schauplatz für eine klassische Hetero-Liebesgeschichte dient, während die queeren Figuren keine eigene Story kriegen.

Constantin Film Frieda (Lucie Heinze, ganz rechts) und Jacky (Linda Pöppel, ganz links) mit ihrem Tamponballett

Von Frank Hermann

7.7.2022 - Der Schuh des Manitu, die Fack ju Göhte-Reihe, Keinohrhasen, Rubbeldiekatz... Die Liste deutscher Filmkomödien ist so lang wie erfolgreich. Zumindest beim Hetero-Kinopublikum. Flach und unerfreulich ist sie jedoch für eine queere Klientel, vom fehlenden L-Faktor mal ganz zu schweigen.

Und jetzt kommt Liebesdings ins Kino. Zunächst könnte man vermuten, dass Elyas M'Barek in seiner Eigenschaft als „Mädchenschwarm“ und die Verbindung zu einem queeren, feministischen Theater ungeahnten Frohsinn mit sich bringt. Das gibt das Drehbuch leider nicht her, auch wenn Regisseurin/ Drehbuchautorin Annika Decker (die ihr Drehbuch-Debüt mit Keinohrhasen gab) mit Besetzung und Figurenfächer ihres Films ehrlich um Diversität bemüht ist. Es ist alles drin, auch #metoo bleibt nicht unerwähnt, wenn auch nur gestreift, Feminismus, Medienkritik, Rassismus, Misogynie, Antidiskriminierung und mehr - aber Achtung, es ist auch eine (heterosexuelle) „romantische Komödie“. All in one in 100 Minuten.

Marvin Bosch (M'Barek) ist Deutschlands Kinsostar Numero uno, aber mittlerweile lädiert von zu viel Präsent-sein-Müssen und vom Gehetze von Film zu Film, von Premiere zu Premiere. Immer im Genick sitzen ihm die Medien, besonders eine Boulevard-Bluthündin namens Bettina Bamberger (Alexandra Maria Lara).

Tampon-Ballett und Klitoris-Masken

Immerhin hat er seine Freund:innen seit Kindertagen als Verbündete, Sammy (Peri Baumeister) und Hakan (Denis Moschitto). Die stärken ihm nicht nur jederzeit den Rücken, sondern deckeln auch ein gemeinsames Geheimnis, das den Star entzaubern und seine Karriere ruinieren könnte. Nach einem Interview flieht er vor der Reporterin, deren Enthüllungen und dem Medienrummel.

Auf der Flucht durch Berlin landet Marvin im feministischen Off-Theater „3000“, und sieht sich im unbeabsichtigten Drogenrausch mit einem Tampon-Ballett zum Song „Bleeding Love“ (ha ha!) konfrontiert, was den weißen cis Mann irritiert und gleichermaßen bedroht.

Bevor der mediengehetzte Star wie Lady Di endet, gibt es einen Deal: Der Star wird vom Ensemble versteckt – gegen Geld, was das Fortbestehen des Theaters sichert. Zur Tarnung bekommt er zunächst eine Klitoris-Maske aus dem Fundus. Witzig?

Constantin Film Bleiben Nebenfiguren: Jacky, Zelda (Maren Kroymann), Wiebke (Anna Thalbach) und Rocco (Paul Zichner)

Maren Kroymann sorgt als bisexuelle Zelda für Heiterkeit

Für ein behauptetes männliches Sexsymbol bleibt Elyas M'Barak indes erstaunlich zugeknöpft im wortwörtlichen Sinn. Jedenfalls kommt es zu einer romantisch-sexuellen Begegnung und Nacht mit der Theaterleiterin Frieda (Lucia Heinze), die ihm zuvor half, die einverleibten Drogen loszuwerden: „Du bist immerhin die erste Frau, die mir den Finger in den Hals gesteckt hat.“ – „Und, war's schön für dich?* Solch lockerer Humor bleibt leider die Ausnahme.

Immerhin sorgt Maren Kroymann für routinierte Heiterkeit als bisexuelle Zelda auf und auch hinter der Theaterbühne. Ergänzt wird das Ensemble durch den Schwarzen, heterosexuellen Comedian Hans (Simon Pearce) und den trans Mann Rocco (Paul Zichner). Hier regiert die Diversität.

Darüber hinaus gibt Jochen Schropp den schwulen Stylisten Hansjörg, der nicht nur einen Elton-John-Pony trägt, sondern auch noch schwer schwäbelt. Andererseits: Jedes Klischee hat seine realen Entsprechungen, gell!?

Die Affäre zwischen Sammy und Jacky wird nur angedeutet

Zwischen Sammy und der munteren lesbischen Theatermitarbeiterin Jacky (Linda Pöppel) scheint sich eine Affäre anzubahnen, die aber leider nicht gezeigt wird (fiel sie einer Kürzung zum Opfer?). Wie schade, davon hätten wir gern mehr gesehen, und ins Konzept gepasst hätte es doch.

Ähnliches gilt für Bambergers Sidekick René (Michael Ostrowski) und Hansjörg (Schropp plötzlich in Drag). Außer zaghaftem „Gehändel“ passiert nichts weiter im Zuschauerraum, wo sich alle Protagonist:innen versammelt haben, um Marvins Soloauftritt beizuwohnen.

Zum guten Schluss hin ist er also seine Filmkarriere los und hat dafür eine neue bunte Wahlfamilie. Alles im (Gender-) Fluss - ist gar nicht so schwer, wenn alle mitmachen. Es mag sein, dass beim Mainstream-Publikum ein Schimmer der beabsichtigten didaktischen Wirkung hängen bleibt, aber sonst?

Liebesdings, Regie/ Buch: Annika Decker, mit Elyas M'Barek, Lucie Heinze, Peri Baumeister, Alexandra Maria Lara, Denis Moschitto, Linda Pöppel, Maren Kroymann u.a., 100 min., Kinostart: 7. Juli 2022

 

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