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Pansexualität: Alle Geschlechter begehren - geht das?

Ist Pansexualität ein hipper Trend, den Promis wie Miley Cyrus vor sich hertragen? Oder ein inklusives Konzept, das auch politisch ist? Und wie sieht die Theorie in der Praxis aus? Zum Tag der pansexuellen Sichtbarkeit am 24. Mai schaffen wir Klarheit.

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Von Kittyhawk

21.5.2024 - Pan – das ist doch dieser griechische Waldgott mit Hörnern und Hufen, ein Mischwesen aus Mann und Ziegenbock, das friedlich in die Panflöte bläst, aber auch Panik verbreiten kann, wenn es in Rage gerät. Wer also pansexuell ist, den törnen Flötentöne und Fabelwesen an? Eher nicht.

Die griechische Vorsilbe „pan“ steht für „umfassend“, „total“, „alles“. Der Begriff pansexuell, wie er heute meist verwendet wird, bezieht sich auf Menschen, die sexuelle oder romantische Gefühle gegenüber allen Geschlechtern entwickeln können – ob die nun eher maskulin, feminin, non-binär, gender-fluid, bigender, agender, trans* oder inter sind. „Ich steh einfach auf Menschen“, ist eine Aussage, die sich oft in Diskussionen und Foren zum Thema findet. Oder: „Wenn ich mich verliebe, ist es mir total egal, was ich im Höschen dieser Person vorfinde.“

Ist „pan“ das neue hippe Label?

Wer sich schon länger durch Dating-Apps wischt, konnte in den letzten Jahren eine immer größere Verbreitung der Selbstbezeichnung pansexuell beobachten. Ist pan das neue hippe Label, ein Must-have der sexuellen Orientierungen, das jetzt auch Pop-Promis wie Miley Cyrus selbstbewusst vor sich hertragen? Spalten die universal Liebenden die ohnehin immer um Akzeptanz kämpfende Bewegung der Bisexuellen in nun vermeintlich progressiv pan und old-school bi?

Denn das Bi-Begehren richtet sich ja nicht auf alle Geschlechter. Sehen jetzt die guten alten Goldstar-Lesben und andere, die bisher scheinbar okay damit gefahren sind, jeweils nur mit einem ganz bestimmten Geschlecht in die Kiste zu springen, nicht fürchterlich überholt und verstaubt aus?

Pansexualität ist auch politisch

Zunächst einmal ist der Ausdruck im heutigen Wortgebrauch noch relativ neu. Obwohl er eine Vorgeschichte hat, die, wie so vieles, auf das Forschen und Wirken alter weißer Männer zurückgeht – und auf ihre Vorstellungen davon, was „krankhaft“ und was „normal“ sei. Der aus Wien stammende Psychiater und Analytiker Otto Kernberg verwendete die Vokabel pansexuell in den 1960er Jahren für ein Symptom des Borderline-Krankheitsbildes.

Vom Ruch des Perversen und Gestörten befreit wurde der Begriff erst im Laufe der Zeit. Seit den 90ern wird er vor allem in queer-feministischen Kreisen zunehmend als möglichst inklusives, offenes Gegenstück zum beengten Mehrheitsstandard der Heterosexualität gebraucht. Pansexualität spielt dem revolutionären Konzept, das Patriarchat und alle damit verknüpften Schubladen, Dichotomien und Diskriminierungen abzuschaffen, in die Hände.

Mein nicht binärer, trans-maskuliner Freund Kai, den ich gern in Sexdingen aller Art befrage, formuliert es so: „Pansexuell zu sein, ist für mich definitiv auch politisch. Ich denke, wir sollten in der Lage sein, alle Menschen zu lieben. Pansexualität ist für mich das menschenfreundlichste Konzept. Das am wenigsten sagt: Wir brauchen Grenzen.“

Verdrängt „pan“ die lesbische Sichtbarkeit?

In der Theorie klingt das großartig. Aber wie sieht die Praxis aus? Darf ich mich pan nennen, wenn ich grundsätzlich im Leben für alles offen sein möchte, aber es faktisch noch nie zu einer Bettkanten-Begegnung mit einem Bio-Penis kam? Gelten auch Fantasien? Was ist mit der Kategorie „Ich stehe auf alle Geschlechter, außer auf cis Heteromänner“, die mehrfach in meinem Freund:innenkreis und auch bei mir selbst anzutreffen ist? Ist es nicht politisch eher geboten, sich das Lesben-L möglichst groß auf die Stirn zu malen, anstatt die lesbische Sichtbarkeit im irgendwie auch leicht esoterisch klingenden „Pan“ aufzulösen?

Letztlich entscheidet das jede für sich. Für manche ist das neue Wort ein Geschenk, um dem eigenen Begehren endlich den passenden Namen geben zu können und vielleicht auch Zugehörigkeit und Gleichgesinnte zu finden. Andere wollen aus Angst vor Etikettenschwindel lieber kein Label tragen, dem sie dann doch nicht gerecht werden. Verfechter:innen der Kategorie „alles außer cis hetero“ können sich guten Gewissens immer noch polysexuell nennen. Das gilt dann eben nicht mehr für alle, aber für viele Geschlechter.

Alles ist fluide - und: Präferenzen sind in Ordnung

Und letztlich sind all diese Wortschöpfungen keine gemeißelten Gesetzestexte. Sondern fluide – genau wie der weitgefasste Begriff „queer“ oder die Bezeichnungen „Anthrosexualität“ und „Omnisexualität“, die beide manchmal als Synonyme für Pansexualität verwendet werden.

„Ich habe lange überlegt, ob ich mich pan nennen darf“, berichtet Kai von seiner persönlichen Aneignung des Ausdrucks. „Aber es ist ja in Ordnung, Präferenzen zu haben. Ich mag nämlich Vulven lieber. Penisse sind für mich okay, nur fahre ich nicht so auf die Dinger ab. Gleichzeitig verspüre ich eine große Anziehung für Maskulinität. Für mich sind deshalb trans* Männer perfekt. Das ist aber meine ganz individuelle Vorliebe.“

Fest steht nur eins: Panta rhei – alles fließt. Das eigene Begehren genauso wie die Worte, die wir dafür finden. In den LGBTIQ*-Buchstabensalat hat es das P zwar noch nicht geschafft, aber der 24. Mai ist inzwischen der Tag der pansexuellen und panromantischen Sichtbarkeit. Dann darf unter den Farben der Pan-Flagge – pink, gelb, hellblau – gefeiert und allumfassend geliebt werden.

Dieser Text erschien zuerst in der L-MAG-Ausgabe 3-2024 (Mai/ Juni) - jetzt in diesen Zeitschriftenläden oder hier als E-Paper.

 

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