„Princess Charming“: So war die erste Folge
Die weltweit erste lesbische Datingshow „Princess Charming“, seit heute bei TVNOW, ist gelungenes Reality-TV mit gutem Cast, lesbischem Selbstbewusstein und erfreulich geringem Trash-Faktor.
Von Karin Schupp
25.5.2021 - Eine Villa mit Pool, Feuerschale, Sekt, Küsse, Kuscheln, Eifersüchteleien, Tränen - selbst wer noch nie eine gesehen hat, weiß: Das sind die Zutaten einer Datingshow. Und obwohl Princess Charming, vor wenigen Wochen auf Kreta gedreht, genau so aussieht wie etliche andere vor ihr, hat ihr heutiger Start beim RTL-Streamingdienst TVNOW (und demnächst bei Vox) dennoch Geschichte geschrieben: als weltweit erste lesbische Kuppelsendung nämlich!
Die queeren Frauen bleiben unter sich
Keine 18 Jahre nach dem Start des Bachelor und nach zwei Staffeln des schwulen Prince Charming haben jetzt also auch die queeren Frauen ihr eigenes Format! Und sie bleiben dabei unter sich und müssen nicht wie in der US-Show A Shot at Love (MTV, 2007/ 2008) mit Heteromännern um eine bisexuelle Frau (die sich später auch noch als hetero outete) buhlen. So war‘s zwar ursprünglich geplant, aber glücklicherweise entschied man sich nach heftigen Protesten dann doch anders (wir berichteten) – mit einem Ergebnis, das sich für all diejenigen, die die Partnerinnensuche via TV nicht schon per se als schlimmen Trash ablehnen, durchaus sehen lassen kann.
Der Trashfaktor ist tatsächlich gering, es gibt dankenswerterweise nur eine sparsam eingesetzte Off-Stimme ohne blöde, pseudowitzige Kommentare, und ein Streit, den andere Formate ausgeschlachtet hätten, wird ausdrücklich nicht gezeigt.
„Princess“ und Kandidatinnen sind gut gecastet
Mit der Kölner Anwältin Irina Schlauch hat die – lobenswerterweise auch hinter der Kamera weiblich dominierte - Produktion eine telegene „Princess“ gefunden, die glaubwürdig für 20 verschiedene Frauen attraktiv sein kann. Und auch die Auswahl der – natürlich genretypisch jungen und hübschen - Bewerberinnen ist gelungen. Sie repräsentieren im Großen und Ganzen den lesbischen Szene-Style der unter 35-Jährigen: eher lange als kurze Haare, überwiegend lässiger Look, gerne tätowiert und gepierct, von sehr feminin bis androgyn und butchig. Klar überrepräsentiert sind Berlinerinnen, unterrepräsentiert sind People of Color.
Das Wort „lesbisch“ fällt hier öfter als im gesamten Fernsehjahr
Nicht alle Kandidat:innen bezeichnen sich als lesbisch, zwei sind queer, Iry ist bisexuell (und befürchtet damit anzuecken) und Gea nichtbinär. Im Vordergrund steht jedoch lesbisches Selbstbewusstein: „Ich bin klar lesbisch, nicht bi oder eine andere Sexualität, da bin ich stolz drauf“, erklärt Bine, und auch Johanna sagt: „Ich bin lesbisch, ich bin stolz darauf und sag das auch gerne laut“.
Überhaupt fällt das Wort „lesbisch“ allein in der ersten Folge schon häufiger als im gesamten letzten Fernsehjahr in allen Sendern zusammen, und einige erklären ihre Teilnahme sogar (auch) mit einem lesbenpolitischem Anspruch, um etwa „die vielen bunten Farben des Regenbogens“ zu zeigen (Gea) oder „heteronormative Denkweisen aufzulösen“ (Elsa). Und wo gab’s schon mal eine Fernsehsendung, in der man schon in den ersten Minuten die Frage „Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gerne leckt ihr?“ hört, die mit einem vielfachen „10“ und schallendem Gelächter beantwortet wird?
Die ersten 25 Minuten sind kostenlos auf TVNOW und Youtube zu sehen.
Und das passierte in der ersten Folge *** Achtung, ab hier Spoiler! ***
Meer, Strand, Sonne: wir sind auf Kreta (wieso eigentlich nicht – wenn schon, denn schon – auf Lesbos?!), und die „meganervöse“ Irina ist voller Vorfreude auf die Kandidatinnen. Sie ist „ein Beziehungstyp“, sagte sie, seit einem halben Jahr Single und sucht jetzt „eine Partnerin, die bleibt. Neben der ich gerne einschlafe und aufwache.“ Schon irgendwie „kitschig“ - ihre Worte, nicht meine! Irina mag selbstbewusste Frauen, die ihr zeigen, dass sie sie mögen, und eine gewisse Abenteuerlust wäre ein Pluspunkt. Da wollen wir mal sehen, wen RTL da für sie zusammengecastet hat.
Da kommen sie schon, die 20 Kandidatinnen: Sie werden nacheinander mit viel Yippiehs und Woohoos in vier Pickup-Trucks angekarrt und stellen sich in kurzen Einspielern am Strand oder Hotelpool selbst vor (von der Hälfte werden wir in dieser Folge sonst nichts mehr hören). Wer da nicht schon mal eine persönliche Rangliste anlegt, ist in der falschen Sendung (hier alle Kurzprofile).
Warten auf die „Princess“
Die erste Gruppe hisst schon mal eine Regenbogenfahne, inspiziert das Haus und genehmigt sich erst mal was zu trinken (auch ein wichtiger Faktor in Datingshows!), bis nach und nach die anderen eintreffen. Erstes Beschnuppern - wenn da mal nicht auch einige Kandidatinnen untereinander die Liebe finden!
Damit das aber nicht so schnell passiert, wird die Aufmerksamkeit zurück auf die „Princess“ gelenkt: Die Kandidatinnen dürfen einen ersten Blick auf eine (vermutlich von der Redaktionspraktikantin angefertigte) Zeichung von Irina werfen und sind angemessen begeistert.
Eher Hose und Anzug als Glitzerkleid
Der Abend und somit das erste Treffen mit Irina rücken näher, und es wird sich aufgebrezelt. Okay, hier herrscht definitiv eine größere modische Vielfalt als in Hetero-Kuppelshows. Das sonst obligatorische Glitzer-, Ball- oder Minikleid ist nur spärlich vertreten, Hose und Anzug überwiegen. Und Influencerin Ulle („Frauen verlieben sich schnell in mich.“), bleibt einfach so, wie sie ist. Die Wienerin Sonja („Ich brauche nie länger als eine halbe Stunde, um mich zu verlieben“) fühlt sich nicht schön genug und wird von den anderen aufgebaut.
Zum Glück wird endlich - immerhin ist die Folge schon zu zwei Dritteln vorbei - Irina in einem roten Cabrio vorgefahren. Und reagiert charmant verlegen auf die „Ooohs!“ und „Aaahs!“ der Bewerberinnenschaft.
„Ich bin geflasht!“ – „Ich bin verzaubert“ - „Eine 11 auf einer Skala von 10“: Alle sind hin und weg. Die Option „Ach so, nee, dann mache ich doch lieber nicht mit“ gibt der RTL-Vertrag wohl auch gar nicht her.
Sonja ist bereits heiß verliebt
Von Sonjas anfänglicher Unsicherheit ist nichts mehr zu spüren: Sie ist bereits heiß verliebt, schiebt Irina umgehend ins Haus und überschüttet sie mit Komplimenten. Und entpuppt sich als distanzlose Anfasserin – bisschen zu aufdringlich für Irinas Geschmack:
Schließlich drängt sich - sehr zu Sonjas Unmut - Ulle dazwischen und dirigiert Irina zu Katy. Was ist eigentlich Ulles Deal? Die Berlinerin geriert sich schon die ganze Zeit eher als Gastgeberin denn als Kandidatin. Vielleicht ist sie wirklich davon überzeugt, dass sowieso „keiner eine Chance gegen mich“ hat, wie sie in ihrem Vorstellungsclip sagt, oder sie ist gar nicht an Irina interessiert, weil sie – wie ihr auf Instagram vorgeworfen wurde - bereits eine Freundin hat und nur den „Fame“ sucht?!
Zwischen Irina und der Berlinerin Kati, die studiert, sich aber lieber mit ihrem Zweitjob – Roman-Autorin - vorstellt, stimmt hingegen die Chemie. Es dauert nicht lange, da reden die beiden schon über Fernbeziehungen, und Kati freut sich darüber, dass Irina nicht bisexuell ist. Katis Fazit: „Du bist genau mein Typ, und deshalb muss ich jetzt gehen!“ Irinas Fazit: „Sie hat mir viele Fragen gestellt, aber bisschen bossy finde ich gut.“
Bei „Goldstar-Lesbe“ Miri übernimmt Irina die Initiative, lässt sich von ihren einen Drink mixen und lobt im Einspieler „ihre ruhige, angenehme Art“.
Dann ist Johanna dran und geht mit den Worten „Wenn du mich anschaust, fühle ich mich gesehen“ in die Offensive. Die „sportfanatische“ Ex-Bundeswehrlerin Britta benötigt drei Versuche, um auch mal zum Zug zu kommen und wird von Irina mit einem Kompliment für ihr Anzug-und-Fliege-Outfit belohnt.
Während bei den anderen die Stimmung steigt, beobachtet Sonja das Geschehen mit zunehmender Verzweiflung - auch so ein Problem von ihr: „Ich bin extrem eifersüchtig“ - und befürchtet, die erste Runde nicht zu überstehen. Womit sie wohl nicht falsch liegt.
Eklat zwischen Ulle und Sonja - zum Glück im Off
Als Irina sich zurückzieht, haben alle Kandidatinnen Herzchen in den Augen. Nur bei Sonja brechen alle Dämme, weil die „Princess“ ihr mitgebrachtes Geschenk vergessen hat. Johanna und Jurastudentin Tabea (von der wir bisher nur wissen, dass sie „Zärtlichkeit und Nähe braucht“) kümmern sich um sie, und Ulle beschließt – natürlich -, sich ebenfalls einzumischen. Super Idee, wo die beiden doch vorhin schon aneinander geraten sind.
Es folgt die Texttafel: „Leider kommt es zwischen Sonja und Ulle zu einer Auseinandersetzung, die bei Princess Charming keinen Platz hat und ihre Teilnahme mit sofortiger Wirkung beendet.“
Wir sehen beide nur noch von hinten beim Verlassen des Hauses (ob sie wohl im Hotel Frustsex miteinander hatten?!?), und man kann der Produktion dankbar sein, dass sie die Handgreiflichkeiten, zu denen es wohl kam, nicht zeigte - in anderen Formaten wären sie schon im Trailer hoch- und runtergejubelt worden. Auch die erschrockenen Kandidatinnen werden darüber erleichtert sein, denn: „Das sind wir nicht.“ (Elsa)
„Ladies Night“
Die Eliminationsrunde in Princess Charming heißt „Ladies Night“, und Irina vergibt keine Rosen, sondern türkisfarbene Ketten mit Sofatroddeln. Schön ist anders, aber die Krawatte gibt's ja schon bei Prince Charming, und andere Lesbenklischees hätten irgendwie komisch ausgesehen („Willst du diese Bohrmaschine haben?“).
Miri kommt als Erste weiter, „als Dank für den leckeren Drink“. Das klingt jetzt aber eher nach einem Lob für eine gute Barfrau.
Weiter ist auch Elsa, die eigentlich genau die Richtige für Irina sein müsste, denn sie ist sportbegeistert und abenteuerlustig. Das sie bisher nicht weiter auffiel, erklärt sie so: „Das war mein Ziel: dir Raum zu lassen und trotzdem gesehen zu werden“.
Irina macht’s mit Pokerface und langen Pausen spannend, bis nur noch Kati übrig ist. Die ist nervös... wird sie etwa schon heute Abend rausfliegen? Wirklich?!? Es haben doch alle mitgekriegt, dass 18 Ketten an der Wand hängen und es bereits zwei Abgänge gab… Trotzdem: große Freude und Erleichterung, als auch Kati von Irina eine Kette und die warmen Worte „Du warst sehr flirty! Das mag ich!“ kriegt.
Fazit: Gute Unterhaltung, 18 sind weiter, 2 (die ohnehin keine Chance bei Irina gehabt hätten) haben sich selbst rausgevotet - richtig so, aber dadurch fehlen jetzt leider zwei gute Antagonistinnen. Und in Folge 2 kann's dann richtig losgehen!
Favoritinnen nach Folge 1: Kati und Johanna
Princess Charming, 9 Folgen, seit 25. Mai immer dienstags beim RTL-Streamingkanal TVNOW (kostenloser Probemonat!) und demnächst bei VOX
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